Zita Rock Festival - Berlin

04.06.2008 | 13:43

31.05.2008, Zitadelle

Und ewig lockt die Hauptstadt. Berlin ist natürlich immer eine Reise wert, aber an diesem letzten Maitag des Jahres 2008 (aller Zeiten!) lockt weniger der Fernsehturm, das Brandenburger Tor oder ein Besuch bei Angie, sondern das Zita Rock Festival. Ein Tag, eine Bühne, sieben Bands - und das bei bestem Wetter und strahlendem Sonnenschein. Was willst du mehr? Als wir kurz vor halb 3 in der Zitadelle im Bezirk Spandau ankommen, tummelt sich schon etliches schwarzes Volk auf den Bürgersteigen und in der McDonald's-Filiale. Letzte Stärkung, bevor es ernst wird. Noch kurz über den Fluss schreiten, und schon sind wir in der alten Wehranlage. Mein erster Eindruck ist äußerst positiv: Es gibt genügend Fress-Stände, genügend Bars, Merchandise-Stände und vor allem jede Menge Toiletten. Daumen hoch an die Veranstalter! Es ist etwa 15.00 Uhr: Lasst die Spiele beginnen.

DOWN BELOW haben die Aufgabe, diesen Nachmittag musikalisch zu eröffnen. Mit 'Sinfony 23' gehen sie gleich in die Vollen und hauen den Titeltrack ihres aktuellen Albums in das bereits zahlreich anwesende Publikum. Wer denkt, die Berliner scheuen die Sonne und suchen den Schatten, der irrt. Mit Lack und Leder wird sich hier unter die mehr als 30 Grad warme Brutzelmaschine gestellt. Mit 'Private Soul Security' und dem allseits bekannten 'Sand in meiner Hand' geht es munter weiter. Ob Sänger Neo schon munter ist, kann nur gerätselt werden, denn der Spruch "Guten Abend, Berlin!" (um 15.10 Uhr) zeugt von leichter Desorientierung. Aber sehen wir es ihm nach, denn die halbstündige Show hat Hand und Fuß, sowie im späteren Verlauf einen blanken Oberkörper, der vor allem die weiblichen Gäste für wenige Minuten das Eincremen vergessen lässt. Vergessen ist das Stichwort, denn Neos Fans haben seinen Geburtstag natürlich nicht vergessen. Einen Tag zuvor durfte er die Korken knallen lassen, und alles was er bekam, war ein leicht schief gesungenes Geburtstagsständchen von Seiten der Fans. Neo bedankt sich brav und spendiert mit 'Frei' ein brandneues Stück, das hier wohl seine Weltpremiere feiert. Für die Mädels gibt es noch 'Dark Queen' und für die Jungs Zeit zum Fummeln.

DOWN BELOW sagen Ciao und machen Platz, denn als nächsten stehen die Norwegischen Electropop-Rocker von ZEROMANCER auf dem Plan. Nach Jahren gibt sich somit für mich die Möglichkeit, den Jungs beim harmonischen Musizieren mal wieder zuzusehen. Anfänglich noch unterhaltsam und rockig ('Need You Like A Drug', 'Clone Your Lover'), verliert sich die Darbietung mit der Zeit in eine übersichtliche und mächtig uninspirierte Dudelei. Die Geschwindigkeit wird gedrosselt, die Stimmung auch. Daher suchen viele den Schatten auf, um sich das überschaubare Spektakel aus sicherer Entfernung zu geben. Irgendwann ist die gepflegte Gleichförmigkeit vorbei und wir um die Erkenntnis reicher, dass den Jungs mit den Jahren allmählich die Puste ausgeht.

Zeit für EISBRECHER, der einzigen Band, die mir vorher gänzlich unbekannt war. Aber was soll ich sagen? Witzig sind die Jungs, machen ordentlich Krach, posen flott vor sich hin und sind auch für das ein oder andere Späßchen zu haben. Doch irgendwie kommt mir der Sänger bekannt vor. Aha, der Nachbar weiß es besser. Alexander Wesselsky ist der ehemalige MEGAHERZ-Sänger. Mein Groschen fällt. Songs Marke 'Phosphor' und 'Antikörper' versprühen gute Laune und zeigen, wie gut gemachter "Elektronischer Trip-Rock" (!) klingen soll. Alexx strotzt vor guter Laune und bemerkt, dass sie ja fast die einzige Band sind, die noch nicht beim Bundesvision-Songcontest teilgenommen hat und dass sie selber einen richtig duften Auftritt hingelegt hätten. Stimmt, der konnte sogar den klasse Auftritt der NO ANGELS beim Eurovision-Songcontest toppen.

Langsam hat die Sonne ein Erbarmen und nimmt ein wenig Saft raus. Das ist gut, denn zu traditionellem Gothic Rock der DREADFUL SHADOWS kann man auch schon mal das Köpfchen schütteln. Mit dem Bangen dauert es aber zwei Songs, denn zunächst steuern Sven Friedrich und Gefolge mit 'Futility' und 'Drowning Sun' eher ruhiges Gewässer an. Dies ändert sich mit 'Dead Can Wait', so dass sich einige Langhaarträger nicht zweimal bitten lassen, ihren Tanz aufzuführen. Mit 'Sea Of Tears' wird es aber ganz schnell wieder balladesk. So geht es ja nicht! Wenn die langhaarigen Bombenleger sich nicht benehmen können, wird eben wieder geschmust. Mit dem folgenden 'Chains' wird dann aber wieder die Gothic-Metal-Keule geschwungen. Standardgemäß verabschieden sich die Berliner mit dem wunderschönen Cover von 'Twist In My Sobriety'. Feiner Gig, der irgendwie nach viel, viel mehr aussieht. Wird es vielleicht doch in naher Zukunft ein neues Album geben? Wer weiß es?

Ich jedenfalls nicht und so bahne ich mir meinen Weg zur Bühne, denn zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen wird der Graf von UNHEILIG bei mir vorstellig. Bei der letzen Show (Wave-Gotik-Treffen) konnte er jedoch weniger überzeugen, da er noch mit den Nachwirkungen einer Krankheit zu kämpfen hatte. Ganz anders heute. Während 'Puppenspieler' durch die Boxen dröhnt, flitzt der Graf wie ein junges Reh über die Bühne, verteilt Luftküsse hier, Luftküsse da und freut sich sichtlich, heute auf dem Zita 100% fit zu sein. Spätestens beim folgenden 'Spiegelbild' ist klar: Der Graf ist fit. Mit 'Astronaut', 'Lampenfieber', 'An deiner Seite' folgt ein Hit dem nächsten. Die Stimmung ist prächtig, Hände wackeln im Wind und die Flugzeuge drehen vor der Landung am Flughafen Tegel noch eine Extrarunde, um einen wunderbar aufgelegten Grafen bei der Arbeit zuzuschauen. Nach 'Freiheit' und dem gefühligen 'Mein Stern' gehen die Lichter aus und beweisen, dass UNHEILIG auch bei sonnigen Wetter und Tageslicht für beste Gänsehaut-Atmosphäre sorgen können.

Was ich von ASP nicht sagen kann. Hat der gute Mann heute sein Mikro zum Frühstück gehabt? Das klang knödliger als der nuscheligste US-Amerikaner. Furchtbar! 'How Far Would You Go' erkennt man erst nach der dritten Weinschorle und wenn bei 'Sing Child' nicht die Fans ordentlich Bambule gemacht hätten, wäre auch dieser Song nicht auf meinem Zettel gelandet. Musikalisch irgendwo im Nirgendwo kann wenigstens die dezente Feuershow unterhalten. Kommunikation zwischen ASP und den Fans ist gleich Null. Das so die Stimmung eher unterkühlt bleibt, ist kein Wunder. Mein kleines Herz erfreut sich zumindest bei 'Ungeschickte Liebesbriefe', bevor mit 'Ich will Brennen' und 'Schwarzes Blut' ein etwas enttäuschendes Konzert sein Ende findet.

Sechs Bands und kein bisschen Leise. Das Zita rockt weiter und präsentiert nach einer etwas längeren Umbaupause die Lokalmatadore von SUBWAY TO SALLY. Mit 'Hohelied' legen Herr Fish, Frau Schmitt und Co. harsch los und bleiben auch bei den folgenden 'Puppenspieler' und 'Die Trommel' beim aktuellen Album "Bastard". Das rockt zwar kräftig, doch will das vorwiegende Gothic-Publikum wohl lieber alte Tanzparkett-Wackler. Doch da müssen sie sich noch ein wenig gedulden, denn auch 'Eisblume' und 'Falscher Heiland' lässt zwar Köpfe wackeln, aber die meisten Schuhe standhaft bleiben. 'Sabbat' kommt da wie gerufen, der Hochzeitstanz kann beginnen. Nach drei Songs der aktuellen Schaffensperioden ('Feuerland', 'Auf Kiel', 'Auf dem Vulkan') ist es wieder Zeit für apathische Schunkeltänze, denn sowohl 'Henkersbraut' als auch 'Kleid aus Rosen' lassen das Bier über den Becherrand kippen. Mit 'Sag dem Teufel' schippern wir sogar in alte "Foppt den Dämon"-Gewässer, bevor mit 'Sieben' und dem obligatorischen 'Räuberlied' das Zita Rock 2008 stimmungsvoll ausklingt.

Mit der Ankündigung des Zita Rock 2009 und der Erwähnung, dass das Festival im nächsten Jahr zwei Tage Berlin in Wallung bringen wird, verabschieden wir uns von der Hauptstadt mit der Gewissheit, dass das Zita mächtig gerockt hat und auf jedem Festivalplaner seinen festen Platz finden sollte. Mit einem schicken Ambiente, bestem Wetter und jede Menge guter Musik gab's ordentlich Value for Money. Daumen ganz weit hoch!

Redakteur:
Enrico Ahlig

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