ADORNED GRAVES - The Earth Hath Opened Her Mouth
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/23
Mehr über Adorned Graves
- Genre:
- Thrash Metal / Doom Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 21.07.2023
- Epitaph I
- Pilgrim's Path
- The Lost Track
- Progenitors
- Valley Of Achor
- Son Of Soil
- Beyond The Silence
- On A White Pale Hill
- Wind Over Glen
- Vaults And Caverns
- Lord Of The Stone
- Epitaph II
Ein tolles, und bei allem Abwechslungsreichtum völlig schlüssiges panmetallisches Traditionalistenwerk zwischen Doom, Thrash und Epik.
Melancholische Zupfgitarren, flankiert vom bardenhaftem Klargesang von Ruth Börner Staub (SOULBURNER), in dessen mittelalterlich anmutenden Duktus leiten "The Earth Hath Opened Her Mouth", das dritte vollständige Studioalbum von ADORNED GRAVES aus der Pfalz, zauberhaft ein. Damit knüpft der Auftakt der neuen Scheibe direkt an das Ende des Vorgängers "Being Towards A River" (2020) an, und der tolle Opener versprüht damit direkt zunächst noch zarte Vibes von JETHRO TULL und OUGENWEIDE, einen Anflug von dezent krautrockiger Epik und einen Hauch der epischen Momenten der frühen FATES WARNING-Werke. Direkt im Anschluss wird es mit 'Pilgrim's Path' und der Stimme von Herbie Langhans richtig metallisch, mit gediegener Härte zwischen thrashigen und epischen Elementen, wie wir sie in ähnlicher Form und Kombination vielleicht auch bei MANILLA ROAD in der zweiten Hälfte der Achtziger finden konnten. Bei 'Progenitors' gehen die leadgitarrenlastigeren Arrangements noch einen Tick mehr in die Thrash-Metal-Richtung und bilden dadurch einen wunderbar intensiven Kontrast zu den dunklen, beschwörenden Vocals von Kobi Farhi (ORPHANED LAND), die sich in einem intensiven Banger ausgezeichnet machen, der in seiner Struktur und Melodik ein wenig an MORGANA LEFAY oder SANCTUARY erinnert.
Ihr seht, schon beim Aufschlag mit den ersten drei Stücken ist ein hohes Maß an Abwechslungsreichtung geboten, doch die Jungs von ADORENED GRAVES wären nicht sie selbst, gelänge es ihnen nicht, trotz der mannigfaltigen stilistischen Einflüsse und der verschiedenen Stimmen, ein Album aus einem Guss zu erschaffen. Mit 'Valley Of Achor' bündelt das Quartett die stilistische Bandbreite der Einflüsse direkt in einem einzelnen Song und fängt dabei doomig und beschwörend an, steigert sich jedoch mit zunehmender Dauer immer weiter in thrashige Dimensionen, die immer wieder fast schon an den Death Metal angrenzen. Dale Thompson von BRIDE dürfte hier mit seiner Gesangsleistung allerlei Fans von Stimmen wie Charles Rytkönen, Tim Owens oder gar Matt Barlow begeistern, während die Riffwand von Cailen und Wormser auch immer mal wieder die Brachialität früher ICED EARTH-Zeiten zu zitieren scheint. Doch auch hier findet man immer wieder, und vor allem zur Coda hin, zurück zu relaxten, psychedelischen, epischen Momenten mit unverzerrten Akkorden und in einen erhabenen Rezitativ, der auch SAVIOUR MACHINE gut zu Gesicht stünde.
Eine gnadenlose, mal blastende, mal groovende Death/Thrash-Keule hält die Band für uns in Form des von Deafon gesungenen 'Son Of Soil' bereit, und der Drummer shoutet mit der ganzen Brachialität und Derbheit einer Mischung aus MAYHEMs Maniac und MESSIAHs Tschösi, oder um im biblischen Fach zu bleiben, im Stile von Roger Martinez (VENGEANCE RISING). 'Beyond The Silence', dem kein Geringerer als PRAYING MANTIS-Fronter John Cuijpers seine Stimme leiht, windet sich als starker Epic Doom zähflüssig und zupackend aus den Boxen und hat gleichermaßen CANDLEMASS- und BLACK SABBATH-Vibes, sowie einen vokalen Duktus, der ein wenig an Ronnie James Dio gemahnt. Orgelklänge und ein neuerlich schleppendes Riff vor ruhiger Perkussion leiten 'On A White Pale Hill' ein, das sich jedoch schnell in einen nackenbrechenden Midtempo-Thrasher mit einigen doomigen Slow-Breaks entwickelt, irgendwo zwischen SOLSTICE und SEVENTH ANGEL, und der Letzteren Gitarrist Simon Bibby hat das Stück mit sonorer, wuchtiger Stimme auch im Duett mit Cailen eingeshoutet. Das ist quintessenzieller GRAVES-Stoff, der immer auf des Messers Schneide zwischen Doom und Thrash wandelt und dabei packende Melodien und große kompositorische Finesse offenbart, denn die Band schafft das Kunststück immer wieder, sich bei dem stilistischen Spagat weder zu verheben noch zwischen die Stühle zu setzen.
Da sich auch ein ausgesprochener Longplayer mit 74 Minuten Spielzeit irgendwann dem Ende zuneigen muss, führt uns das zunächst von Wormsers Akustikgitarren, Keyboard und Lupus' Bass geprägte, und sich später rockig, positiv, lebendig ausbauende Instrumental 'Wind Over Glen' in das letzte Drittel des Werkes. Dort servieren uns die Jungs aus Kaiserslautern mit 'Vaults And Caverns' und Chris Ackermann (MARTYR, BETRAYAL) am Mikro einen brachialen Death-Thrasher, gefolgt von der schleppenden, grimmigen Walze 'Lord Of The Stone', welcher Jordan Cutajar von Maltas Doom-Helden NOMAD SON seine Stimme leiht. Wenn das Album schließlich mit 'Epitaph II' und der Stimme von Colin Hendry (WYTCH HAZEL) verklingt, schlägt man nochmals den Bogen sowohl zum Anfang des Albums als auch zur Stammband des Gastsängers, indem man auf besonders epische Weise den Prog Rock der Siebziger mit folkigen Einflüssen verwebt.
Am Ende bleibt schlicht die Erkenntnis, dass ADORNED GRAVES einmal mehr ein tolles, und, bei allem Abwechslungsreichtum auch am Stück gehört, völlig schlüssiges panmetallisches Traditionalistenwerk gelungen ist. Auch dessen unverzichtbare Befassung mit Motiven und Textfragmenten aus Altem und Neuem Testament, die Pilgerreise über Stock und Stein und die Reise ins Erdinnere, ist lyrisch wie konzeptionell großartig umgesetzt. Im Bereich der Eigenpressungen, aber auch weit darüber hinaus, setzt diese Band durchaus Maßstäbe, weshalb euch eine Erkundung ganz dringend empfohlen wird.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle