Wacken Open Air 2016 - Wacken

19.08.2016 | 00:19

04.08.2016,

Metal, Schlamm und gute Laune.

Donnerstag, 04. August 2016: A Night To Remember!

Nach SKYLINE ist SAXON nun die erste große Band, die auf der Hauptbühne auftreten darf. Dieser Auftritt hat alles, was ein guter Auftritt von SAXON so braucht: Die Band ist da und mit ihr alle großen Hits. Es ist zwar nicht der dynamischste Auftritt, den ich je von den Engländern gesehen habe, und auch gibt es kein Orchester, wie vor zwei Jahren, aber es ist mit Sicherheit der charismatischen Erscheinung von Biff zu verdanken, dass ich Auftritte von SAXON eigentlich immer unterhalsam finde. Man grölt hier ein bisschen 'Princess Of The Night', man tanzt hier ein bisschen zu 'Denim And Leather' und auch das neue 'Battering Ram' tut seinen Dienst. Allerdings sind Schlagzeug und Gitarre sich nicht immer ganz einig, wo es lang gehen soll, aber die große Spielfreude kann da sehr gut drüber hinweg trösten. Bei 'Power And The Glory' passiert dann das, wovor auch die größten Bands nicht gefeit sind: Ein kleiner Stromausfall, der aber nach ein paar Sekunden wieder behoben ist. Kaum Zeit genug für das Publikum, die Textgestaltung selber in die Hand zu nehmen und zu singen. So geht auch dieser Auftritt erfreulich spaßig zu Ende und lässt einen mit diesem wohlig vertrauten Gefühl eines guten Konzertes zur nächsten Band schlendern.

[Yvonne Päbst]

Nach den unvermeidlichen SKYLINE und SAXON, beides sichere Treffer in Wacken, steht dem Publikum nun die erste Band bevor, die man auf einem - dem Namen nach - Heavy-Metal-Festival eher nicht erwarten würde: FOREIGNER betritt die Black Stage, um vor zahlreich angetretenem Publikum und bei schönem Wetter klassischen AOR der höchsten Güteklasse zu präsentieren. Man merkt der Band direkt an, dass sie es gewohnt ist, vor großen Kulissen aufzutreten und das eine oder andere Stadion zu bespielen. Die Gesten und Ansagen sind auf den großen Auftritt ausgelegt, alleine die Zuschauer dürften zumeist deutlich weniger metallisch interessiert sein. Das tut der Sache aber keinen Abbruch und rein musikalisch ist das, was die Truppe abliefert, sowieso über jeden Zweifel erhaben. Lediglich mit der Bekanntheit mancher Songs scheint es im Auditorium nicht so weit her zu sein. Das ändert sich dann aber spätestens mit 'Urgent', bei dem wohl auch das erste Saxophonsolo, das die Black Stage in Wacken je gesehen hat, seinen Platz findet. Spätestens jetzt dürfte allen Anwesenden klar sein, mit wem sie es hier zu tun haben und das nachfolgende 'Jukebox Hero' wird dann von der versammelten Menge ordentlch abgefeiert. Im Anschluss daran gibt es mit 'I Want To Know What Love Is' eine der größten Kitschballaden der Rockgeschichte und das teils martialisch ausstaffierte Publikum, das hier inbrünstig mitsingt, bietet einen mindestens interessanten Anblick. Doch hier bewahrheitet sich eine Vermutung, dass selbst der intoleranteste Black Metaller in seinem tiefsten Herzen einen Platz für AOR-Schmachtfetzen von Bands wie FOREIGNER, SURVIVOR oder JOURNEY hat und dass große Songs schlicht große Songs sind, egal wie böse man sich sonst so gibt. Nach diesem Triple der Rockklassiker hat FOREIGNER Wacken endgültig im Griff und so vergeht der restliche Auftritt wie im Fluge. Am Wacken-Donnerstag, wenn lediglich eine große Bühne bespielt wird, hat sich die Verpflichtung einer echten AOR-Legende also mehr als gelohnt und rundum sieht man nur glückliche Gesichter, die auf weitere rockige Shows am heutigen Abend optimal eingestimmt sind.

[Raphael Päbst]

Meine letzter Kontakt mit WHITESNAKE war fast auf den Tag genau vor zehn Jahren am gleichen Fleckchen Erde, dem Wacken Open Air 2006. Damals war es mein erstes Wacken und ich noch ein junger Spund, die Herren in weißer Kluft haben wir damals belächelt, ohne sie wirklich schlecht gefunden zu haben; trotzdem hat sich mit Hilfe des Wortes "love" sehr schnell ein effektives Trinkspiel ergeben. Aber genug der persönlichen Vorgeschichte: Heute stehe ich zwar im Blick auf WHITESNAKE nicht wirklich gebildeter, aber mit einer nicht zu leugnenden Vorfreude vor der Black Stage. Eine Vorfreude, die mich allerdings lange nicht auf das vorbereitet hat, was anschließend folgen sollte. "Was für eine unfassbar gute Liveband ist das denn bitte?" ist die Frage, die ich meinen Nebenleuten mehrmals und mir selbst noch öfter im Laufe dieses 75-minütigen Sets stelle. Der (tolle!) Kitsch der Hits weicht einem rockigeren Sound, ohne die Intensität der emotionalen Nummern einzubüßen, so dass die weiße Schlange im Vorbeigehen mal ganz locker vier Fünftel aller aktuellen, neuen Bands verspeist. Die Mannschaft um den Herrn Coverdale ist dabei so musikalisch unterwegs, dass einem die Ohren schlackern, und der große weiße Mann selbst singt einfach fan-tas-tisch. Wer den Gedanken hatte, sich die Zeit bis zu IRON MAIDEN mit einer kleinen Runde WHITESNAKE zu verkürzen, wird sich möglicherweise dabei entdecken, wie er kurzzeitig vergisst, welche britische Band gleich nochmal auf der anderen Bühne spielt. An dieser Stelle könnten viele Songs hervorgehoben werden (abzüglich der unnötigen Lückenfüller-Soli), ich möchte dies lediglich mit 'Give Me All Your Love' tun: Das Liedchen für sich kann ja schon so ziemlich alles. Livehaftig fällt einem in Sachen Ohrwurmpotential, Rock-Attitüde, Mitmachhymne oder sonstigen Großartigkeiten einfach nichts mehr ein. Ja, ich überschlage mich hier gerade. Mein persönliches Tageshighlight sollte zwar tatsächlich noch folgen, aber was WHITESNAKE hier abgezogen hat, war einfach sensationell. Bis zum nächsten Mal wird es garantiert keine zehn Jahre dauern.

[Oliver Paßgang]

Bereits zum dritten Mal geben sich die eisernen Jungfrauen in Wacken die Ehre, dieses Mal im Rahmen ihrer "The Book Of Souls"-Welttour, die wieder mal im Band-eigenen Flugzeug Ed Force One absolviert wurde. Dieses bekommen wir dann auch nach dem obligatorischen 'Doctor, Doctor' in einem einleitenden Video präsentiert, wie es vom Höllenfürsten höchstselbst aus dem südamerikanischen Regenwald gen Himmel geschleudert wird. Die Band betritt die Bühne und es wird schnell klar, warum der Leibhaftige Steve Harris, Bruce Dickinson und die anderen nicht in seiner Wohnung haben wollte. Die Band ist viel zu energiegeladen und aktiv, als dass man sie auf Dauer in der Hölle einsperren könnte. Alle sind ständig in Bewegung und nutzen die geräumige True Metal Stage komplett aus. Dort hat auch eine opulente Dekoration Platz, die das südamerikanische Thema mit Maya-Architektur fortsetzt. Was jedoch auch zumindest am Anfang der Show auffällt, ist, dass Bruce Dickinson am Ende der Welttour (Wacken bildet den Tourabschluss) stimmlich nicht mehr ganz frisch ist. Anstatt sich jedoch mit nur mittelmäßig bis schlecht vorgetragenen Höhenflügen zu blamieren, singt er einfach vieles eine Lage tiefer und kann dort auch nach wie vor durch sein Charisma beeindrucken. Da stört auch der einsetzende Regen nicht weiter und das Material des aktuellen Albums entwickelt live auch noch mehr Dynamik, als auf Platte. Schuld daran ist vor allem auch Nicko McBrain, der heute trommelt, als ginge es um sein Leben. Wo viele auf dem Album das sehr statische Drumming bekrittelten, dürfte den Kritikern heute der Mund offen stehen, so kreativ legt der gute Mann seine Performance aus. Jedes Fill ist einzigartig, perfekt auf den Punkt und mit solch einem Groove gespielt, dass es die gesamte Show nochmal auf ein neues Level hebt. Dem steht der Rest der Band nicht nach und spielt sich in einen wahren Rausch. Zwischendurch gibt es dann auch noch lustige Späßchen auf der Bühne, wie etwa eine Einlage von Bruce mit Affenmaske, Bananen und Plüschaffe, die den Text von 'Death Or Glory' in ein neues Licht rückt. Dem Bühnenthema angemessen erscheint auch Eddie in Kriegsbemalung und Lendenschurz und nach einer Auseinandersetzung reißt ihm Bruce das Herz heraus, presst das Blut heraus und wirft es ins Publikum, das ja bereits mit Bananen gefüttert wurde. Spätestens als sich unter die Songs vom aktuellen Album auch solche Klassiker wie 'Children Of The Damned' oder 'Powerslave' mischen, sind dann auch die Letzten im Publikum vollends überzeugt. Die Hymne 'Bloodbrothers' leitet Bruce mit einer eindringlichen Ansprache über Zusammenhalt innerhalb der Metalszene ein, in der er alle unabhängig von Hautfarbe, Religion oder Geschlecht in der großen Metal-Familie willkommen heißt. Bemerkenswert hierbei, dass er dabei ausdrücklich auch alle Geschlechter abseits der klassischen Rollenbilder von Mann und Frau einschließt und so nebenbei einmal mehr zeigt, warum IRON MAIDEN bis heute eine relevante Band ist, nämlich weil man mit der Zeit geht und nie so konservativ auftritt, wie dies manche Teile der Szene gern tun. Und so ist auch der dritte Auftritt von IRON MAIDEN in Wacken ein voller Erfolg, der nach den unvermeidlichen Klassikern 'Fear Of The Dark', 'The Number Of The Beast' und 'Iron Maiden' zu Ende geht. Da wir heute das Ende der Tour sehen, bedankt sich die Band ausgiebig bei allen Mitgliedern ihrer Crew und schließlich bekommt Bruce zu seinem 58. Geburtstag, der am Sonntag ins Haus steht, noch ein Ständchen von den 80.000 Zuschauern gesungen. IRON MAIDEN ist und bleibt eine der besten Livebands und zeigt auch heute wieder, warum dies so ist: Musikalische Qualität und ein grundsympathisches Auftreten kommen hier zusammen und man nimmt allen Beteiligten immer noch ab, dass sie Spaß an dem haben, was sie da tun. In dieser Verfassung freue ich mich jetzt schon auf die Hallenkonzerte, die von Bruce für nächstes Jahr versprochen wurden.

[Raphael Päbst]

 

... und auf den anderen Bühnen?

Den Slot parallel zur Show von IRON MAIDEN zu haben, ist schon ärgerlich: Wenn man ohnehin nur einen Slot spielt, ist das noch ärgerlicher. Doch FEUERSCHWANZ wäre nicht FEUERSCHWANZ, wenn sie die Wackinger Stage nicht trotz allem abreißen würden. Bei strömendem Regen bespaßen der Hauptmann, Lanze Flott, Hodi und Co. all jene, die mit dem Headliner nicht allzu viel anfangen können. Wie viele das sind, erstaunt die Rock-Gaukler sogar selbst: "Also wir hätten MAIDEN ja nicht für uns sausen lassen", wundert der Hauptmann sich über die Fans. Witziger als vor der True Metal Stage ist es bei FEUERSCHWANZ an diesem Abend jedoch allemal: Crowdsurfing auf dem Gummi-Boot bei 'Seemannsliebe, Seemannsgarn', eine erotische Showeinlage von Prinz Hodenherz zu 'Ein Herz im Sturm' - wenn es jemand versteht, einem Publikum auch ohne viel Pyro und aufwendiges Bühnenbild einzuheizen, dann die Spaß-Mimen von FEUERSCHWANZ. Auch musikalisch macht die Band einiges her. Fast schon virtuos und wesentlich härter als die gängigen Hits klingt 'Ketzerei', einer der letzten Songs der Jungs an diesem Abend und ein netter Ausblick auf ihr neues Album. FEUERSCHWANZ kramt am Wacken-Freitag tief in der Kiste ihres bisherigen Schaffens und deckt mit der Setlist so ziemlich alle Werke der vergangenen Jahre ab. Und auch wenn ich dafür die groß angekündigte IRON MAIDEN-Show verpasst habe: Ich bereue nichts!

[Leoni Dowidat]

Nach dem starken Auftritt von IRON MAIDEN ist jedoch noch nicht Schluss mit dem heutigen Klassikerprogramm, nein, im Zelt gibt es noch ein echtes Schmankerl und eines, das locker auch auf einer der großen Bühnen hätte stattfinden können. BLUE ÖYSTER CULT feiert Wacken-Premiere und der Publikumsandrang ist entsprechend groß. Die Rock-Urgesteine beginnen dann auch pünktlich und mit trockenem Sound, der ruhig noch etwas lauter sein könnte. Es gibt ein Programm, das mindestens so viele Klassiker ausspart, wie es beinhaltet. Schlicht zu lang ist die Karriere der Band, die als eine der ersten Science-Fiction, Monster und Wahnsinn mit donnerndem Hard Rock verband und dies bis heute tut. 'Burning For You', 'Godzilla', 'Cities In Flames' der Überhit 'Don't Fear The Reaper' - das sind alles Songs, die man gar nicht oft genug hören und loben kann und dass 'Astronomy' keinen Platz im Set fand, bedaure wohl nicht nur ich. Der Auftritt zeigt jedenfalls deutlich, dass BLUE ÖYSTER CULT noch lange keine Altherrenband ist, dass man immer noch mächtig rockt und einen schier unerschöpflichen Fundus an Weltklasse-Songs hat. Das Publikum ist entsprechend begeistert und feiert auch zu später Stunde ordentlich mit. So gut gefüllt habe ich das Zelt in Wacken auch noch nie erlebt und wenn es eine Band verdient hat, solchen Zuspruch zu erhalten, dann sicherlich BÖC. Nach nur 50 Minuten geht dann auch dieser Auftritt zu Ende und wenn es eine Lehre aus dem Konzert zu ziehen gibt, dann die, dass BLUE ÖYSTER CULT schnellstmöglich zurückkommen muss, um dann auf einer der großen Bühnen mit längerer Spielzeit nochmal zeigen zu können, warum die Band zu den wichtigsten Wegbereitern des Heavy Metals gehört. So bin ich jedoch erst einmal begeistert und das Konzert ist ein würdiger Abschluss eines Donnerstags, der zu Recht den Namen "A Night To Remember" trägt.

[Raphael Päbst]

 

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Redakteur:
Oliver Paßgang

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