Winterfire Festival - Gießen

25.02.2009 | 12:38

21.02.2009, Hessenhalle

Die trübe Zeit der Wintermonate erlebt im mittelhessischen Gießen mit dem Winterfire Festival ein erfreuliches Leuchtfeuer. Für Fans der härteren Gangart war der Ausflug zu dem von Black und Death Metal dominierten Hallenfestival ein lohnendes Unterfangen.

Nach einer längeren Dürrezeit in Sachen "ansprechende Metalkonzerte" haben Herr K. aus M. und ich das Winterfire Festival auserkoren, um mal wieder ordentlich die Birne zu schütteln. Der Veranstalter Burningstage Concerts hat eine Reihe namhafter Bands aus den Bereichen des Black, Death und Viking Metal zusammengetrommelt, um ein tagesfüllendes Programm auf die Beine zu stellen. Die ersten Helden müssen allerdings ohne uns auf die Bühne. Wir bringen es einfach nicht fertig, unseren erschlafften Arbeitnehmerhintern bereits um halb zwei mittags hochzuhieven, um uns IURAMENTUM und MENHIR anzuschauen.

Die erste Band des Tages, die unser Interesse weckt, ist MOONSORROW, jene Finnen, die nordisch-folkloristische Elemente gemischt mit harten Metalriffs so gerne in epische Songs mit halbstündiger Länge spinnen.

Als wir die Gießener Hessenhalle betreten, die den unterkühlten Charme einer Garage ausstrahlt, sind allerdings noch die Kieler Black-Metaller von ENDSTILLE zugange, die überraschenderweise bereits ein beträchtliches Publikum vor sich vereinen können. Die Schwarzkittelgemeinde ist im Durchschnitt also mobiler als Herr K. aus M und ich, die wir uns in den puristischen Finster-Metal von ENDSTILLE heute nicht mehr einfinden.

Festzustellen ist, dass die Running Order jedenfalls bereits jetzt Verspätung hat, und so beginnen MOONSORROW ihr 45-Minuten-Programm erst gegen viertel vor fünf. Die Bühne schmückt das Banner eines in dunkelsten Rottönen gehaltenen Landschaftsbildes, das dem Cover des "V: HÄVITETTY"- Albums recht nahekommt.

Aufgrund der ausgeprägten Länge vieler ihrer Songs bekommen wir an diesem Nachmittag nur eine kleine Auswahl des MOONSORROWschen Schaffens zu hören, und bereits nach rund zwanzig Minuten Spielzeit kündigt Shouter Ville Sorvali "one more song" an. Die düsteren Epen entfalten in der höhlenartigen Atmosphäre der Hessenhalle die passende Wirkung auf die Fans, die für die frühe Nachmittagsstunde schon erfreulich mitgehen. Ich habe dennoch das Gefühl, dass es MOONSORROW dienlicher gewesen wäre, etwas später am Abend anzutreten, denn so richtig zum Krachen kommt die Stimmung hier letztlich doch nicht.

So bleibt der Kreislauf auch nach Ende der Show eher im Keller, und Herr K. aus M. und ich brauchen statt Bier und Met einen beherzten Kaffee. Wir flüchten uns daher für die nächsten anderthalb Stunden fernab der Hessenhalle in die schmucklose Gießener Innenstadt und finden hier im Café Zeitlos einen überraschend netten Chillroom, in dem wir den Gig von CHROME DIVISION leider gelassen an uns vorüberziehen lassen.

Zurück in der Hessenhalle sind gerade SHINING im Begriff, die Bühne zu entern. Die Schweden um Sänger Kvarforth präsentieren eine Mischung aus Black Metal und progressiv-doomigem Rock. Die Darbietung erscheint mir überraschend unspektakulär. Mit Blick auf den Ruf, der SHINING hinsichtlich ihrer extremistischen Bühnenshows vorauseilt, in denen Frontmann Niklas Kvarforth sich selbst und seine Bandkollegen verletzt, mit Blut herumspritzt oder zuweilen dem Publikum aufs Maul haut, erleben wir hier eine durchschnittliche Show ohne derlei dramatische Höhepunkte. Wir nutzen die Zeit daher, der Bühne ein wenig den Rücken zu kehren und uns in der Festival-Location näher umzusehen.

Ein Hallenfestival zu organisieren, ist sicher ein besonderes Kunststück, da die entspannte Atmosphäre sommerlicher Freiluftevents sich nicht ohne Weiteres einstellt. Dennoch wollen die Fans mit Kulinarischem über den Tag gebracht werden, und ein Plätzchen, um sich gemütlich niederzulassen, wäre auch nicht das schlechteste. In der Hessenhalle scheinen mir diese Anforderungen nur mäßig befriedigt. Außer einem asiatischen Nudelstand und einer Pizzabude gibt es nichts zu beißen, und die Räumlichkeit, in der Tische und Bänke aufgestellt sind, ist neben einem eher unspannenden Metalmarkt gleichzeitig der Raucherraum. Mag sein, dass der durchschnittliche Metalfan ein hartgesottener Raucher oder zumindest Passivraucher ist, dem der Nichtraucherschutz am Arsch vorbeigeht. Mich jedenfalls turnt die alternativlose Raucherhalle ebenso ab wie das Bonsystem, das hier dem Verkauf von Getränken vorangestellt ist. Dem Veranstalter entgehen daher die Einnahmen von Herrn K. aus M. und mir. Stattdessen verbringen wir einige Zeit mit unseren Mineralwasservorräten im kalten Auto unter der Gießener Autobahnbrücke – fast so romantisch wie im Raucherraum der Hessenhalle.

Inzwischen haben die schwedischen Experimental-Black-Metaller ihre Show beendet, und wir steuern auf den unbezweifelten Höhepunkt des Abends zu. ENSIFERUM stehen auf dem Programm und locken tatsächlich die größte Zahl der Fans vor die Bühne. Sie sind mit Abstand nicht nur die fröhlichste Band des Festivals, sondern auch jene, die die beste Stimmung des Tages zu erzeugen vermag.

Das Programm beginnt mit 'Treacherous Gods' vom "Ensiferum"-Album und setzt sich in gewohnter Weise mit einem abwechslungsreichen Rundumschlag durch alle Alben der Band fort. Älteres Material à la 'Token Of Time' kommt dabei ebenso zum Zug wie 'Iron' vom gleichnamigen Album. Erstmals an diesem Tag feiert wirklich die komplette Halle die Band ab, und es bildet sich sogar endlich ein kleiner Moshpit vor der Bühne, nachdem Petri Lindroos die Fans dazu immer wieder auffordert. 'Ahti' und 'One More Magic Potion' vom aktuellen Album werden hierzu gerne genutzt. Leider verlassen ausgerechnet ENSIFERUM die Bühne bereits nach fünfzig statt der angekündigten sechzig Minuten, was ich nur schwer nachvollziehbar finde. Die Zeitverzögerung ist auch damit nicht mehr aufzuholen. Aber immerhin gibt es zum Schluss noch den 'Battle Song' zu hören, bevor die aufgeheizte Masse ein weiteres Mal aus der Halle in den Regen strömt.

Nachdem ich mir ENSIFERUM in den vergangenen zwei Jahren ob ihrer Überpräsenz auf deutschen Metalbühnen etwas leidgesehen habe, muss ich doch bekennen, dass ihr heutiger Gig aus dem Meer der Routine hervorgestochen hat. Kurz und knapp, aber voller Energie, kein langes Gequatsche auf Kosten der Zeit, keine überflüssigen Mitsingspielchen, stattdessen einfach fette Stimmung auf den Punkt gebracht. So sollte es öfter sein.

Als Nächstes stehen UNLEASHED an. Von ihrer Show verpassen wir aufgrund der beschriebenen Versorgungsschwächen der Hessenhalle, die uns ein weiteres Mal an die eigene Wasserflasche zwingen, den Anfang. Ich bedauere das im Nachhinein, gefällt mir doch das, was die Schweden aufzubieten haben, ziemlich gut. Obwohl sie weiß Gott nicht erst seit gestern auf den Bühnen dieser Welt unterwegs sind, sondern bald zwanzig Jahre darauf verwenden, mit melodiösem Death Metal die Welt der Wikinger und ihrer Sagen zu besingen, habe ich UNLEASHED bisher kaum erlebt. Anderen geht das anders. Das Winterfire-Publikum weiß die Musiker um Johannes "Johnny" Hedlund gebührend zu feiern und kennt sich in ihrem Backkatalog gut aus. Mir bleiben drei Songs des Abends in bester Erinnerung, die zeigen, dass UNLEASHED ihrem Stil über die Jahre treu geblieben sind. 'To Asgaard We Fly' spricht mich ebenso an wie das vom 1997er Album "Warrior" stammende 'Death Metal Victory'.

Der Titelsong des aktuellen Albums "Hammer Battalion" wird von Johnny Hedlund gegenüber dem deutschen Publikum besonders hervorgestrichen und löst entsprechend euphorische Reaktionen aus.

Insgesamt präsentiert sich die Band nach den jungen Vorgängern des Tages gelassen und bodenständig, ohne jedoch durch erlahmte Routine zu langweilen. Im Gegenteil, die Mischung aus erkennbaren Melodien und typischem Death-Metal-Sound, der sich besonders in den warm-dunklen Basslinien der einzelnen Songs niederschlägt, ist eine wohltuende Ouvertüre für den Headliner des heutigen Festivals, DARK TRANQUILLITY, der sich eine halbe Stunde vor Mitternacht dann endlich ankündigt.

Leider hat sich die Hessenhalle bis zu diesem Zeitpunkt bereits merklich geleert. Der Höhepunkt des Tages, erreicht bei ENSIFERUM, ist eindeutig überschritten. Schade, denen, die es nicht bis jetzt ausgehalten haben, entgeht ein geiler Gig. Tatsächlich kommt es mir so vor, als haben die Techniker in Sachen Sound noch mal eins draufgelegt, so dass DARK TRANQUILLITY ihre stimmungsprägend mit Keyboard unterlegten Songs zur vollen Entfaltung bringen können.

Mikael Stanne zeigt sich von der ersten Minute an als Energiebündel, springt bewegungsfreudig über die Bühne und strahlt wie so oft freundlich und positiv ins Publikum.

Das Programm des Abends ist ein ausgewogener Streifzug durch "Fiction", von dem mich jenseits der Singleauskopplung 'Focus Shift', die ziemlich am Anfang der Setlist steht, besonders 'Misery's Crown' und 'Terminus' begeistern, mit dem die Band uns nach rund achtzig Minuten nach Hause in die Nacht schickt. Aber auch die Freunde des älteren Materials werden bedient, indem die Alben "The Gallery" und "The Mind's I" zum Zuge kommen. Ein leichtes Übergewicht findet sich sicherlich bei den Stücken der letzten beiden Alben. Mir wird jedoch einmal mehr deutlich, dass DARK TRANQUILLITY im Grunde kaum einen schwachen Track zu bieten haben. Durchgängig vereinen sie die Zugänglichkeit einer eingängigen Melodieführung mit der nötigen Riffhärte, die ein emotional ansprechender Melodic-Metal-Song braucht. Erfreulich dabei, dass uns frickelnde Progressivität ebenso erspart bleibt wie stilbrechende Ausflüge in die Gefilde des Metalcore.

In diesem Sinne geht das Winterfire Festival in jungfräulicher Morgenstunde mit dem Gefühl zu Ende, in der an Festivals armen Jahreszeit doch immerhin eine insgesamt lohnende Veranstaltung besucht zu haben. Die ausgewählten Bands harmonierten stilistisch doch so weit miteinander, dass sich jeweils eine ausreichende Schnittmenge des Publikums vor der Bühne einfand, bei der jeder irgendwo auf seine Kosten gekommen sein dürfte. Da nimmt man dann am Ende auch die eher unkomfortable Location und das lästige Bonsystem in Kauf. Sind wir froh, dass hier an diesem Samstag im Februar so viel los war, dass wir nicht in stimmungsloser Ödnis allein vor der Bühne bangen mussten. Die Lust auf ein nächstes Metalkonzert in Kürze ist auf jeden Fall geweckt.

Redakteur:
Erika Becker

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