A PERFECT CIRCLE - Thirteenth Step
Mehr über A Perfect Circle
- Genre:
- Progressive Rock
- Label:
- Virgin / EMI
- Release:
- 15.09.2003
- The Package
- Weak And Powerless
- The Noose
- Blue
- Vanishing
- A Stranger
- The Outsider
- Crimes
- The Nurse Who Loved Me
- Pet
- Lullaby
- Gravity
Es gibt Alben, die so gut sind, dass man es nicht fassen kann. Meisterwerk, Geniestreich, Platte für die Ewigkeit. Inflationäre Begriffe in der heutigen, schnelllebigen und kurzweiligen Zeit und Musikwelt. Die perfekte CD als moderner urbaner Mythos? Nein. Tatsächlich tauchen sie in regelmäßigen Abständen von ungefähr zwei Jahren auf, zeigen sich wie das Monster von Loch Ness einer kleinen Gemeinde von eingeweihten Musikfreaks und Mitverschwörern, die von den normalen Leuten nur belächelt werden. "Mer de Noms", das erste Lebenszeichen von einer Gruppe namens A PERFECT CIRCLE, war so ein Album.
Dabei schien das ganze eher zufällig und als Projekt zum Leben zu finden: Billy Howerdel, Gitarrentechniker bei solch großartigen Rockbands wie NINE INCH NAILS oder den SMASHING PUMPKINS, schrieb heimlich still und leise ein paar eigene Songs, ArtRock Tracks, man könnte auch Progressiv Rock dazu sagen, die die jeweils besten Eigenschaften seiner früheren Arbeitgeber miteinander verbanden und traf James Maynard Keenan, seines Zeichens Vokalist von TOOL und elitärer Künstler-Querkopf. Der Rest ist Geschichte: "Mer de Noms" war das beste Debütalbum einer neuen Band in den letzten zehn Jahre, vereinte die Emotionalität und die Songs von zum Beispiel den SMASHING PUMPKINS mit dem Kunstanspruch von TOOL, und bot so ein Sammelsurium an großartigen, dunklen, intensiven und ungewöhnlichen Songs.
Die heutige Besetzung von A PERFECT CIRCLE, mittlerweilen laut Keenan zur vollwertigen Band gewachsen, liest sich wie ein Who is Who qualitativ hochwertiger Gitarrenmusik der Neunziger: Neben den beiden erwähnten Kern-Mitgliedern gehören seit einiger Zeit auch Bassist Jeordie White, besser bekannt als Twiggy Ramirez, bis vor einem Jahr musikalischer Kopf und Songwriter von Marilyn Manson, und James Iha, Gitarrist der mittlerweile aufgelösten SMASHING PUMPKINS, der auf dem Album, von dem hier die Rede sein soll, noch nicht zum Einsatz kam, zum Team. Treibende Rhythmuskraft ist und bleibt mit Josh Freese einer der besten Drummer der Welt.
"Thirteenth Step", so der Titel des neuen Outputs, ist eine Kopfgeburt. Was zunächst auffällt, ist der bedrückend dunkle, aber durchweg ruhige Ton, fast im Sinne einer halben Unplugged-Session, den die Band auf den meisten
Songs anschlägt. Wutausbrüche a la 'Judith' gibt es seltener als erwartet.
Man muss sich einarbeiten in diese Platte, muss ihr Gehör geben, und bekommt im Gegenzug ein Album, das sich in extremer Weise sowohl inhaltlich als auch qualitativ von dem absetzt, was man normalerweise unter dem Prädikat "Rockmusik aus den USA" versteht. Den besten Zugang bietet hierfür die scheinbar fast für diesen Zweck geschriebene Single 'Weak & Powerless', die oberflächlich ein typischer A PERFECT CIRCLE- und toller Rock-Song ist, darunter aber das bedrohlich Brodelnde verbirgt, fast wie ein Korken den Inhalt einer undurchsichtigen Flasche.
Der Rest dieses Albums gleicht einer surrealen Reise durch eine düstere Welt voll seltsamer Schönheit, in der es kein oben, unten, links oder rechts gibt, und die doch ganz klar irgendwie durch einen roten Faden in allen Tracks zusammengehalten wird. 'Pet', einer der wenigen wütenderen Tracks, sticht durch seine scheinbar atonale Gitarrenarbeit über den Refrain-Riffs hervor, und ist trotz seiner Länge so seltsam flüchtig und schwer zu fassen wie ein kurzer kalter Windhauch, der eine Gänsehaut verursacht. Die fließenden, zurückgelehnten 'The Noose' und 'Blue' könnten fast als Lehrstücke dafür durchgehen, wie man 2003 innovative und erstklassige Gitarrenmusik macht.
Ausschließlich die Coverversion 'The Nurse Who Loved Me', hauptsächlich mit Geigen statt Gitarren instrumentiert und ein Song in dem Sinne, wie wir es gewohnt sind, bildet die einzige Oase, die dem Hörer gegönnt wird, eine aufsteigende Schönheit als Bindeglied zwischen dem gerade gehörten und dem Schlussdrittel des Albums.
Was wir hier technisch geboten bekommen, ist ein Bandalbum, viel homogener, mehr auf sich selbst verweisend und hermetischer geschlossen als das Debüt. Qualitativ betrachtet, ist es eine der anspruchsvollsten und dennoch spannendsten Musik-Erfahrungen dieses Jahres. Es sind jedoch viel weniger die durchaus vorhandenen großen Songs, die hier zählen sollen, sondern die Kunst-Rock-Erfahrung als Ganzes. Und selbige ist auf "Thirteenth Step" wirklich atemberaubend. Ein Werk, das fast wie Ethno-Musik von einem fremdem Planeten klingt.
A PERFECT CIRCLE bleiben eine Ausnahmeerscheinung und gleichermaßen wegweisend, auch wenn der richtig herausstechende Song, wie es vor drei Jahren 'Three Libras' war, diesesmal nicht dabei ist. Vielleicht die Platte des Jahres.
Anspieltipps: The Package; Pet; The Outsider
- Redakteur:
- Sebastian Baumer