AIWAZ - Darrkh... It Is!
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/24
Mehr über Aiwaz
- Genre:
- Progressive Metal / Epic Doom
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Hammerheart Records
- Release:
- 25.10.2024
- Darrkh... It Is!
- The Ghost That Once Was I
- In This Silence
- Cemetery Of Hearts
- Garden Of Despair
- When Judas Spins The Wheel
Melancholische Prog- und Doom-Klänge liefern den perfekten Herbst-Soundtrack.
Ein sehr geschmackssicher und mir musikalisch vertrauensvoller Print-Kollege hatte das hier vorliegende Album wohl als einer der ersten Glücklichen zur Lauschung vorliegen und dieses bereits vor längerer Zeit in schwindelerregend hohen Tönen über den tiefdunklen Klee gelobt. Als ich dann im Vorfeld auch noch von einer Melange aus QUEENSRYCHE, SOLITUDE AETURNUS, MARILLION, GHOST und MY DYING BRIDE gelesen hatte, war es auch um meine Geduld langsam geschehen, zumal ich wusste, dass mit Arkadius Kurek von WHEEL einer der besten Doom Metal-Sänger der nationalen Szene (wenn nicht sogar DER beste) hier ein Teil des Zwei-Personen-Kollektivs AIWAZ ist. Er hat dieses bereits 2017 zusammen mit Timo Maischatz gegründet, der hier für alle Instrumente (!) verantwortlich zeichnet.
Nun lag auch mir eines schönen Tages endlich das Liedmaterial vor. Von besagtem Review und den erwähnten Referenzen mächtig angefixt, wusste ich zwar nicht genau, was mich hier denn nun erwarten würde, allerdings war ich nach dem ersten absolvierten Spin vielleicht nicht unterwältigt, aber definitiv auch nicht über die Maßen überwältigt gewesen. Das muss aber bei einem Album, dessen Stärken sich erst nach und nach mit jedem weiteren Durchlauf erschließen, natürlich nicht viel bedeuten. Also, liebe Hörerschaft. Wir haben es hier mit einem klassischen Grower-Album zu tun. Drei, vier (auch sehr intensive) Hörgänge werden hier also bei weitem nicht ausreichen, um das ganze Werk in all seinen wunderbaren Details zu erfassen und damit so richtig warm zu werden.
Der titelgebende Song 'Darrkh... It is!' lässt die Grundstimmung des Albums schon erahnen: Der musikalische Kurs ist auf Tristesse und Melancholie ausgerichtet. Ein sich rasch ins musikalische Stammhirn einnistendes Grundriff, süßlich-schwermütige Streicher, sowie die fabelhafte und unfassbar ausdrucksstarke Stimme von Arkadius, wechselnd von cleanen Vocals zu Death Metal-artigen Growls, mit denen ich mich, Stand jetzt, noch ein wenig schwer tue. Aber dazu später mehr. Das sind die Hauptzutaten, die das Album eröffnen und den Hörer zugleich in emotionale Gefilde mitreißen, denen sich in vollem Ausmaß hinzugeben ja sehr schön und emotionell fordernd zugleich sein kann.
Es folgt mit 'The Ghost That Once Was I' eine melancholische balladenhafte Nummer, die in ihrer ganzen Darbietung und Atmosphäre so unaussprechlich betörend ist, dass man das Stück eigentlich gleich in Dauerschleife hören möchte. Möglicherweise könnte der Song zum unvergänglichen und ewigen Doom-Evergreen werden, wie es Songs wie 'Mirror Of Sorrow' von SOLITUDE AETURNUS und 'Solitude' von CANDLEMASS heute auch sind. Damit will ich den Song auch nicht weiter mit öden Vokabeln entzaubern. 'In This Silence' bezieht starke Einflüsse von den im Pressetext bereits namentlich genannten MY DYING BRIDE mit ein, ohne jedoch deren oft nah am Kitsch kratzenden Melodiebögen zu kopieren. Die Gitarrensoli, sowohl hier als auch in anderen Songs, dienen einzig und allein der Atmosphäre. Wenig Noten, hohe Strahlkraft! So soll es sein. Es schließt sich mit 'Cemetary Of Hearts' ein weiteres Stück auf Top-Niveau an, gefühlvoll und intensiv bis in die Tonspitzen. Mich erinnert der Song in seiner ganzen traurig-lauschigen Geschmeidigkeit ein wenig an die herrlich melancholischen Glanztaten aus der kompositorischen Feder eines Patrick Walker (WARNING, 40 WATT SUN). 'Garden Of Despair' ist wieder so ein fantastisch verträumtes Stück mit potenziellem Klassikerstatus, welches mich gesanglich, aber auch der elegischen Gitarrenmelodien wegen, in seinen ruhigen Momenten etwas an die verblichenen MAYFAIR erinnert. Es wartet mit kaum merkbaren, aber dafür umso wirkungsmächtigeren Wendungen auf und kann mit einem epischen und brillanten Mittelteil punkten. Tonkunst deluxe! Als Albumcloser fungiert 'When Judas Spins The Wheel', welches der MY DIYNG BRIDE-Fraktion wiederum die schwarzen Herzen öffnen dürfte. Unprätentiöser melodischer Doom Metal mit Riffs und Gitarrenleads zum absoluten Niederknien.
Selten zuvor habe ich auf sechs Songs und fünfzig Minuten verteilt so viele Gänsehautmomente und einzigartige Gesangsharmonien wir hier erleben dürfen. Die Stücke generieren hier Momente für die berühmte Ewigkeit und gedeihen mit jedem Durchlauf ein wenig mehr. Arkadius' bewegenden Texte behandeln Themen wie Verlust und Sehnsucht, während Timos musikalische Arrangements den passenden Hintergrund für diese lyrischen Einlassungen bilden. Einzig und allein die (glücklicherweise nur dezent) eingestreuten Growls auf den beiden Stücken 'Darrkh... It is!' und 'In This Silence' irritieren mich bisher. Sie mögen aus lyrischer Sicht vielleicht Sinn ergeben, stören für mein Hörempfinden den musikalischen Fluss aber doch ein wenig. Aber vielleicht ändern auch kommende Durchläufe dieses momentane Empfinden noch.
Da es sich hier um den ersten Teil einer geplanten Trilogie handelt, dürfen wir mehr als gespannt sein, wohin die beiden Ausnahmekünstler die weitere musikalische Erkundungstour führen wird. Wenn die beiden Musiker ihrer Linie allerdings auch weiterhin treu bleiben und mit verhältnismäßig minimalistischen Arrangements größtmögliche Wirkung wie hier erzielen, sehe ich da wieder mächtig Großes auf uns zukommen.
Anspieltipps: The Ghost That Once I Was, Garden Of Despair
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Stephan Lenze