Wacken Open Air 2008 - Wacken

20.08.2008 | 13:07

31.07.2008, Festivalgelände

Donnerstag - Day One, Day Maiden

Der Donnerstag beginnt mit dem, was unter dem Begriff "klassische Rock-Musik" läuft. Auf der Party-Stage sind ab 16 Uhr die Schweden-Rocker von MUSTASCH zu Hause, auf der Black Stage tummeln sich dagegen die Alt-Rockerinnen von GIRLSCHOOL. Und beide Bands klingen bei schönstem Mützenwetter schon recht nett, aber gleichen dann dennoch den klassischen Anheizern, die sich auch schnell wieder vergessen lassen. Bei MUSTASCH zumindest bleibt der rohe Sound in Erinnerung, bei GIRLSCHOOL dagegen die engen Lederhosen der Musikerinnen, die so gar nicht zu der großen Hitze passen wollen. Zumindest lässt da schon das Hinsehen schwitzen, harhar.

Wesentlich stärker bleiben VOODOOKUNGFU in den Hirnzellen stecken. Das Sextett hat die Wacken Metal Battle in China gewonnen. Und offenbar haben auch viele Besucher im Vorfeld genau hingehört, was da für eine Irren-Truppe erwartet wird. Denn VOODOOKUNGFU begeistern im W.E.T.-Zelt mit einer wilden Mischung aus wahnwitzigem Gekreische und ballernden Tribal-Drums, angereichert mit den Sounds solcher Bands wie STRAPPING YOUNG LAD und ähnlich kranken Vertretern der besonders lauten Tonkunst. Eine krasse Version des BOB MARLEY-Klassikers 'Get Up, Stand Up' beendet das kurzweilige Treiben.

Bei so einer Überraschung stört es dann sogar nicht einmal sonderlich, dass der Auftritt von NASHVILLE PUSSY recht kurz ausfällt. Doch zumindest reichen die wenigen verbleibenden Minuten aus, um noch einmal für kurze Zeit in den Genuss einer schönen Portion Südstaaten-Feeling zu kommen, ganz entspannt. Und wer das alles nicht toll findet, kann wie Hunderte anderer Besucher zu dieser Zeit den dieses Jahr noch einmal vergrößerten Metal-Markt und die Klamotten-Straße davor besuchen: wohl eine der längsten Rock-Verkaufsmeilen der Welt. Andere tummeln sich derweil bei LAUREN HARRIS und können deren Kajal bewundern.
[Henri Kramer]

Man hat es ja schon tausendmal gehört: Image übertrifft einfach alles. Und tatsächlich trifft dies auch auf Steve Harris' kleine Tochter Lauren zu. Das Image: Tochter von Daddy und megaschnuckelig. Was aber getönt wird? [vielleicht das Haupthaar? - d. Red.] Langweiliger, einfallsloser Rock irgendwo zwischen Radio und SCORPIONS. Da können auch vereinzelte Ansagen auf der Bühne, ein knappes Top und eine heiße Lederhose nicht viel reißen. Eine Band mit gerade einmal einem mittelmäßigen Album hat am Donnerstag auf der Hauptbühne so viel zu suchen wie ein Beutel Kokain in der Entzugsklinik.

Als Entschädigung dafür gibt es AIRBOURNE. Was die Jungs vom Stapel lassen, ist wirklich reif für die Hauptbühne. Vom einfach genialen Posing über die perfekte Bühnennutzung (von wegen hin- und herlaufen und so was) sowie kleine Überraschungen wie eine Klettertour auf die Bühnenspitze samt oben abgefeiertem Gitarrensolo - so schnell macht das den Australiern keiner mehr nach. Die Begeisterung des Publikums ist dementsprechend, wartet man ja nicht nur seit acht Jahren auf ein neues Studioalbum der großen Vorbilder AC/DC, sondern ist auch wegen der lahmen Show von Ms. Harris regelrecht ausgehungert. Stücke wie die Single 'Too Much, Too Young, Too Fast' oder der stampfende Nackenbrecher 'Girls In Black' bringen auch den letzten Metaller ins Schwitzen. Dazu noch perfekter Sound und gute Laune auf der Bühne. Schon hat man den zweiten großen Headliner des Abends gesehen. Mit einem Wort: perfekt!
[Lars Strutz]

Auf jeden Fall sprechen viele Zuschauer noch Tage später von diesem einmaligen Gig. Zu den wiederkehrenden Attraktionen des Wacken-Festivals zählen dagegen die W:O:A FIREFIGHTERS und MAMBO KURT, der König der Heimorgel. Beide sind am Donnerstag die Stars des Biergartens. Auf den Tischen vor der kleinen Bühne dort tanzen die Metalfans ausgelassen und mit viel, viel Bier inner Krone. Besonders MAMBO KURT begeistert mit seinem Minimalsound und seinen Rock-Klassikern, das Feuerwehr-Orchester lässt dagegen das "Schleswig Holstein"-Lied erklingen, was so wohl kaum einer der Fans freiwillig hören würde, wäre er nicht in Wacken. Zur gleichen Zeit locken W.E.T. Stage und Party Stage ganz viele Leute an.
[Henri Kramer]

Freunde des experimentellen Black Metal kommen bei den Rumänen von NEGURA BUNGET voll auf ihre Kosten. Die Songs sind komplett in der Heimatsprache der Band verfasst. Dabei lassen sie das Publikum gedanklich geradezu nach Transsilvanien oder in andere finstere Gegenden abdriften. Ein eher ungewöhnliches Instrumentarium und epische Soundgewitter von bis zu fünfzehn Minuten Länge geben genug Zeit dazu. Klanglich nahe an SUMMONING - ein heißer Tipp für alle, die ab und zu mal aus gewohnten Mustern ausbrechen wollen.
[Matthias Köppe]

Als STURM & DRANG noch etwas steif ihren ersten Song anspielen, hat sich der Platz vor der Party Stage erstaunlich gut gefüllt, und einige Schweden-Flaggen in den ersten Reihen bezeugen, dass diese junge Heavy-Metal-Band hier trotz so mancher belächelnder Blicke nicht gänzlich unbeliebt sein kann. Das Publikum unterstützt die fünf Bubis aus Vaasa tatkräftig mit Klatschrhythmen und Sprechchören bei Songs wie 'Rising Son', 'Indian' und 'Forever'. Schade nur, dass die Jungs anscheinend über zu wenig eigenes Material verfügen und die Zeit mit Coversongs von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN füllen müssen.
[Silvana Conrad]

Die schwierige Aufgabe, mit den geilen AIRBOURNE mitzuhalten, haben auf der Hauptbühne AVENGED SEVENFOLD zu meistern. Leider gelingt ihnen das überhaupt nicht. Nicht nur, dass zu Beginn des Sets viel Publikum abwandert, auch mag der etwas langsame Mix aus Hardrock und Metalcore nicht so richtig ankommen. Die Fans sind natürlich aus dem Häuschen, jedoch nicht zahlreich genug anwesend, um den Leuten auf der Bühne etwas Energie mitzuschicken, die diese dann auf die Anwesenden verteilen könnten. Schade.
[Sarah Seemann]

ALESTORM sind die schottische Antwort auf die Studenteninitiative "zur Ansiedlung von Piraten in heimischen Gewässern", die als "einzige Ursache für die globale Erwärmung, Orkane und alle anderen Naturkatastrophen (...) die sinkende Zahl von Piraten seit Beginn des 19. Jahrhunderts" sieht. Prost! Mit Songs wie 'Over The Seas' und 'Huntmaster' stürzen sich die Freibeuter der Meere gemeinsam mit dem schunkelnden und singenden Publikum in Meere aus Crowdsurfern und Headbangern, vorbei an empor gerissenen Bierbechern immer in Richtung Tortuga, wo 'Nancy, The Tavern Maid' schon sehnsüchtig ihre Brüste seift und auf 'Captain Morgan's Revenge' wartet. Har, har, harrr! ALESTORM bieten ein metallisches Piratenspektakel bei dem eine Keytar auch schon einmal wie ein extrem schnelles Akkordeon klingen darf und das gemeine Fußvolk Beine und Arme gleichermaßen in die Luft werfen kann, um bei weiteren Songs wie 'Set Sail To Conquer' und 'Wenches And Mead' dem Namen der W.E.T. Stage bei karibischen Temperaturen alle Ehre zu machen.
[Marko Seppä & Silvana Conrad]

IRON MAIDEN - die eiserne Jungfrau ist in Wacken 2008! Und dementsprechend euphorisch wird die Band von zehntausenden Fans am ersten Abend auf der True Metal Stage begrüßt. Etwas gewöhnungsbedürftig zu Beginn ist die "Waldhose Of Army" von Vegetarier Bruce Dickinson. Mit seinen "Scream for me Wacken!"-Rufen und dem ersten Song 'Two Minutes To Midnight' wird die Menge gleich richtig warm. Die Begeisterung kennt keine Grenzen und "... goes all the way to Hamburg". Bruce heizt den Fans weiter ein. So werden "Mexican Waves" laolahaft ausgeführt, münden in den Meilensteinen 'Wasted Years' und 'The Number Of The Beast'. Dazu zelebriert Janick Gers seinen legendären Armpropeller an der Gitarre. Für Abwechslung sorgen auch die wechselnden Bühnenbilder mit Eddie und die Kostüme von Bruce. Nach 'Can I Play With Madness' und 'The Rime Of The Ancient Mariner' präsentiert sich Drummer Nicko McBrain mit Radlerhose. Einige Fans dürfen sogar zu 'Heaven Can Wait' auf der Bühne herumspringen. Das kann Eddie bei 'Iron Maiden' aber noch toppen.

Bevor IRON MAIDEN zur Zugabe ausholen, präsentiert sich Bruce wiederholt von seiner charmanten Seite. Ach ja, und ein IRON MAIDEN-Konzert könnte mit 'The Clairvoyant' nicht schöner enden. IRON MAIDEN kennen kein Alter und haben es mal wieder geschafft, energiegeladenen Heavy Metal auch energiegeladen über zwei Stunden hinzulegen. Das Konzert hätte in dieser Form auch zwanzig Jahre früher stattfinden können.
[Stefanie Rudolph]

Es ist wahrhaft famos, was hier geboten wird. Songs wie 'Aces High', 'Revelations', 'The Trooper' oder 'Moonchild' sind allesamt so stark, dass der Grad an Gänsehaut stetig weiter überboten wird, Arme und Beine schließlich fast schon pickelig vor Begeisterung werden und sich der Rücken zur Kraterlandschaft zu verwandeln droht. Dann sagt Bruce Dickinson auch noch, dass das Wacken "das beste Metal-Festival der Welt" ist. Damit liegt er zumindest in dieser Sekunde auch absolut richtig. Und eigentlich könnte Wacken nach so einem Gig sogar schon vorbei sein. Ist es aber nicht. Die Party vom Metal Hammer sorgt im Anschluss dafür, dass die Stimme schon nach dem ersten offiziellen Tag kaum zu mehr als einer Käsereibe taugt.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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