ALKALOID - Liquid Anatomy
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2018
Mehr über Alkaloid
- Genre:
- Extreme Progressive Death Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Seasons Of Mist
- Release:
- 18.05.2018
- Kernel Panic
- As Decreed By Laws Unwritten
- Azagthoth
- Liquid Anatomy
- In Turmoil's Swirling Reaches
- Interstellar Boredom
- Chaos Theory And Practice
- Rise Of The Cephalopods
Die Kopffüßer regieren!
Bei dem Line Up, das hinter ALKALOID steht, sollte dem geneigtem Death-Metal-Hörer mit starkem Frickeldrang die Kinnlade offenbleiben. Es handelt sich nämlich um eine der Todesblei-Eliten überhaupt: 2013 vom Schlagzeuger Hannes Grossmann (OBSCURA, BLOTTED SCIENCE, NECROPHAGIST) und Morean (DARK FORTRESS, NONEUCLID) an den Gesängen und Gitarre gegründet, wurde das Line Up durch zwei weitere Saitenhexer, namentlich Christian Muenzner (OBSCURA, NECROPHAGIST, SPAWN OF POSSESSION) und Danny Tunker (ABORTED, GOD DETHRONED), sowie Bassist Linus Klausenitzer (OBSCURA) ergänzt. Das Debüt "The Malkuth Grimoire" erschien 2015.
Viel mehr müsste man zu "Liquid Anatomy" eigentlich nicht schreiben, denn die Namen stehen für sich. Mit dem Hintergrundwissen wird man nach den ersten Takten vom Opener 'Kernel Panic' jedoch sehr stutzig. Habe ich eine falsche Platte aufgelegt? Hat das Presswerk da was vertauscht? Denn was ich da höre, klingt eher nach Alternative-Gedudel, als Death Metal. Und dann bricht wie aus allen Wolken urplötzlich die Hölle los und prügelt alles kurz und klein - nur, um anschließend wieder auf braven Studentenrock zu machen.
Humor haben die Herren auf jeden Fall, keine Frage. Doch auch im weiteren Verlauf werde ich den Eindruck nicht los, dass die bereits im Opener präsenten Klargesangseinschübe wie ein Fremdkörper dem Death-Metal-Unterbau übergestülpt werden. Ich bin ja durchaus ein Freund von gegensätzlichen Gesängen, aber ALKALOID hätte sich einen besseren Gefallen getan, ein knüppeldickes Death-Metal-Album zur veröffentlichen, denn in dem Metier, wen wundert's, sind die Herren unangreifbar.
Je mehr Death Metal also, desto besser? In diesem Fall ja. Denn die Klargesangseinschübe wirken im Vergleich mit den amtlichen Growls etwas blass und gesichtslos. Ganz im Gegenteil zu den Riff-Monstern, die beispiellose Extrem-Metal-Kunst sind. Dazu gesellt sich das versierte Schlagzeugspiel Hannes Grossmanns als weiteres diabolisches Sahnehäubchen. Doch das bringt nicht viel, wenn die Songs keine Substanz haben und dabei Nummern wie die dröge Death-Metal-Ballade (?) 'Liquid Anatomy' oder das patchworkige 'In Turmoil's Swirling Reaches' rauskommen. In der ersten Albumhälfte hält eigentlich nur 'As Decreed By Laws Unwritten' die Fahne hoch, eine mächtige Todeswalze von Song!
Das ist unterm Strich dennoch enttäuschend - wären da nicht noch drei Tracks in petto, die "Liquid Anatomy" in einem gänzlich besserem Licht darstellen. Den Anfang macht das brillant titulierte 'Interstellar Boredom', dem Track nimmt man sofort ab, das hier Meister am Werk sind, was für ein geiler Spannungsbogen und höre da: Auf einmal passt auch der Klargesang! Auch 'Chaos Theory And Practice' wird seinem Titel mehr als gerecht, so könnte eine vertonte Chaostheorie tatsächlich klingen. Und dann, ja dann folgt der totale Wahnsinn, der auf 'Rise Of The Cephalopods' hört und in 20 Minuten (!) den Aufstieg der Kopffüßer (= Cephalopoda, also krakenähnliche Wesen wie etwa Cthulhu) besingt. Und wer glaubt, dass das nichts werden kann, soll zu den Fischen gehen, denn der Song ist sehr intelligent geschrieben und bietet geballte Death-Metal-Unterhaltung auf höchstem Niveau. Die 20 Minuten vergehen wie im Fluge, um sie zu verstehen, braucht es natürlich etwas Muße. Doch dann hat 'Rise Of The Cephalopods' das Zeug dazu, als einer der besten Longtracks des Genres durchzugehen.
"Liquid Anatomy" ist also eine relativ ambivalente Angelegenheit, die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen "bleibt hinter den Erwartungen" und "großes Extrem-Metal-Kino".
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Jakob Ehmke