Wacken Open Air 2009 - Wacken
19.08.2009 | 21:5304.08.2009, WOA-Wiese
Ein Wacken der Rekorde war es in jedem Fall. Und ein Wacken, bei dem das Wort "Schweinegrippe" eine besondere Rolle spielte. Dazu machten noch rund hundert Bands auf mehreren Bühnen so viel Alarm, dass unmöglich alle zu sehen waren. Das Ergebnis: ein grandioses Wochenende, das dennoch auch Makel hatte.
Durchatmen. Vorbei ist es nun. Vor dem Fazit ein Blick des Fotografen auf das Geschehen:
Die Bildberichterstattung über das Wacken in den Massenmedien beinhaltet häufig den Versuch, die wenigen Betrunkenen, die das Festival für den Veranstaltungsort einer Meisterschaft im Schlammcatchen halten, als repräsentatives Beispiel für Metalfans darzustellen. Zum Glück gibt es viele einladendere Motive mehr: Immer wieder warten hier Bands mit respektablen Lightshows und umfangreichen Bühnenaufbauten auf, die es in dieser Form bei deren üblichen Tourkonzerten nicht gibt und die an wesentlich größere Acts erinnern. Zudem ist das W:O:A in Hinsicht auf Fotos noch immer das wohl fanfreundlichste Festival dieser Größe, da Besucher alle Arten von Fotoapparaten mit in den Bühnenbereich nehmen dürfen. Ein Fotopass ist also nicht unbedingt nötig für gute Bilder - wohl aber etwas Erfahrung.
[Nuri Jawad]
Erfahrung braucht es sowieso. Aber auch eisernes und nicht schnell entnervtes Durchhaltevermögen. Denn ein Erfahrungswert ist der Abreisestau, der jedes Jahr tausende Autos im Schritttempo gen Heimat trägt. Auch dieses Jahr sind die Wege - etwa nach Berlin - häufig blockiert. Lustig ist allerdings, nach links und rechts in andere Wagen zu schauen, den Abtransport der menschlichen Wacken-Kadaver live zu beobachten.
Da lässt sich dann überlegen, was die Neuerungen bei dem Festival in diesem Jahr effektiv gebracht haben. Wesentlich cooler geregelt wirkt in jedem Fall die freie Zugänglichkeit zur Party Stage. Verzichtbar dagegen scheint die Wrestling-Bühne, während das Mittelalter-Areal eine gelungene Erfindung darstellt. Und Spielereien wie Wacken Tube oder Wacken Mobile - wer das für eine Festival nötig findet ... Wichtiger wäre, die aufgestellten Fress(!)-Buden auf Qualität zu kontrollieren. Allein die Einträge im Wacken-Forum sprechen Bände darüber, dass das Essen in diesem Jahr unter aller Sau war und für dieses Niveau auch noch um Längen zu teuer. Wer je diese chinesischen Bratnudeln mit ihren Brüdern und Schwestern auf etwa dem Full Force vergleicht, merkt einen Unterschied wie zwischen Tag und Nacht - das Essen in Wacken mit ausgeprägtem Magen-Grummel-Effekt, woanders mit Wellness-Faktor. Positiv lassen sich dagegen einmal mehr die Leistungen der stets entspannten Sicherheitsleute beschreiben. Auch der Sound war bis auf Ausnahmen - leider etwa IN FLAMES - recht druckvoll und derbe genug für das Metal-Fest des Jahres.
Besonders lobenswert: Dieses Mal haben sich die Wacken-Veranstalter Hilfe von der Technischen Universität Berlin und einem privaten Umweltunternehmen geholt. Unter dem Motto "Metal for Nature" sind so die Abfälle möglichst getrennt entsorgt worden. Das Gelände kann zügig wieder für die Landwirtschaft genutzt werden, sagt Wacken-Veranstalter Thomas Jensen - ein Schelm, wer an die Wirkung von Alkohol-Pisse auf etwa Maisfelder denkt. Doch zurück zum Ernst: Demnach wurden zunächst zehn Prozent des Festivalgeländes in so genannte Cleanzones umgewandelt, die zusammen mit den Campern sauber gehalten werden. Dadurch sollen die anderen Besucher motiviert werden, ihre Abfälle an den vorhandenen Entsorgungsstellen regelmäßig abzugeben - eine Statistik über diese Hoffnung wäre super. Um den Müll dann zu trennen, hat es in Wacken 150000 Müllbeutel, 200 Biotonnen, 40 Glascontainer sowie mehrere hundert Papier- und Restmüllbehälter gegeben - so kamen auf jeden Besucher zwei Müllbeutel. Und eine fünfzigköpfige "Müll-Patrouille" hat rund um die Uhr gearbeitet, es war sicher ein Knochenjob. Nach dem Festival haben schließlich Schrotthändler die rund 200 Wacken-Hektar nach zurückgelassenen Grills, Zeltstangen und anderen Metallteilen durchkämmt.
Und noch etwas. Es gab nur 60 Geldbörsen, die als gestohlen gemeldet worden sind. Und eine stolze Polizei, die drei Rumänen im Alter von 18 bis 30 Jahren festnehmen konnte. Bei ihnen wurden diverse Geldbörsen und sehr viel Bargeld gefunden. Doch auch die Organisatoren des Wacken Open Airs sind ja irgendwie Diebe; Zeit, Geld und Gehör gehen in diesen tollen Tage flöten. Aber wenigstens gibt's als Gegenleistung den Spaß des Jahres. So sollte jeder Dieb ticken. Oder tacken. Oder wacken. Ein neues Verb ist erfunden: Wir wacken.
[Henri Kramer]
- Redakteur:
- Henri Kramer