Wave-Gotik-Treffen - Leipzig
09.09.2019 | 14:4807.06.2019,
Zwischen dem Wave-Gotik-Treffen und dem Stadtfest: Der geprügelte Hund von Leipzig - oder von JANUS.
Am letzten Festivaltag geht es traditionell meist etwas ruhiger zu, denn die vergangenen Tage gehen eben nicht spurlos an einem vorbei. Als erstes steht ein etwas anderes Konzert auf dem Plan. Im inoffiziellen Rahmenprogramm des Festivals gibt es ein Konzert von JANUS beim VEID e.V., das ein Benefizkonzert für den Bundesverband verwaister Eltern und trauernder Geschwister in Deutschland ist. Der Verein unterstützt Menschen, die mit dem Verlust eines Kindes leben müssen. Das Ganze ist ein Straßenkonzert, das keinen Eintritt kostet, sondern es wird eine Spende erbeten. Um das Gebäude des Vereins hat sich eine beachtliche Menschenmenge gebildet, die den beiden Musikern Rig und Toby zuhören möchte. Schließlich war die Band in der letzten Zeit nicht so oft bei einem Konzert zu erleben. Wer die Musiker kennt, der weiß, dass sie Perfektionisten durch und durch sind. Aber heute angeblich nicht, denn der Sänger hat sein Textbuch vergessen. Aber auch ohne das Buch gibt es keinen Aussetzer. Das war ja auch nicht anders zu erwarten. Was dann folgt, ist wohl eines der emotionalsten Konzerte, das ich je erlebt habe. Und das auch noch auf der Straße. Zugegeben, die Texte der Band sind jetzt nicht gerade mit Euphorie gesegnet, aber dennoch laden sie jetzt nicht unbedingt zu kompletter Trauer ein. Aber genau das passiert hier und heute, denn überall sieht man bei den Stücken weinende Zuschauer. 'Was uns zerbricht' oder 'Halleluja' lassen die Tränen fließen und selbst die Musiker haben es schwer, da die Fassung zu bewahren. Mit der Resonanz hat wohl keiner von beiden gerechnet. Auch nicht mit dem Rentner im Benz, der sich ohne Rücksicht den Weg zu seinem Parkplatz durch die Menge bahnt. Aber das unbestrittene Highlight ist ein Hund in der Nachbarschaft, der anfängt zu jaulen. Das tut er auch gerade, als das Lied 'Sag doch was' mit der Textzeile "...wie einen geprügelten Hund..." erklingt. Perfektes Timing also und das auch noch ungewollt, das bringt auch die Musiker zum Lachen, die sich ganz schön anstrengen müssen, um ernst zu bleiben. Sowas schreibt eben nur das Leben. Die Besucher danken der Band mit viel Applaus am Ende des Auftrittes, der mit der Zugabe 'Ein schwacher Trost' endet. Viele Zuschauer werden ja sicher am Abend beim regulären Gig dabei sein. Das Konzert hat dem Verein übrigens rund 2.000,00 Euro eingebracht!
Nach diesem aufwühlenden Konzerterlebnis geht es noch einmal in die benachbarte Motitzbastei. Bei bestem Wetter lässt es sich davor recht gut aushalten und ehe man sich versieht, hat man sich verquatscht und es ist Zeit für das Haus Leipzig und HUMAN TETRIS. Die russische Post-Punk-Band wurde als Geheimtipp gehandelt, da sie noch relativ unbekannt ist, aber dennoch nicht minder begeistert. Zugegeben: Optisch wirkt das Trio auch nicht nach dem Musikgenre, denn mit Hawaiihemd und Arbeitsweste verbindet man nicht direkt Post-Punk. Die drei Musiker, die sonst eigentlich zu viert unterwegs sind, können die Besucher begeistern. Die Vergleiche mit bekannten Bands können sich durchaus sehen lassen, denn der Sound ist einfach wunderschön. Dunkler Post-Punk ohne Schnörkel trifft es wohl recht gut. Auch wenn durchaus recht viele JOY DIVISION-Sequenzen enthalten sind, so wirken die Stücke eigenständig und nie billig kopiert. Viel zu schnell sind die Musiker mit dem Gig am Ende und verabschieden sich. Dieser Tipp im Vorfeld hat sich wirklich gelohnt!
Genauso wie für die nächste Band THE FOREIGN RESORT, denn auch die Dänen haben Post-Punk im Gepäck, der entdeckt werden will. Wobei so ganz unbekannt ist das Trio nicht mehr, denn schließlich ist man schon ein paar Jahre im Geschäft und war 2014 schon einmal beim WGT dabei. Der Saal ist gut gefüllt und neben 'Orange Glow' lädt auch 'Quiet Again' die Anwesenden ein, das Tanzbein zu schwingen. Und während die Besucher dem melancholischen Sound lauschen, geht draußen ein Unwetter los. Und da das so stark ist, wird sogar das Heidnische Dorf geräumt und unter anderen fällt dort der Auftritt von TANZWUT regelrecht ins Wasser. Davon bekommen die meisten Anwesenden hier im Haus Leipzig aber nichts mit und lauschen weiter den Klängen der Band. Im Hintergrund laufen dazu diverse Videos, die das Ganze visuell untermalen. So wird 'Outnumbered' gegen Ende des Konzertes zu einer genialen psychedelischen Angelegenheit. Die Besucher bedanken sich mit viel Beifall, worüber sich die Musiker freuen. Auch dabei gilt: Klein aber fein und genau solche Auftritte sind es, die die Veranstaltung ausmachen.
Draußen hat sich derweil das Wetter beruhigt und langsam aber sicher neigt sich das Wave-Gotik-Treffen dem Ende entgegen. Doch bevor es nach Hause geht, statten wir dem Westbad noch einen letzten Besuch ab, da JANUS hier den Abend beendet. Das Konzert ist kein Akustikkonzert, sondern die zwei Bandköpfe haben eine Live-Band zusammengestellt, mit der gemeinsam gerockt wird und die damit das andere Gesicht von JANUS zeigt. 'Wenn du vor mir stehst' läutet den energiegeladenen Gig ein und die Spielfreude steht den Musikern bildlich ins Gesicht geschrieben. Zumindest kann man es bei einigen nur vermuten, da sie Masken vorm Gesicht tragen. Sänger Rig ist jedenfalls kaum zu bremsen und schwitzt schon mächtig, bevor es überhaupt los geht. Das hält ihn aber nicht davon ab, über die Bühne zu fegen und die Menge zum Toben zu bringen. Die macht natürlich mit und so wird ordentlich vor der Bühne getanzt. Der Saal des Westbades ist gut gefüllt und die Stimmung super. Flott geht es hintereinander weg und neben dem genial vorgetragenen 'Paulas Spiel' erklingt auch 'Totes Land'. Und wie gedacht sind im Publikum zahlreiche Gesichter vom Nachmittagskonzert auszumachen. Musikalisch gesehen ist das Konzert jetzt das totale Gegenteil, aber dennoch macht es Spaß, wobei manche Stücke im ruhigen Gewand besser punkten können. Aber das ist ja bekanntlich Geschmackssache. Nach viel Applaus hat die Band natürlich noch eine Zugabe für ihre Fans, mit der sich die Musiker von ihren Fans verabschieden.
Setliste: Wenn du vor mir stehst; Ich will seinen Kopf; Paulas Spiel; Dorinas Bild; Hotel Eden; Die Tage werden enger; Totes Land; Bruderkuss; Zugabe: Mutter; Totes Land
Damit geht das WGT für die meisten zu Ende und gefühlt waren die Tage wieder viel zu schnell vorüber. Vieles blieb ungesehen. Aber so ist es nun mal bei dieser Veranstaltung. Man nimmt sich immer viel vor, schafft es aber nicht. Bei einigen Veranstaltungsorten gab es wieder einen Stopp am Einlass, was zeigt, dass neben der Agra-Halle ein weiterer großer Saal fehlt. Durch den Wegfall des Kolrabizirkus ist eben dieses Szenario entstanden. Wobei irgendwie in diesem Jahr nicht so viele Besucher da waren wie in den vergangenen Jahren.
Eine Sache sollte noch erwähnt werden: Am Montag fand das erste Mal der "Großer Trauermarsch für aussterbende Arten" statt. Rund 2.000 Teilnehmer zeigten Gesicht, um auf den Klimawandel und das Artensterben aufmerksam zu machen. Redner waren dabei OSWALD HENKE und Dr. MARK BENECKE. Die Aktion wurde übrigens der Leipziger Gruppe Extinction Rebellion und dem Betreiber der WGT-App organisiert. Eine tolle Aktion, die sicherlich auch im nächsten Jahr wieder gestartet wird. Bis dahin heißt es warten und sich wie immer auf das Festival freuen!
- Redakteur:
- Swen Reuter