Wave-Gotik-Treffen - Leipzig
14.08.2012 | 21:5725.05.2012, diverse
Die "Negativ-dekadenten Jungendlichen" erobern wieder einmal Leipzig.
Sonntag
Der Sonntag bringt das gleiche Dilemma mit sich wie der Tag zuvor. Es ist wieder ewig viel Zeit bis ein Konzert beginnt. Und daher steht als erstes ein Besuch in der "Runden Ecke" auf dem Plan. Das Museum ist erstmals beim WGT dabei und es gibt im Treppenflur nach oben eine Sonderausstellung mit dem Namen "Als der Südfriedhof mein Wohnzimmer war" dort sind diverse Aktenkopien oder Berichte zu lesen, die von der Stasi über diese "komischen schwarzen Leute" gemacht wurden. Sie waren für den Machtapparat genauso suspekt wie die Punks oder Metal-Fans. Und alle die, die nicht in das System passten, wurden als "Negativ-dekadente Jugendliche" tituliert. Heutzutage kann man über Namen, wie "IM Gott" oder "IM Rex Gildo" schon lachen, aber wenn man das alles mal Revue passieren lässt, war das alles schon ziemlich krass, was da abging. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade die Besucher im fortgeschrittenen Alter sich diese Ausstellung anschauen, schließlich war diese Zeit doch ihre Jugend. Die Schau zeigt sich wertfrei und das kommt an. Die Räumlichkeiten sind gut besucht und das sollte den Machern Recht geben, dass das WGT-Publikum auch an solchen Themen interessiert ist.
Danach geht es noch einmal in das heidnische Dorf, dort kann man bei schönen Wetter gut chillen und was leckeres zu essen und trinken geht ja eigentlich immer. Ein Besuch auf der Shopping-Meile in der AGRA zeigt mal wieder, dass sich seit dem letzten Jahr nicht viel geändert hat. Laute Musik und irgendwie noch mehr freie Flächen.
Nun gibt es wieder einmal ein typisches Festivalproblem. Entweder es ist überhaupt nichts an Konzerten was man sehen möchte, oder es überschneidet sich wieder alles. DERNIÈRE VOLONTÉ spielt gleichzeitig mit THE HOUSE OF USHER. Da letztere Band aber um die Ecke spielt geht es erst einmal dort hin. Die AGRA-Halle ist nicht übermäßig gefüllt, dafür ist die Stimmung aber gut, als die Jungs die Bühne betreten. Der Sound in der Halle stimmt auch, was nicht unbedingt normal ist. So können sich die Fans beispielsweise 'Radio Cornwall' oder 'Faith For The Faithless' freuen. Ein wirklich tolles Konzert bei dem man mal wieder sieht, dass man auch ohne großartige Aktionen auf der Bühne sein Publikum begeistern kann. Am Ende erklingt 'Heroes' von DAVID BOWIE und die Besucher bedanken sich am Ende mit viel Beifall. Ein wirklich schönes Konzert.
Ein bisschen Neofolk muss aber doch sein, und so geht der Abend im Volkspalast weiter. In der Kantine spielen LUFTWAFFE. Als wir eintreffen ist die Band jedoch schon beim letzten Song angekommen. Naja, man kann eben nicht alles haben. Schließlich spielen ja noch OF THE WAND AND THE MOON nebenan im großen Saal. Die Band beschließt sozusagen den Abend hier im Volkspalast. Es dauert jedoch eine ganze Weile, ehe es losgeht. Sänger und Chef Kim Larsen kommt mit seinen Musiker für einen kurzen Soundcheck nach vorn. Das weiß natürlich keiner und so gibt es danach erst Applaus und dann verwunderte Blicke im Publikum, als die Musiker wieder verschwinden. Wieder heißt es warten. Nach gut fünf Minuten geht es endlich mit 'Sunspot' los. Die Band schafft es auch heute wieder, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und das mit überwiegend ruhigen Tönen. So vergeht die Spielzeit unglaublich schnell und man mag das kaum glauben, als der Sänger mit 'The Lone Descent' das letzte Stück ankündigt. Dazu bekommen sie viel Applaus und es gibt noch zwei Zugaben, bevor alle in die Nacht entlassen werden. Die soll für uns im Städtischen Kaufhaus beim "Göttertanz" weitergehen. Musik und Stimmung sind gut und so ist es draußen schon hell, als wir den Heimweg antreten.
Montag
Der letzte Tag des Wave-Gotik-Treffens hat immer etwas Melancholisches. Man freut sich zwar einerseits auf die nachfolgende Ruhe, doch die paar Tage in Leipzig sind auf der anderen Seite immer so schnell rum. Damit keine wirkliche Katerstimmung eintritt kann man ja mal das "Dark Kasperletheater" von LOLA ANGST im Centraltheater besuchen. Dort werden die deutschen Musikgrößen der Gothic-Szene als Puppen durch den Kakao gezogen. Klingt also nach kurzweiliger Unterhaltung. Dummerweise wurde der in der Nacht der Anhänger mit den Puppen geklaut, so dass die Veranstaltung ausfallen muss. So gibt es nur lange Gesichter bei den potenziellen Besuchern.
Da das Wetter gut ist lohnt sich auch ein Besuch in der Parkbühne. Dort kann man in ruhiger Atmosphäre den Tag und das WGT 2012 ausklingen lassen. Auch hier gibt es an diesem Tag Einschränkungen im Programm. I LIKE TRAINS sollten den Abend hier beenden, mussten ihren Auftritt jedoch absagen. So geht es relaxt im Programm zu, um die ganze Sache etwas nach hinten zu dehnen. Der Wirt der Parkbühne hat wohl schon Umsatzeinbußen befürchtet und so wurde der Bierpreis kurzerhand um 50 Cent erhöht. Frechheit!
Davon bekommen die Italiener von SPIRAL 69 auf der Bühne nichts mit. Sie widmen sich vielmehr ihrer Musik und die kommt bei den Besuchern richtig gut an. Ihr Sound ist ziemlich vielseitig und ab und an schimmern ein paar SPIRITUAL FRONT-Einflüsse durch. Das liegt wohl auch daran, dass Drummer Andrea Freda sonst ebenfalls bei besagter Band tätig ist. Neben Kissing Juda' erklingt 'Cold' vom letzen Album "No Paint On The Wall". Alles in allem ist das mal ein frischer Sound der noch recht unbekannten Band, die sicher zukünftig noch einiges an interessanten Songs abliefern wird.
Im Anschluss sind THE EXPLODING BOY an der Reihe. Die Schweden sind im Vergleich zur Vorgängerband keine Unbekannten mehr und ihr Post Punk hat viele Anhänger, so dass die Parkbühne sehr gut gefüllt ist. Auch die Band ist gut aufgelegt und vertreibt sich die Zeit nicht nur mit Musik, sondern mit dem einen oder anderen Scherz. Man merkt ihnen wirklich an, dass sie mit Enthusiasmus dabei sind. Das überträgt sich logischerweise auf die Besucher. Die freuen sich besonders über die Bandklassiker. Nach den Songs gibt es viel Applaus. Ein wirklich tolles Konzert, was viel zu schnell zu Ende geht.
Die Parkbühne hat sich sichtlich geleert, als THE NAMES beginnen. Die Belgier kann man gut und gerne als Urgesteine bezeichnen. Von daher sind die jüngeren Besucher, die noch bei THE EXPLODING BOY da waren, schon weg. Die Band beginnt relativ routiniert und das ist wohl auch das Problem. Wahre Begeisterung sieht anders aus. Gerade dann, wenn ein total gegensätzliches Konzert zu Ende gegangen ist. Von daher leert sich nach und nach die Parkbühne. Schade, denn die Musik ist nicht schlecht und 'Calcutta' mal live hören zu können ebenfalls nicht.
So geht das WGT 2012 eher ruhig zu Ende, was irgendwie auch für das gesamte Festival zutraf. Mal nicht die ganze Zeit durch die Stadt zu hetzen, um kein Konzert zu verpassen, tat richtig gut. Auch der Fakt, sich mal intensiver mit dem Rahmenprogramm beschäftigen zu können, war in Ordnung. Dennoch fehlte irgendwie ein bisschen frischer Wind im Programm. Sicher, es waren viele kleine und unbekanntere Bands in diesem Jahr dabei. Aber von denen die man kannte waren es zum Großteil die "üblichen Verdächtigen". Es fehlte einfach an Highlights. Bands, die man sonst eher weniger zu Gesicht bekommt. Dieser Tatsache war wohl auch die geringere Besucherzahl geschuldet. Denn so entspannt wie es beispielsweise in den Straßenbahnen und an den Einlässen zuging war es lange nicht mehr. Bleibt zu hoffen, dass es 2013 wieder ein bisschen besser wird und die Veranstaltung ihrem Namen weiter gerecht bleibt.
Alle Fotos vom WGT gibt es in der Fotogalerie.
- Redakteur:
- Swen Reuter