AGRYPNIE - Aetas Cineris
Mehr über Agrypnie
- Genre:
- Post Black Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Supreme Chaos Records (Soulfood/ Plastichead)
- Release:
- 15.03.2013
- Trümmer/ Aetas Cineris
- Dezember
- Zurück
- Kosmos (Alpha)
- Gnosis
- Erwachen
- Sinnflut
- Asche
Der nächste Streich der deutschen Black-Metal-Institution
Zwar wurden die legendären NOCTE OBDUCTA, welche dieser Tage auch ein neues Album unters Volk bringen werden, vor zwei Jahren bereits reaktiviert, vergessen darf man AGRYPNIE darüber aber keinesfalls. Es gibt sie immer noch und sie sind stärker als je zuvor! Die Band um NOCTE-Sänger Torsten, dort bekannt mit dem Beinamen "der Unhold", wurde in den letzten Jahren mit mittlerweile drei Alben in petto zu einer der größten deutschen neueren Black Metal Bands. "16[485]", das letzte Album, liegt jetzt auch schon vier Jahre zurück und zwischenzeitlich gab es nur die EP "Asche" von 2012. "16[485]" habe ich bei Erscheinen sehr intensiv und auch ein Stück weit tot gehört, sodass ich die massiven Lorbeeren auf lange Sicht nicht zu 100% gerechtfertigt fand.
Auf der einen Seite sind dann auch auf „Aetas Cineris“ alle AGRYPNIE-typischen Trademarks vertreten: Klassische Black-Metal-Elemente treffen auf abgehackte Stakkato-Riffs, abgelöst von großflächigen Gitarrenwänden oder akustischen Intermezzi. Man präsentiert hier vielleicht sogar den wärmsten Sound der bisherigen Bandgeschichte, auch wenn mir der Drum - insbesondere der hohle Snare-Sound - auch auf diesem Output etwas auf die Nerven geht. Andererseits ist diese klinische Atmosphäre auch gewollt, schön unterstützt und transportiert von der markanten, deutlichen Stimme Thorstens. Und natürlich von den deutschen Texten, die auf der einen Seite persönlich sind, auch berührend sein können, in ihrer urbanen Tristesse auch innerhalb des Genres herausstechend (es irritiert einen doch unweigerlich, hört man in einem Black-Metal-Song, so modern er auch sein mag, das Wort „Großstadtverkehr“, oder nicht?). Gleichzeitig sind sie auch auf „Aetas Cineris“ noch immer pathetisch und mir teilweise zu direkt, aber zum Glück nie peinlich, zumindest das, was man heraushören kann.
Das kennt man alles wie gesagt auch von älteren AGRYPNIE. Wie ist es um die Neuerungen bestellt? Nun, ich habe den Eindruck, dass auf "Aetas Cineris" eher episch, auf Atmosphäre bedacht, agiert wird. Auch die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache: "16[485]" hatte zehn Stücke und brachte es auf 70 Minuten Spielzeit, "Aetas Cineris" hat zehn Minuten mehr, aber nur Acht Stücke. Ein derart offensichtlich rockender Riff oder gar Anfang wie man es von "Verfall" kennt, fehlt hier völlig. Wo einstmals zunächst mal gerifft und geschickt mit melodisch-elegischen Momenten aufgelockert wurden, scheint es hier bisweilen genau andersherum: Die allgemein selbst in Blastpassagen getragene Melancholie wird zwischenzeitlich von brutaleren Ausbrüchen unterbrochen und dabei nie monoton im Sinne von langweilig. Entsprechend der Tatsache, dass drei der Stücke länger als zehn Minuten sind, wurden die Arrangements noch ausgefeilter, man könnte sagen, etwas progressiver. Die Leadgitarre wirkt etwas zurückgenommen, was auch ein Grund ist, warum sich nicht direkt ein derartiger "Hit" wie 'Kadavergehorsam' herauskristallisiert. Im Zentrum des Albums steht 'Kosmos (Alpha)', ein längeres, ambientiges Zwischenspiel, welches bis auf sein Ende wieder als natürlicher Angel- und Ruhepunkt des Albums dient und für das Matthias Grassow, den man schon von dem Intro und Outro des letzten Albums kennt, wieder die Soundcollagen beigesteuert hat. Die Anspielung bei 'Kosmos (Alpha)' auf die "Asche" EP ist deutlich und gewinnt an Sinn, da die nächsten zwei Stücke Bekannte aus jüngerer Zeit sind, nämlich 'Gnosis' und 'Erwachen', welche man ja schon gegebenenfalls von besagter EP her kennt. Dieses 'Gnosis' - oder zumindest seine erste Hälfte - bildet in seinen ungestümen Teilen einen wohltuenden Gegenpol zu all der Elegie des restlichen Albums. Dabei macht dieser etwas längere, zweite Teil von "Aetas Cineris" auf mich sogar einen ruhigeren Eindruck. Selbst 'Gnosis' hat leise Stellen und die letzten Minuten von 'Sinnflut' sind sehr introvertiert. 'Asche', das sich daran anschließende letzte Stück ergeht sich gar acht Minuten lang in sanften Akustikgitarren plus verträumte, eher lautmalerische Klargesänge, so das man sich schon bei der Harmonie von ALCEST wähnt, bevor einen das elektrisch verstärkte Kollektiv wieder in die Tristesse der vorhergehenden Stücke zurückreißt. Dann zwei Plötzliche, abgehackte Schlussakkorde und "Aetas Cineris" verstummt.
Es mag vielleicht der Eindruck entstehen, "Aetas Cineris" sei weichgespülter und es mangelte ihm an Wucht und Spannung. Das wäre sicherlich ein Fehlschluss. Das Album erscheint "erwachsener", eher trauriger als aggressiv im Vergleich zu "16[485]". Man kann sich jetzt streiten ob vielleicht ein oder zwei direkte, griffige Attacken das Ganze auflockern würden, andererseits: Wer will diese dichte, intensive Atmosphäre lockern? Alles wirkt wie aus einem Guss, klug und bestimmt arrangiert und platziert, vom elegischen Beginn des Openers 'Trümmer/ Aetas Cineris', bis zu den überraschenden Klängen von 'Asche'. Ein fabelhaftes Album, mit dem AGRYPNIE ihre Stellung in der deutschen Black-Metal-Landschaft weiter untermauern.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Christian Schwarzer