WOVENHAND, TORGEIR WALDEMAR - München

21.09.2014 | 14:31

14.09.2014, Ampère

Auf WOVENHAND ist Verlass!

TORGEIR WALDEMAR ist ein Norweger aus dem Bilderbuch - lange Haare, langer Bart, Wikingergesicht. Nur mit einer Akustik-Gitarre ausgestattet, wagt sich der sympathische Singer/Songwriter in den für ihn tiefsten Süden und gibt heute sein erstes Konzert außerhalb Norwegens. Mit einer eindringlichen Stimme, gefühlvollen, traurigen Balladen und skurril-witzigen Ansagen kann er das Publikum alsbald auf seine Seite ziehen. Man lernt, dass es sich für einen richtigen Singer/Songwriter gehöre, mit einer Mundharmonika umgehen zu können. Diese allerdings bleibe oft im Bart hängen, was weh tue. Zudem sei die Welt zweigeteilt, und zwar in Leute, die bei traurigen Songs traurig und bei fröhlichen Song fröhlich werden. Und in Leute, bei denen es genau anders herum ist. TORGEIR WALDEMAR ist nur glücklich, wenn er traurige Songs spielt und trifft damit bei einem WOVENHAND-Gig genau das richtige Publikum. Seine Musik erinnert mich zuerst ein wenig an BOB DYLAN, hat aber noch etwas mehr Outlaw-Country-Feeling. Songs wie 'Take Me Home' oder 'Come To Be' sind lyrisch schon auf der eher dunklen Seite. Ich jedenfalls bin sehr gespannt auf das im Oktober erscheinende Debüt-Album des Norwegers, der von Haris schon gleich als Mikael Åkerfeldt des Folk bezeichnet wurde.

[Thomas Becker]

Auch ich bin schwer beeindruckt vom Auftritt des norwegischen Waldkauzes. Mit seinem düsteren Country ist er eine clevere Wahl für den Opener-Slot. Ich fühle mich oftmals an den guten alten Nick Drake erinnert, teilweise gar an das wunderschön melancholische "Long Gone Before Daylight" von THE CARDIGANS. Ein Duo mit Nina Persson würde sich da mal für einen der nächsten Studioaufenthalte anbieten, Herr Waldemar!

[Haris Durakovic]

Nun aber zum Hauptact, und hier muss ich gleich zugeben, dass ich die letzten Alben aus der Feder von David Eugene Edwards nicht kenne. Und so bin ich zunächst sehr verwundert ob des wirklich massiven harten Sounds, der hier aus den Boxen jagt. Nach drei Songs klappt mir immer noch die Kinnlade runter und ich wähne mich ob dieser Klangmauer eher bei CRIPPLED BLACK PHOENIX als bei WOVENHAND. Ich erwartete ja düsteren Folk Rock im Stile von 'Whistling Girl' oder 'Story & Pictures' und bin auch jetzt noch perplex über das, was dann tatsächlich kommt. Perplex bin ich und zugleich tief fasziniert von dieser harten und düsteren, fast post-rockigen Musik, von Edwards Stimme und seiner vollkommen abgedrehten Erscheinung inklusive Gestik. Das ist schon etwas ganz besonderes, oder Haris?

[Thomas Becker]

Ja, jetzt sitze hier vor meinem Rechner und versuche, die Eindrücke davon, was David Eugene Edwards und seine Hintermannschaft in neunzig Minuten an Energie freisetzen und an Emotionen bei den Anwesenden erwecken, in Worte zu fassen. Wie soll man jemandem, der WOVENHAND noch nie live erleben durfte, von der Intensität und Leidenschaft überzeugen, mit der die Amis das Publikum in ihren Bann ziehen? Einen Versuch wage ich trotzdem. Die Tour dauert ja noch an - nutzt die Möglichkeit und geht zur Show in eurer Stadt!

Dass WOVENHAND vor einigen Monaten mit "Refractory Obdurate" ein Erste-Sahne-Album veröffentlicht haben (völlig verdiente 9,5 Punkte von unserem Holger), ist bekannt. Und es liegt auf der Hand, dass die Besucher am heutigen Abend in den Genuss einiger Songs dieses Meisterwerks kommen werden. Dass dann aber das Album in seiner Gesamtheit mit Ausnahme von 'King David' Einzug in das Programm hält, überrascht schon. Ein paar Songs vom Vorgänger "The Laughing Stalk" und ganz wenige Ausflüge tief in die  Vergangenheit von Edwards' Schaffen machen das heutige Set aus. Schmerzlich vermisse zumindest ich Hits wie 'Not One Stone', 'Dirty Blue' oder 'As Wool' oder gar ganz Großes aus der 16 HORSEPOWER-Phase. Aber das alles ist Jammern auf höchstem Niveau.

Als Edwards und seine Mannen die Bühne betreten, ihr Werkzeug umhängen bzw. in die Hand nehmen und die ersten Töne von 'Hiss' anstimmen, wird eines deutlich: Gott, ist das heavy! Und das Hervorragende daran: Es wird auch so bleiben. Der Bass-Sound bohrt 90 Minuten lang in bester Drone-Manier riesige Löcher in die Magengegend, was vor allem in den ruhigeren Passagen bei Songs wie 'Horse Head Fiddle' (einziger 16 HP-Song im Set) Wirkung zeigt. WOVENHAND benötigt einen perfekt ausbalancierten Livesound und den bekommt man heute auch. Bei dem Detailreichtum der Songs und bei der Instrumentierung (Edwards greift des Öfteren zu seinem heiß geliebten Mandolinenbanjo) ist das auch eine Grundvoraussetzung.

So fantastisch die Band auch aufeinander eingespielt ist und jeder der Vier eine souveräne Show liefert, bleibt der Blick dennoch immer wieder beim charismatischen Bandkopf Edwards hängen. Mit einem unnachahmlichen Zusammenspiel von Gestik und Mimik erlebt er jeden einzelnen Text und unterstreicht einzelne Kernpassagen. Das alles hat einen rituellen Charakter, wirkt aber nicht gezwungen und durchchoreographiert, sondern jederzeit spontan und ehrlich. (Wobei ich mir gewünscht hätte, dass David öfters mit seiner normalen Stimme singen würde; die meiste Zeit benutzt er eine Art Verzerrer, der die Stimme ein wenig wie durch ein Megaphon klingen lässt. Was ist das für ein Ding? - TB)

Nach 'Good Shepherd' verlässt WOVENHAND erstmalig die Bühne, wird jedoch unter tosendem Beifall zu einer Zugabe motiviert. David Eugene Edwards nimmt im Anschluss zum letzten Mal sein Mandolinenbanjo in die Hand und verabschiedet das wunschlose Münchner Publikum mit einer Solointerpretation von 'Whistling Girl' vom 2006er Album "Mosaic" (Gott, hab ich mich darüber gefreut; diese Version war so abgrundtief dunkel und ergreifend, dagegen wirkt die tolle Studioversion fast sogar wieder nett. - TB) in die Nacht. Vielen Dank, WOVENHAND, vielen Dank, Torgeir Waldemar!

[Haris Durakovic]

Setlist: Hiss, Closer, Maize, Horse Head Fiddle, King O King, Masonic Youth, El-bow, Corsicana Clip, The Refractory, Obdurate Obscura, Long Horn, Field Of Hedon, Salome, Good Shepherd // Kicking Bird, Whistling Girl.

Redakteur:
Haris Durakovic
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