Wacken Open Air 2024 - Wacken

11.08.2024 | 08:45

31.07.2024,

Schon wieder Wacken! Eines der weltgrößten Metal-Festivals geht in die 33. Runde und wir sind einmal mehr dabei. Was wir drei Tage lang auf dem Dithmarschener Acker erlebt haben, könnt Ihr hier nachlesen. Da wir keinen eigenen Fotografen vor Ort hatten, haben wir zur Illustration des Berichts einige Fotos der Künstler von vorangegangenen Konzerten eingebaut.

Am Samstag bin ich in besserer Verfassung, obwohl Herr K. aus M. mir das Vormittagsschläfchen verbietet und bereits um 12 Uhr mittags zum Aufbruch ruft. Wir sind zum Mittagessen bei Freunden eingeladen, die mit ihrem komfortablen Wohnmobil auf W8 wohnen. Das ist das letzte Ende des noch einmal erweiterten Campingplatzes. Und wir müssen mal wieder laufen, da sich kein Taxi findet. In der Mittagshitze kriechen wir am Nord-Ostsee-Kanal entlang und dann irgendwo durchs Feld, wo der Veranstalter kilometerlang Metallplatten verlegt hat, damit die Camper für den Fall eines Unwettereinbruchs nicht stecken bleiben. Wir denken darüber nach, was für ein logistischer Kraftakt das gewesen sein muss und stellen eine Verbindung zum Ticketpreis her.

Dann sitzen wir in Campingstühlen und bekommen einen phantastischen frischen Salat vorgesetzt. Derweil braut sich hinter uns ein Unwetter zusammen. Herr K. aus M. will eigentlich zu TESTAMENT, aber die Wetter-App deutet darauf hin, dass man das vielleicht besser lässt. Als der Regenguss aufhört und wir vor der Harder Stage ankommen, ist es schon kurz vor sieben und so hören wir Chuck Billy nur von weitem und sehen am Ende der Show, wie er sich freut und daran erinnert, dass die Band nur mit ihren Fans inzwischen mehr als 40 Jahre überdauert hat. Und dass TESTAMENT noch ordentlich Power in den alten Thrash-Knochen hat, das nehmen auch wir bei den letzten Klängen wahr.

Dann wird es etwas weniger fröhlich. Die finsteren Herren von BEHEMOTH werden in der vom Regen abgekühlten Abendluft erwartet. Leider ist es draußen noch nicht ganz dunkel. Das hätte die düsteren Klänge der polnischen Extrem-Metaller noch besser untermalt. Aber sie schaffen es auch so, uns sofort in ihren Bann zu ziehen. Dafür sorgen schon allein die Bühnendeko und die schwarz-weiß getünchten Gesichter der Musiker. Wie Motorsägen fräsen sich die Gitarren durch die Luft, bretthart und präzise treibt das Schlagzeug jeden Song voran. Die Gesichter der Musiker sind verzerrt und zuweilen in dunkle Kapuzen gehüllt. Feuer sprüht auf der Bühne. So ungefähr könnte es in der Hölle zugehen.

Musik und Performance von BEHEMOTH sind dermaßen intensiv, dass man geradezu von einem immersiven Erleben sprechen kann. Dass die Darbietung derart unter die Haut geht, ist auch den Kostümen der Künstler geschuldet. Zum Abschluss der Show erscheinen sie alle mit einer fiesen, aber irgendwie bemerkenswert real wirkenden schwarzen Totenschädelmaske vor dem Gesicht, die mir länger in Erinnerung bleibt. Nach dem letzten Song verschwinden sie grußlos von der Bühne. BEHEMOTH ist wahrlich Kunst.

Nach diesem bedrückenden Klanggewitter ist es fast eine Erleichterung, AMON AMARTH entgegenzusehen. Die schwedischen Death Metaller mit Wikingerschlagseite haben zwar ebenfalls heftiges Soundmaterial im Gepäck, aber bei Johann Hegg und seinen Mannen herrscht stets beste Laune. Wir blicken in das strahlende Lachen des hühnenhaften Sängers, der uns auf Deutsch begrüßt und freuen uns, die altbekannten Titel wie 'Guardians Of Asgaard' und 'The Pursuit Of Vikings' mitgrölen zu können. Einige Begeisterte in der Menge schwingen sich auf zum Crowdsurfen, während auf der Bühne Showkämpfe mit Schwertern dargeboten werden."Raise your horns", ruft Johann Hegg irgendwann aus und dann wird ihm wieder ein sehr großes Trinkhorn gereicht, das er in einem Zuge austrinkt. Wir stellen uns natürlich vor, dass Bier darinnen ist, aber wer weiß das schon…?

Die rund einhundertminütige Show vergeht wie im Fluge. Zum Glück ist ausreichend Zeit für eine Zugabe. Nach einer kurzen Verschnaufpause kommen die Mannen nochmals zurück, um uns 'Crack The Sky' um die Ohren zu hauen. Den Schlusspunkt setzt dann 'Twilight Of The Thunder God', mit dem wir glücklich und ausgepowert in die Weiten des Festivalgeländes entlassen werden.

AMON AMARTH ist eine sichere Bank. Das heutige Konzert hat zwar keine großen Überraschungen geboten, in stets gleichbleibend hoher Qualität aber jene eingängigen Songs geliefert, auf die wir uns regelmäßig freuen. Die Musik von AMON AMARTH ist ein Körpergefühl. Wenn man dicht vor der Bühne stehend die Drums im Brustraum spürt und die Gitarren am Trommelfell kitzeln, dann ist man ganz verschmolzen mit diesen kraftvollen Klängen. So soll das sein!

Ehe wir uns versehen, steht um kurz vor Mitternacht das letzte Konzert an, das wir uns auf dem diesjährigen "Wacken Open Air" ansehen wollen: INSOMNIUM. Das finnische Quartett hat vor die W:E:T Stage geladen, an der sich noch eine beträchtliche Schar Fans eingefunden hat. Die Show beginnt mit '1696', dem Titelsong des aktuellen Albums. Perlende Gitarrentöne und ein sphärischer Klangteppich erzeugen sogleich die melancholische Atmosphäre, die ich an den Konzerten dieser Band so schätze. Die Bühne ist fast vollkommen dunkel, nur das helle Haar von Gitarrist Markus Vanhala, der sich beim Headbangen kräftig ins Zeug legt, setzt einen Lichtpunkt. Damit es nicht allzu schwermütig wird, erheitert uns Sänger Niilo Sevänen mit deutschen Ansagen. "Dankeschön, bitteschön, wunderschön", kommentiert er wiederholt das Geschehen, bevor er zum nächsten Song übergeht.

INSOMNIUM präsentiert ein ausgewogenes Programm aus Titeln der aktuellen Scheibe und älterem Material. So kommen allein drei Stücke des Vorgängeralbums aus dem Jahre 2019, darunter der Titelsong 'Heart Like A Grave', zum Zuge, aber auch ältere Songs wie 'Mortal Share' aus dem Jahre 2006. Die Band hält sich nicht mit vielen Worten auf, sondern nutzt die Zeit für die Musik. Auf diese Weise können wir ein letztes Mal eintauchen in das Klangmeer schwergängiger Gitarren, durch das uns die eingängigen Melodien des Vierers hindurch tragen. Noch einmal genießen wir den Groove mit gleichgesinnten Fans, die im Dunkeln die Fäuste in die Luft recken und die langen Metalmähnen kreisen lassen. INSOMNIUMs athmosphärischer Melodic Death Metal ruft ein Sehnen in mir hervor. Mit fröstelnder Gänsehaut denke ich zurück an die ersten Konzerte vor zwei Tagen, die schon eine Ewigkeit zurückzuliegen scheinen.

Mit diesem Reichtum an Eindrücken geht das 33. "Wacken Open Air" für Herrn K. aus M. und mich zu Ende. Wir waren zum 22. Mal in Wacken und obwohl die stetig steigenden Besucherzahlen und das damit verbundene Anwachsen seltsamer kommerzieller Nebenangebote, die mit Musik nicht immer etwas zu tun haben, uns zuweilen befremden, ist die Bilanz noch immer positiv ausgefallen. So auch in diesem Jahr. Nach dem Wetterchaos 2023 hatte die Festival-Gemeinde dieses Mal angesichts überwiegend sonniger Tage und weitgehend trockener Bodenverhältnisse Glück. Geschichten über Anreisechaos haben wir ebenfalls nicht zu hören bekommen. Wenn wir auch als Fußgänger nicht der Notwendigkeit anheimgefallen sind, zum Betreten des Geländes einen sogenannten Access-Pass zu beantragen, so scheint diese Zugangsvariante nicht die schlechteste Idee gewesen zu sein.

Eine erfreuliche Entwicklung gab es auch beim Taxistand am Ortseingang von Wacken, der dieses Mal vom Bushalteplatz getrennt wurde. Während in den vergangenen Jahren auf unübersichtlichem Areal Unmengen an Besuchern um einen Platz in wenigen Taxen werben mussten, trafen wir nunmehr des Nachts auf eine lange Reihe von Taxen, die um wenige Besucher warben. Leider waren unter den Taxifahrern einige, die sich für eine vermeintlich zu kurze Fahrt zur Fähre in Hochdonn nicht vom Fleck bewegen wollten. Das wirkte nicht sehr kundenorientiert und brachte unschöne Diskussionen mit sich. Über diesen Unbill haben uns jedoch sehr freundliche Erfahrungen mit dem Metal zugewandten Bürgerinnen aus der Region Dithmarschen hinweggetröstet, die uns eine Mitfahrgelegenheit anboten.

Und das Wichtigste: die Musikauswahl. Vier bis fünf interessante Bands am Tag waren für uns vollkommen ausreichend. Das W:O:A zeichnet sich nach wie vor dadurch aus, dass alle Spielarten des Metal bedient werden und eigentlich für Fans aller Sub-Genres etwas dabei ist. Wer hier nicht fündig wird, der soll im Schlafsack bleiben!

Inzwischen ist die Bestätigung für meine Ticketbestellung eingegangen. Ab heute können wir uns also 358 Tage auf das W:O:A 2025 freuen.

 

Fotocredits: André Schnittker, Mitte: BEHEMOTH, "Metalfest 2023", unten rechts: INSOMNIUM, "Meh Suff" 2021

Redakteur:
Erika Becker

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