AGENT STEEL - Alienigma
Mehr über Agent Steel
- Genre:
- Speed Metal
- Label:
- Mascot
- Release:
- 07.09.2007
- Fashioned From Dust
- Wash The Planet Clean
- Hail To The Thief
- Liberty Lying Bleeding
- Hybridized
- Extinct
- Wormwood
- W.P.D. (World Pandemic Destruction)
- Tiamat's Fall
- Lamb To The Slaughter
Verdammt lange ist es her, seit das Metal-Urgestein AGENT STEEL uns mit neuen Ergüssen über Außerirdische und Verschwörungen erfreut hat. Entsprechend groß war die Vorfreude, denn die Band um den sympathischen Riffmeister Juan Garcia ist eine der letzte verbliebenen Bands der glorreichen Anfangstage des Speed Metals. Man könnte gar so weit gehen, zu behaupten, sie hätten eben diesen mitbegründet. Immerhin datiert ihre Gründung zurück bis in die frühen 80er Jahre, wenn der Erstling auch erst im Jahr 1985 den Underground aufschrecken durfte. "Skeptics Apocalypse" betitelt, enthält dieser, ursprünglich als Demo produzierte Tonträger neun Kompositionen, die trotz ihrer kurzen Gesamtspieldauer und des mäßigen Klangbildes heute den Titel "Klassiker" mehr als rechfertigen. Keine andere Band kombinierte intelligentes High-Speed-Riffing derart gekonnt mit solch hohen Wundergesängen.
Der damals gern verwendete Terminus "IRON MAIDEN on Speed" traf die Sache einigermaßen, zeigte aber auch, dass man sich sehr schwer tat, AGENT STEEL vernünftig zu klassifizieren. John Cyriis' extreme Stimmlage verlieh der Band, die musikalisch auch gern im thrashigen Bereich agierte, immer wieder höchst eingängige Elemente, und auch die Gitarrenhooks von Juan und Kurt Kilfelt, der uns später mit seiner Band HOLY TERROR ähnlich grandiose Musik um die Ohren knallte, lassen Nummern wie 'Bleed For The Godz' oder 'Agents Of Steel' zu unvergänglichen Evergreens werden. Von der Bandhymne '144.000 Gone' will ich gar nicht erst reden.
Wurde man auf dem nachfolgenden Werk "Unstoppable Force" etwas zahmer, so vergaß man im Gegensatz zu einigen Artverwandten nicht seinen Ursprung und verzauberte die Fans mit mystischen Halbballaden a la 'The Traveller', die neben gewohnt brachialem Material der Klangwelt von AGENT STEEL nur ein paar weitere Farbtupfer hinzufügen konnten. Es kam, wie es kommen musste: Man trennte sich im Streit, da Querdenker Cyriis seinen Dickschädel immer und überall durchsetzen musste und außer Drummer Chuck Profus alle weiteren Mitglieder eine weitere Zusammenarbeit mit ihm für unmöglich hielten. Das war im Jahr 1988. Zehn volle Jahre später finden sich in Chuck und Juan sowie Michael Zaputil (bs.) und Bernie Versailles (gt.) das komplette Line-Up des zweiten Longplayers unter der Namen ORDER OF THE ILLUMINATI zusammen, da Cyriis die Namensrechte nicht freigeben will. Auf einem Drei-Song-Demo präsentiert man der Öffentlichkeit den neuen Sangesgott Bruce Hall, der sofort zu begeistern versteht. Dieses Demo bringt der Band einen Deal mit Candlelight Records ein, die 1999 das gefeierte Comeback-Werk "Omega Conspiracy" veröffentlichen. In der Zwischenzeit hat man die verhärteten Fronten mit Cyriis geglättet und darf wieder unter altbekanntem Banner agieren.
AGENT STEEL haben nichts von ihrem alten Glanz verloren und schaffen den Spagat ins neue Millennium. Nicht mehr an Bord ist aber bereits Michael, der von Garcias' altem Wegbegleiter aus EVIL DEAD-Tagen Karlos Medina ersetzt wird. Nach glanzvollen Liveauftritten, bei denen Bruce Hall sein ganzes Können unter Beweis stellt, folgt anno 2003 mit "Order Of The Illuminati" der nächste musikalische Genickschlag. Erneut wurde die Menge der Original-Mitglieder gesenkt, denn Chuck Profus durch von Rigo Amezuca ausgetauscht. Soviel zur Vorgeschichte.
Völlig heiß schiebe ich nun also "Alienigma" in den Player und bin nach dem ersten Durchlauf erstmal irritiert und auch etwas enttäuscht. So richtig hängen bleiben wollte da gar nichts und die - ich nenne sie einfach einmal so - mystischen Momente scheinen völlig zu fehlen. Außerdem singt Bruce deutlich aggressiver als auf den Vorgängern, was aber zum ebenfalls aggressiveren Gesamtsound gut passt. Sollten AGENT STEEL in die "Modernitäts-Falle" gestolpert sein? Kaum vorstellbar, denn mit Bill Metoyer hat man den alteingesessenen Metal Blade-Hausproduzenten an den Knöpfchen gehabt und Bernie himself hat noch letzten Feinschliff addiert. Also erneut den Rundling in Rotation gebracht und mehrfach intensiv gehört. Und siehe da, plötzlich zünden die Melodien, die sich unter dem deutlich düsteren Gewand versteckt hielten - und vor allem 'Tiamat's Fall' lässt mich mit seiner exzellenten Melodieführung trotz des rasanten Tempos unwillkürlich zum Booklet greifen und lauthals mitsingen. Begeisterung auf Nachbars' Balkon. Ist mir aber völlig schnuppe, diese Bridge muss ich einfach mitgrölen.
Desweiteren erfreut 'Wash The Planet Clean' mit diesem treibenden Grundrhythmus, der schon 'Never Surrender' zu einem absoluten Highlight des bandinternen Backkatalogs gemacht hat. In diesem Song zeigen sich die typischen Merkmale des aktuellen AGENT STEEL-Soundes: Neben glasklaren, Gläser zerberstenden Gesängen agiert Bruce immer wieder mit tiefen, teils heiseren Shouts, an die man sich von ihm erst einmal gewöhnen muss. Dazu addieren sich schlau eingestreute Backing Vocals, die man sehr schnell als Widerhaken des Wiedererkennens wahrnimmt. Ich ahne, dass gerade jüngeres Publikum von dieser ungewohnt aggressiven Spielweise begeistert sein wird. Die älteren Semester, die, wie ich, mit einer Erwartungshaltung an ihre alten Helden heran treten, werden eventuell verschreckt sein. Man sollte eine Band aber nicht immer nur an ihren vergangenen Werken messen, wobei gerade AGENT STEEL auch bei dieser Herangehensweise keine schlechte Figur machen. Vor allem die exzellenten, immer wieder hoch-melodischen Solospots beider Gitarristen werden alle Anhänger der Band völlig begeistern. Hier sind echte Meister am Werke, die einfach ein unglaubliches Gespür für Gänsehaut-Hooks haben.
Sicher, all das macht noch keinen guten Song, aber 'Liberty Lying Bleeding' beispielsweise hätte auch problemlos auf den beiden Vorgängern stehen können und verfügt neben dem allgegenwärtigen Groove auch noch über die ach so wichtige Melodik-Komponente. Nebenbei singt Mister Hall hier auch noch vorwiegend herrlich klar. Und ähnliches kann ich über das lange 'Wormwood' berichten. Eher schleppend ausgerichtet, kegelt uns diese Nummer ins 80er-Jahre-Universum und verbrämt unsere Thrash-With-Class-Milchstraße mit einer herzzerreißenden Akustik-Versatz-Passage. Neben dem oben erwähnte 'Tiamat's Fall' ein zweiter Kandidat für meine 2007er-Charts. Aber das nur am Rande.
Neben diesen Killer-Kompositionen gibt es mit 'W.P.D. (World Pandemic Destruction)', welches mit einem seltsam, modernen Riffing aus der Reihe tanzt und dem abschließenden 'Lamb To The Slaughter', bei welchem man es mit dem Tempo etwas übertreibt, allerdings auch zwei "gewöhnungsbedürftige" Titel, die bei mir auch nach etlichen Durchläufen nicht zünden wollen.
Ich bin nach anfänglicher Ernüchterung ziemlich begeistert von "Alienigma", kann aber nachvollziehen, wenn man als eingefleischter Fan der Band eventuell etwas enttäuscht ist.
Anspieltipps: Tiamat's Fall; Wash The Planet Clean; Wormwood; Liberty Lying Bleeding; Hail To The Thief
- Redakteur:
- Holger Andrae