AMOS, TORI - American Doll Posse
Mehr über Amos, Tori
- Genre:
- Rock/Pop
- Label:
- Epic/Sony BMG
- Release:
- 27.04.2007
- Yo George
- Big Wheel
- Bouncing Off Clouds
- Teenage Hustling
- Digital Ghost
- You Can Bring Your Dog
- Mr. Bad Man
- Fat Slut
- Girl Disappearing
- Secret Spell
- Devils And Gods
- Body And Soul
- Father's Son
- Programmable Soda
- Code Red
- Roosterspur Bridge
- Beauty Of Speed
- Almost Rosey
- Velvet Revolution
- Dark Side Of The Sun
- Posse Bonus
- Smokey Joe
- Dragon
Angebetet habe ich es, das letzte TORI AMOS-Album "The Beekeeper", der endgültige Schlüssel in die Welt des charismatischen Multitalents und gleichzeitig das wohl persönlichste, introvertierteste Werk in der Historie der nunmehr schon 43-jährigen Komponistin. Was sollte also auf dieses durch und durch homogene, ausgeglichene Album folgen? Nun, wer die Karriere des Chamäleons TORI AMOS etwas intensiver verfolgt hat, konnte eigentlich schon erahnen, dass die Dame sich für ihre neue Platte erneut stark wandeln und musikalisch komplett neue Wege beschreiten würde. So ist es bislang immer gewesen, und so setzt es TORI auch auf "American Doll Posse" eindrucksvoll, wenn auch zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, fort.
Nach den zahlreichen Piano-Balladen auf "The Beekeeper" hat sich TORI AMOS für ihr aktuelles Werk wieder eine komplette Bandbesetzung ins Studio geholt und ihrem Börsendorfer-Flügel weitaus geringere Freiräume zugestanden. Mit dem politisch motivierten Einstiegssong 'Yo George', AMOS' persönlicher Abrechnung mit dem derzeitigen amerikanischen Präsidenten, welches noch von einer sanften Piano-Melodie getragen wird, überrascht das darauf folgende 'Big Wheel' mit arg rockigen Rhythmen und niemals erwarteten Grooves. Nanu, was war denn das? Im Laufe der Spielzeit gelingt es TORI zwar wieder, die Nummer in ihren typischen Klangkosmos zu übertragen, doch überraschend ist diese überfallartige Verwendung vergleichsweise untypischer Elemente dann doch.
Das geniale 'Bouncing Off Clouds' bringt TORI dann zurück in eine Zeit, in der sie mit "Y Kant Tori Read" Popmusik mit 80er-Touch spielte. Ein toller Chorus und eine feine Melodie tragen den Song und sollten vor allem "Little Earthquakes"-Fans überzeugen. Mit Vergleichen aus dem eigenen Katalog ist es aber auf "American Doll Posse" im steten Verlauf nicht besonders weit her. AMOS ist ständig darum bemüht, musikalisches Neuland zu betreten und kokettiert mit Swing, Jazz, Latino-Rhythmen und 60er-Rocksounds. Dazu gesellen sich fabelhafte Streicher in 'Programmable Soda', weitere 80's-Pop-Einflüsse in 'Secret Spell', BEATLES-Einflüsse in 'Digital Ghost' und der altbekannte KATE BUSH-Vergleich in 'Dragon' und 'Mr. Bad Man'.
Mitten in diesem Overkill von Emotionen und der freizügigen Offenbarung musikalischer Unabhängigkeit findet TORI dann aber auch immer wieder zu sanften Klängen zurück. 'Devils And Gods' bietet einen wohligen Kontrast zwischen rauem Gesang und leichter Instrumentierung, 'Posse Bonus' und 'Smokey Joe' zeigen die Sängerin in sich gekehrt und dennoch experimentierfreudig, 'Roosterspur Bridge' ist vielleicht die Ballade schlechthin auf der neuen Platte und 'Almost Rosey' ein Monumentalwerk sondergleichen wie es wohl nur eine TORI AMOS darbieten kann. Ganz klar der beste Albumtrack und eine der definitiven Top-10 in knapp anderthalb Dekaden Solokarriere.
TORI Tausendsassa, und dies nicht nur musikalisch sondern auch bezogen auf Texte, Artwork und Konzept. Beeinflusst von der griechischen Mythologie schlüpft die Titelheldin in die Rolle fünf unterschiedlicher Damen oder Göttinnen, ganz wie man will. AMOS, Feministin aus Überzeugung, möchte hiermit die Vielseitigkeit der Weiblichkeit betonen, indirekt auch ihre gesellschaftliche Rolle in all ihren Facetten darstellen, was sich neben den kreativen Darstellungen von Santa, Isabel, Clyde und Pip sowie TORI selber auch in den darauf abgestimmten Texten widerspiegelt, in denen von politischen bis hin zu bewegenden persönlichen Geschichten alles vertreten ist. Nicht nur die Idee (die auch auf der anstehenden Tournee in der Performance umgesetzt werden soll: je nach Stimmung will die Künstlerin eine dieser fünf Figuren und Songs der anderen 'covern'), sondern auch ihre Umsetzung ist auf "American Doll Posse" schlichtweg fabelhaft. TORI AMOS hat nicht nur ein musikalisches Werk erschaffen, sondern ein kompaktes, wenn auch unheimliches vielschichtiges Kunststück, das jedoch auch wieder eine Herausforderung für die Hörerschaft darstellt.
"American Doll Posse" ist weitaus sperriger als noch "The Beekeeper" und in Sachen Komplexität mit "Boys For Pele" zu vergleichen, wenngleich die Emotionen hier eher zynisch verarbeitet werden. Es ist auf jeden Fall ein sehr eigenständiges, experimentelles Album, welches Inhalte miteinander verknüpft, die man von TORI lange nicht mehr bzw. noch nie gehört hat und damit mit der (unbewusst) kommerzielleren Ausrichtung der letzten Werke völlig bricht. Ob ich "American Doll Posse" deshalb für genauso brillant wie das vorherige Album halte, weiß ich nach zweiwöchiger Dauerbeschallung immer noch nicht. Nur soviel: Ich liebe TORI dafür, dass sie ihre künstlerische Freiheit so eingeschränkt ausnutzt und sich von Album zu Album selbst neu erfindet. Ihre neue CD ist lediglich ein weiterer Schritt in Richtung Unsterblichkeit und möglicherweise das ambitionierteste und facettenreichste Werk ihrer Karriere. Bei so viel Eleganz kann man schließlich nur den Hut ziehen - und danke sagen, dass diese Frau einst den Weg ins Musik-Business gefunden hat.
Anspieltipps: Yo George, Bouncing Off Clouds, Mr. Bad Man, Roosterspur Bridge, Almost Rosey, Dark Side Of The Sun, Dragon
- Redakteur:
- Björn Backes