Wave-Gotik-Treffen 2009 - Leipzig
08.06.2009 | 18:2929.05.2009,
Das Highlight aller Schwarzkittel jährt sich zum achtzehnten Mal, und POWERMETAL.de ist hautnah dabei. Vier Tage sieht Leipzig schwarz, und wir sehen zahlreiche Metalbands der Extraklasse. Folgt uns in die Dunkelheit.
Ein Sturm zieht auf. Die Sonne zieht sich feige zurück, überlässt den Wolken den Himmel. Schwarz und geheimnisvoll. Nein, die Rede ist nicht von den über 21.000 Besuchern des achtzehnten Wave-Gotik-Treffens, sondern tatsächlich vom Wetter. Das zeigte sich an Pfingsten nicht gerade von seiner besten Seite. Welche Band dagegen ihre Schokoladenseite zeigte und welche besser im Bett geblieben wäre, erfahrt ihr jetzt. Leipzig goes Wave-Gotik-Treffen, und POWERMETAL.de ist für euch dabei.
Donnerstag – 28.Mai 2009
Zwar beginnt das WGT offiziell erst am darauffolgenden Freitag, doch auch schon am Donnerstag ist Leipzig fest in den Händen der Schwarzkittel. Diverse Clubs öffnen ihre Tore, um gerade die auswärtigen Gäste optimal auf die folgenden vier Tage einzustimmen.
Als echter Metaller hat man es auf dem WGT sowieso schon nicht einfach, aber wenn eine Ikone wie RUMMELSNUFF in der Villa für Rabatz sorgt, dann wirft man sich eben in das Meer aus EBMlern – auch wenn man sich frisurentechnisch doch recht deplatziert vorkommt. Bevor die Dampfwalze aber ins Rollen kommt, eröffnen T.W.A.T aus Schweden den Abend. Mit typischem EBM, den tausend andere Bands sicher besser machen, begeistert man dennoch das feierwütige Publikum. Als dann RUMMELSNUFF die Bretter betritt, wird sofort klar, dass die Villa für so ein Ereignis einfach viel zu klein ist. Niemand kann sich bewegen, was sich natürlich negativ auf die Stimmung auswirkt. So wirkt auch RUMMELSNUFF nicht hundertprozentig motiviert und zieht seinen Stiefel durch. Nach dem großartigen 'Mandy' und dem Urlaubskracher 'Hammerfest' verzieht sich die POWERMETAL.de-Fraktion wieder, um im heimischen Bettchen (wie schön es doch ist, in den eigenen vier Wänden zu schlafen) Energie für die kommenden Tage zu sammeln.
Freitag – 29.Mai 2009
Ein Blick auf den WGT-Planer führt wie jedes Jahr zum gleichen Bild: wohin zuerst? Da den Damen der Vortritt gebührt, geht es zunächst ins Werk 2. LEANDRA hat mit ihrem Solodebüt "Metamorphine" letztes Frühjahr kräftig punkten können – und sieht dabei auch noch gut aus. Also rein ins ungemütliche Werk, wo PANIC LIFT gerade die letzten Töne eines PHIL COLLINS-Songs spielen. Das muss man sich mal vorstellen. Der erste Song, den ich auf dem WGT live höre, ist ein Track von PHIL COLLINS? Oh mein Gott! Egal, wegwischen und weitermachen.
Während in der Pause der Vorplatz vor lauter Zigarettenqualm schon gar nicht mehr zu erkennen ist, erkennt der aufmerksame Zuhörer jedoch das Checken eines Schlagzeugs und einer E-Gitarre. Will LEANDRA heute rocken? Bisher war sie mir nur als Magierin der leisen Töne bekannt. Als sie die Bühne mit einer venezianischen Maske betritt und mich mit ihrer engelsgleichen Stimme betört, ist der Tag bereits jetzt ein großer Erfolg. Und wirklich, LEANDRA wird zur Rockerin und lässt ihre Songs in einer etwas härteren Form auf die Zuschauer los. Songs wie 'Lullaby' oder auch 'Angeldaemon' wissen auch so zu gefallen.
WGT heißt Laufen – viel Laufen und viel Straßenbahn- oder Busfahren. Zum Glück für alle Besucher kostenlos, Daumen hoch. Ab in den Bus und losgedüst. Der Kohlrabizirkus ist das Ziel, das man nach kurzer Fahrt und einer kleiner Wanderpartie in zwanzig Minuten erreicht. Hier haben heute die Metaller das Sagen. Während die Slowenen von NOCTIFERIA ihre Industrial-Brocken durch die Boxen pusten, lungern noch viele Besucher vor der Halle herum, um die letzten Sonnenstrahlen zu erhaschen. Wer weiß, wann sie unseren roten Freund je wieder sehen?
Zeit für KATRA. Irgendwie hab ich es heute mit den schönen Frauen. Diese junge Dame, welche der Band ihren Namen gab, stammt aus Finnland und konnte mit ihrem letzten Album "Beast Within" den einen oder anderen Kritiker überraschen. Ob sie es live genauso gut kann? Klare Antwort: jein. Sicher, die hübsche Finnin hat Ausstrahlung und fühlt sich auf der Bühne sichtbar wohl. Aber an ihrer Stimme muss sie dann doch noch etwas arbeiten. Teilweise klingt das Dargebotene leicht schief. Gut, solange alle Besucher einen in der Krone haben, merkt es eh keiner.
Viel ist aber um diese Zeit (19.30 Uhr) noch nicht los, und so frage ich mich doch, warum man für dieses (heute nicht wirklich überragende Line-up) den großen Kohlrabizirkus genommen hat. Egal, KATRA stellen neben bekannten Songs wie dem hervorragenden 'Beast Within' oder dem verträumen 'Kuunpoika' auch neue Songs wie 'Firebird' vor. Fazit: Im Studio können viele singen wie TARJA, aber live ist es dann doch eine andere Sache. Was zählt, ist auf dem Platz. Dennoch ein ordentliches Konzert.
Danach folgen AUTUMNBLAZE, die man mit einem Wort hier und heute beschreiben kann: belanglos. Was da aus den Boxen wabbelt, wirkt dermaßen banal, dass einem angst und bange wird. Da hilft auch kein DARKTHRONE-Shirt. Das Publikum wirkt wie gelähmt und starrt ungläubig auf die Bühne. Auch wenn ich mir den Unmut vieler Fans jetzt zuziehe, aber manchen Bands sollte man keine Reunion ermöglichen. Mist wird auch nach einigen Jahren Pause nicht zu leckerer Wurst. Für solche Zaubereien ist ein anderer zuständig. Der ist aber wohl heute nicht hier. Gott rette uns. Nach 40 Minuten Irrfahrt ist Schluss.
Nun sollten TYR für metallische Klänge sorgen. Doch ein kleiner Zettel am Eingang sagt mir, dass TYR erst gegen Mitternacht spielen werden. Hui, schnell einen Roadie gefragt, der mir bestätigt, dass TYR noch nicht in Leipzig sind und erst gegen 24.00 Uhr spielen werden. Jedoch behalten MY DYING BRIDE ihren Timeslot. Bedeutet? Eine Stunde Pause im Kohlrabizirkus. Nur toll, dass niemand es den Fans sagt. Ist es so schwer, einen Verantwortlichen auf die Bühne zu heben, der die Verzögerung wenigstens allen verkündet? Ganz schwache Nummer.
Nach einer Stunde ist es aber so weit: MY DYING BRIDE. Schon nach den ersten Klängen weiß man, dass sich das Warten gelohnt hat. Wer wirklich mit dem Gedanken spielte, die Pause zu nutzen, um doch noch zu PROJECT PITCHFORK in die Agra zu fahren, es aber doch sein ließ, hat alles richtig gemacht. Die ordentlich gefüllte Halle ist sofort verzaubert und lässt sich widerstandslos in die Welt von MY DYING BRIDE entführen. Das ist ganz großes Kino. Keine hektischen Moves, kein sinnlose Gepose. Sänger Aaron bezaubert mit seiner feinen Mimik und Gestik und lässt die Realität für 80 Minuten zur Nebensache verkommen. Mit 'Fall With Me' wird ein bunter Mix aus neuen und alten Songs eröffnet. Daumen hoch dafür, dass MY DYING BRIDE sich nicht nur auf alten Lorbeeren ausruhen sondern auch live viel Neues spielen, was der Band nur Pluspunkte bringt – zumindest bei mir.
Nach 'The Dreadful Hours' ist erstmal Feierabend. Doch die !Zugabe!"-Rufe dirigieren die Briten zurück auf die Bühne. Also legen sie mit 'The Cry Of Mankind' und 'My Body, A Funeral' noch kräftig nach. Fantastischer Gig, der jetzt schon die Vorfreude auf das With Full Force in astronomische Höhen schnellen lässt.
TYR haben im Anschluss auch gar keine Chance, dieses großartige Niveau zu halten. Das denken sich auch viele Besucher und verlassen die Location. Wer zu spät kommt, den bestraft eben das Leben. Mit 'Hold The Heathen Hammer High' holen sie zu Beginn gleich den eingängigsten Song der aktuellen Scheibe "By The Light Of The Northern Star" aus der Kiste. Gute Wahl. Irgendwie muss man das Publikum auf seine Seite ziehen. Denn die vertrackten Stücke können wohl nur bei den Die-hard-Fans punkten. Besser wird die Stimmung bei Mitsing-Granaten wie 'Hail To The Hammer'. Dann geht auch hier was. Sänger Heri prostet den Verbliebenen noch zu und erzählt zwischendurch immer mal wieder über seine Heimat und deren Sagen – nett.
Doch nach knapp einer Stunde muss auch der tapferste Wikinger ins Bettchen. Nach 'Ramund Hin Unge' ist die Musik für heute Nacht zu Ende. Doch das WGT schläft nie. Wer sich also die Nacht um die Ohren schlagen will, hat nun alle Optionen. Ob Dark Flower, Moritzbastei, Sweat-Club oder die große Party in der Agra – die Auswahl ist fast unbegrenzt. Ich entscheide mich fürs Bett und sage gute Nacht.
Setlist TYR:
Hold The Heathen Hammer High
Sinklars Visa
Trondur I Gotur
Regin Smidur
Hail To The Hammer
Northern Gate
Lokka Tattur
Olavur Riddararos
Ramund Hin Unge
- Redakteur:
- Enrico Ahlig