Wacken Open Air 2024 - Wacken
11.08.2024 | 08:4531.07.2024,
Schon wieder Wacken! Eines der weltgrößten Metal-Festivals geht in die 33. Runde und wir sind einmal mehr dabei. Was wir drei Tage lang auf dem Dithmarschener Acker erlebt haben, könnt Ihr hier nachlesen. Da wir keinen eigenen Fotografen vor Ort hatten, haben wir zur Illustration des Berichts einige Fotos der Künstler von vorangegangenen Konzerten eingebaut.
Ich bin total gestresst. Wie die Katze vor dem Mauseloch kauere ich seit einer Stunde am PC, um darauf zu warten, dass ich mich bei Metaltix.com anmelden kann, um unsere Tickets für das "Wacken Open Air" 2025 zu bestellen. Ich sitze am Rechner von Herrn K. aus M. und bin auf Platz 31425. Meinen eigenen Rechner habe ich schon ein paar Minuten früher eingeschaltet. Da bin ich auf Platz 51675. Warum auch immer…
Schon im vergangenen Jahr habe ich mich darüber geärgert, mich derartigen Turnübungen unterziehen zu müssen, um an ein Festival-Ticket zu kommen. Und doch – ich tue es wieder. Der Grund dafür sind die vergangenen drei Tage. Das 33. "Wacken Open Air"-Festival ist gestern Nacht zu Ende gegangen und obwohl selbst wir die zunehmende Kommerzialisierung mit Skepsis betrachten, konnten wir uns dem Festivalrausch auch in diesem Jahr nicht entziehen.
Wie jedes Jahr sind wir auch dieses Mal erst am Donnerstag am Start. Teil des wiederkehrenden Programms ist zunächst das Einchecken in unserem Hotel auf der anderen Seite des Nord-Ostsee-Kanals, in dem wir Wiedersehen mit den anderen Fans feiern, die ebenfalls jedes Jahr aus der ganzen Republik herkommen.
Nachdem wir vor einigen Jahren die Anreise mit dem PKW gegen die Bahn getauscht haben, beginnt der erste Festivalnachmittag sodann zunächst mit einem Fußmarsch zum Holy Ground. 10 km durch holsteinische Felder und Wiesen geht es und dann noch um das halbe Festivalgelände herum, um auf der Rückseite des Areals an unsere Bändchen zu kommen. Der Weg zur Ausgabestelle ist offensichtlich nicht ausgeschildert, sodass wir ein bisschen dumm herumrennen, bis wir sie finden. Dass man auf dem Gelände ein Getränk erst erwerben kann, wenn man das Bändchen mit der zugehörigen Cashless-Pay-Chipkarte bekommen hat, ist angesichts der tropischen Wetterverhältnisse nicht gerade praktisch.
Aber dann sind die Anfangshürden endlich überwunden und wir stehen vor der Faster Stage und erwarten AXEL RUDI PELL. Ich bin ja immer ein bisschen verhalten, wenn der Hardrocker angekündigt wird, aber am Ende seiner Shows muss ich meist einräumen, dass sie gut waren. So ist es auch heute. Für ordentlich Stimmung sorgt wie immer Sänger Johnny Gioeli, der immer noch wie ein Flummi auf der Bühne herumspringt und in gewohnter Weise eine solide Gesangsleistung abliefert. Ich mag seine raue Stimme und mit seinen weit aufgerissenen Augen zieht er mich in den Bann und reizt mich auch zum Schmunzeln. Es geht los mit 'Forever Strong' und 'Wildest Dreams'. Johnny erklärt den Fans, die es noch nicht wissen, dass der Mann an der Gitarre Mr. Axel Rudi Pell ist. Dann passiert etwas Seltenes: Die Meute in Wacken singt "Halleluja". Es ist der Song von Leonard Cohen, den die Band zu Gehör bringt, ein Titel, den wahrscheinlich jeder im Ohr hat, Cohen-Fan oder nicht. Im ersten Moment kommt mir das ein bisschen kitschig vor, aber dann bin ich doch ergriffen, da kann man nichts machen. Vor der Bühne sind die Hardrock-Fans dann aber noch ergriffener, als im weiteren Verlauf der Show 'The Masquerade Ball' und 'Fool, Fool' erklingen. Das sind die Hits, die wir eigentlich hören wollen. Ja, AXEL RUDI PELL hat ein gutes Aufwärmprogramm für die kommenden Tage abgeliefert.
Und damit wir gar nicht erst an eine Verschnaufpause denken, geht es nach der üblichen 15-minütigen Werbepause gleich weiter mit KK's PRIEST. Wir entschließen uns gleichwohl dazu, diese Show des JUDAS PRIEST-Gründers K.K. Downing und des ehemaligen PRIEST-Sängers Tim "Ripper" Owens im Gras sitzend anzusehen. Zugegebenermaßen sind wir – nachdem wir vor einigen Wochen auf einem anderen Festival erst das JUDAS PRIEST-Original erleben konnten – hier heute nur mäßig interessiert. Immerhin, 'Night Crawler' und 'Breaking The Law' kann man sich neben einigen anderen JUDAS PRIEST-Hits gerne noch einmal anhören.
Das eigentliche Highlight des Abends ist aber ACCEPT. Hier sind wir sicher, dass uns nicht nur ein Hit-Gewitter erwartet, sondern auch kraftvolle Präzisionsarbeit an den Gitarren und eine mitreißende Bühnenshow. Und so kommt es auch. Das Programm wird mit dem Titel 'The Reckoning' vom aktuellen Album "Humanoid" eröffnet, dem sodann der gleichnamige Titelsong der aktuellen Veröffentlichung folgt. Auf der Bühne werden die Gitarrenhälse choreographisch in die Luft gestreckt und besonders Wolf Hoffmann, der über das ganze Gesicht strahlt und dabei lässig post, ist seine Spielfreude anzusehen. Dann geht es mit 'Restless And Wild' und 'London Leatherboys' in die Song-Historie. Jawohl, das wollen wir hören! Die Kuttenträger um mich herum flippen aus und die langen Haare einiger Headbanger fliegen durch die Luft.
Was mich bei ACCEPT immer wieder fasziniert, ist, wie druckvoll jeder einzelne Ton der Saiteninstrumente, begleitet von einem scharfen und punktgenauen Schlagzeug, hervorschießt. Die Wucht von drei Gitarren ist dabei geradezu orchestral. Ebenso wie andere Künstler des heutigen Abends gehören auch einige der Musiker von ACCEPT jenseits der 60 inzwischen zweifellos zu den älteren Semestern unter der Metalsonne. Ich erlaube, mir das anerkennend anzumerken, weil es mich fasziniert, mit welcher Power vor allem Wolf Hoffmann und Mark Tornillo auf der Bühne agieren. Vielleicht trägt Metal dazu bei, dass man lebendig bleibt. So scheint es mir jedenfalls, als die Meute im Publikum lautstark "Princess of the dawn!" und "Heidi, heido, heida!" mitgrölt. Zum Ende der Show gibt es mit 'Balls To The Wall' noch ein Duett. Tim "Ripper" Owens, der seinen Gig mit KK's PRIEST schon hinter sich gebracht hat, zieht es noch einmal auf die Bühne, um das Finale der deutschen Metal-Legende mitzugestalten. Was ein Brett!
Aber es gibt wieder kaum Zeit zum Verschnaufen. Eine weitere Legende hat sich angekündigt. SCORPIONS steht auf der Tagesordnung, im Mittelpunkt die Songs des 1984 erschienene Album "Love At First Sting", zu dessen 40. Jubiläum die Band im Herbst auf Tour geht. Das Festival-Publikum darf schon jetzt in Erinnerungen schwelgen. Und so beginnt der Abend mit 'Coming Home', bevor dann jedoch sogleich mit 'Gas In The Tank' ein Song des 2022er-Albums "Rock Believer" folgt.
Sänger Klaus Meine, der sich im Frühjahr einer komplizierten Wirbelsäulen-Operation unterziehen musste, wirkt insgesamt noch etwas unsicher auf den Beinen – aber seiner Stimme tut das keinen Abbruch. Fast zwei Stunden performt die Band und nacheinander erklingen all die alten Hits, die man auch im Ohr hat, wenn man sich nicht zu den ausgemachten SCORPIONS-Fans zählt. Natürlich darf auch das allgegenwärtige 'Wind Of Change' nicht fehlen. Ein bisschen ausgenudelt, hätte ich vor der Show sicher gesagt, aber als die ersten Töne erklingen, kann auch ich mich dem Gänsehauteffekt nicht entziehen. Ja, vielleicht liegt's an der Weltlage und dem Bewusstsein, wie viel weiter wir einmal waren als heute…
Ich bin auch kein großer Freund von Drum-Soli. Aber heute Abend werde ich doch fasziniert. Mikkey Dee, der seit 2016 bei SCORPIONS die Drumstöcke schwingt und seines Zeichens ebenfalls bereits das 60. Lebensjahr vollendet hat, beeindruckt mit minutenlangen energiegeladenen Trommelsalven. Wo nimmt der Mann diese Power her!
Gegen Ende der Show gibt es auch hier wieder ein Duett: Klaus Meine hat Doro Pesch eingeladen, die gemeinsam mit ihm 'Big City Nights' vorträgt und sich wie immer herzlich freut, auf der Bühne zu stehen und den Fans ein Lächeln zuzuwerfen. Ob sie wohl im kommenden Jahr wieder im W:O:A-Billing auftauchen wird? Den Schlusspunkt setzt um Mitternacht 'Rock You Like A Hurricane'. Da kann tatsächlich jeder mitsingen und die Textzeile des Refrains ist wirklich die richtige Ouvertüre für die beiden folgenden Festivaltage.
Fotocredits: André Schnittker, oben rechts: ACCEPT beim "Rock Out" 2023, unten rechts: SCORPIONS in Stuttgart 2023
- Redakteur:
- Erika Becker