40 WATT SUN - The Inside Room
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2011
Mehr über 40 Watt Sun
- Genre:
- Doom Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Cyclone Empire / Soulfood
- Release:
- 04.03.2011
- Restless
- Open My Eyes
- Between Times
- Carry Me Home
- This Alone
Mehr geht nicht.
Musik ist emotional. Zumindest sollte dies so sein. Der oder die Künstler versuchen Gedanken und Gefühle, Persönliches oder Fiktives in Noten zu kleiden und sich somit ein persönliches Ventil zu erschaffen, sich mitzuteilen und im Idealfall sich auszuleben. Der optimale Idealfall ist es, wenn der Hörer von den Emotionen der Musik erfasst wird und er diese entweder nachempfinden kann oder sein eigenes Kopfkino dazu in Rotation gerät. Dabei spielt es keine Rolle, ob die vermittelte Emotion identisch ist mit der gefühlten des Musikers. Hauptsache der Hörer wird erfasst und die Musik fesselt und fasziniert ihn. Dann hat der Künstler etwas ganz Besonderes geschaffen.
Nach der obigen Betrachtung handelt es sich bei den beiden Langeisen der britischen Doomband WARNING um epochale Wunderwerke, da sie in ihrer Emotionalität vielleicht noch von FEAR OF GODs "Within The Veil" und THE GOD MACHINEs "One Last Laugh In A Place Of Dying" erreicht werden. Leider löste sich die Band vor über einem Jahr auf und hinterließ somit eine Herde von Fans, die es nicht glauben wollte, dass "Watching From A Distance" das finale Album von Patrick Walker (voc., gt.) und seinen beiden Mitstreitern Marcus Hatfield (bs.) und Christian Leitch (dr.) sein sollte. Und schon bald kam die frohe Botschaft: Patrick und Christian, den der eine oder andere sicherlich auch als Gitarrist(!) der Band THE RIVER geläufig sein wird, habe sich mit einem gewissen William Spong zusammen gefunden und unter dem Namen 40 WATT SUN ein neues Projekt gestartet.
Und so höre ich nun seit einigen Wochen den Erstling, der passend "The Inside Room" betitelt ist. Natürlich ist die Erwartungshaltung unglaublich hoch und die bange Frage, ob mich die Musik wieder so ergreifen kann, wie es WARNING geschafft hat, dreht seit Wochen ihren unermüdlichen Runden in meinem Hirn. Nun ist "The Inside Room" etliche Male über den Kopfhörer gelaufen und ich kann als jetztzeitiges Zwischenresultat schreiben, dass ich bereits beim ersten Durchlauf wie paralysiert unter meinen Beschallungsmuscheln saß und nach der Dreiviertelstunde Spielzeit, die die fünf Songs einnehmen, in glückseliger Benebelung automatisch einen zweiten Rundlauf starten musste. Es folgten am selben Abend noch zwei weitere Durchgänge, bei denen das analysierende Denkzentrum völlig außer Kraft gesetzt wurde und ich von der Musik durchflossen wurde. Allein der zerbrechliche, aber gleichzeitig kraftvolle Gesang von Patrick schafft es, mit seinen Melodien mein Herz beinahe zum Bersten zu bringen. Dabei singt er so fürchterlich unaufdringlich und eigentlich beinahe unscheinbar. Wo andere den von mir gern gehörten Pathosschmirgel auf die Stimmbänder legen, um melancholische Texte richtig zu intonieren, singt Mister Walker einfach so drauf los. Der sympathische Kerl von Nebenan halt. Da wirkt nichts künstlich oder aufgesetzt, da lässt jemand einfach seinen Emotionen freien Lauf und hat dabei das Glück, dass er über eine wundervolle Singstimme verfügt. Es wirkt poetisch, ohne gestelzt zu klingen. Das ist die wahre Kunst.
Aber ich möchte 40 WATT SUN nicht auf den Gesang von Patrick reduzieren. Ohne die entsprechende Musik, hätten wir hier zwar die vielleicht beste A-Capella-Doom-Darbietung aller Zeiten, aber mit dieser musikalischen Begleitung wirkt die ganze Chose noch intensiver. Mein Gefühl sagt mir bislang, dass die aktuelle Ausrichtung noch offener klingt als es bei WARNING schon der Fall war. Die extrem langen Songs, von denen zwei sogar die zehn Minuten Grenze überschreiten, scheinen beinahe schwerelos durch Raum und Zeit zu wabern, ohne dabei wie Kiffermusik zu klingen. Viel eher ist es ein fein gewobenes Netz aus Klangfarben in bunten Grautönen, durch die ab und an mal die Sonne oder auch der Vollmond scheint. Würde man Noten auf ein im Morgentau anmutig glitzerndes Spinnennetz schreiben und mit der Stimmgabel sanft daran stoßen, würde wohl solche Musik erklingen. Anmutig und schön, dabei gleichzeitig traurig und tief ergreifend. Wie schon bei WARNING, ist auch "The Inside Room" kein Album, welches man mal so eben nebenher auflegt. Es ist ein Album, dem man sich völlig hingibt. Ein Album, das sanft aber bestimmt genau danach verlangt. Es ist wie eine Sucht. Wenn man einmal davon befallen ist, möchte man es immer und immer wieder anhören, da es einen fasziniert. Irgendwann kommt dann der Moment, an dem einzelne Passagen oder Textfragmente herauszustechen scheinen, obwohl die fünf Songs nur als Gesamtkunstwerk betrachtet werden können. So bin ich vom abschließenden Gitarrenstrudel in 'Carry Me Home' aktuell derartig begeistert, dass ich es wage Parallelen zu meinen psychotischen Walzer-Göttern zu ziehen. Intensivstation.
Muss ich noch mehr schreiben? Wer auf eine Fortsetzung von WARNING gehofft hat, kann, nein, muss hier sofort zuschlagen, denn die Intensität wurde mindestens beibehalten und die musikalische Grundausrichtung hat sich auch nicht geändert. "The Inside Room" ist das Album geworden, das ich mir so sehr gewünscht hatte und ich gebe schon jetzt die Prognose ab, dass es am Jahresende sehr weit oben auf meinem persönlichen Treppchen stehen wird. Bei solcher Musik kann ich natürlich schwer sagen, wie toll sie noch werden wird, aber eines steht fest: Emotionaler, intensiver und fesselnder kann man diese Art der Musik nicht darbieten. Da springe ich gern über meinen Schatten und rede schon nach wenigen Wochen von einem Klassiker. Man verzeihe mir eine gewisse Sinnesverklärung.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae