AMOS, TORI - Gold Dust
Mehr über Amos, Tori
- Genre:
- Singer / Songwriter
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Deutsche Grammophon/ Universal Music
- Release:
- 28.09.2012
- Flavor
- Yes, Anastacia
- Jackie's Strength
- Cloud On My Tongue
- Precious Things
- Gold Dust
- Star Of Wonder
- Winter
- Flying Durchman
- Programmable Soda
- Snow Cherries From France
- Marianne
- Silent All These Years
- Girl Disappearing
Tori krönt ihre Karriere mit einem Meisterwerk
Jener 8. Oktober 2010 ist immer noch in bester Erinnerung: Trübes Wetter, Stau auf dem Weg nach Amsterdam, eine unvorteilhafte Sitzordnung in der Heineken Music Hall und dann plötzlich diese Wucht, mit der Tori Amos ihr Publikum fast erschlagen hätte. Der Gig mit dem hochgelobten Metropol Orchestra, der gleichzeitig das letzte Lebenszeichen des niederländischen Ensembles sein sollte, war vielleicht der denkwürdigste in 20 Jahren TORI AMOS, da sich hier wirklich alles zusammenfügte, was schon im Ursprung zusammengehörte, aber einfach noch nicht reif für eine Umsetung war. Und selbst vor dem Hintergrund, dass die Spontanität eines üblichen Konzerts der Grand Diva des Singer/Songwriter-Business' ein wenig darunter litt, dass hier strikt nach Programm gearbeitet werden musste (so wurde zum Beispiel ein ganzer Programmteil wiederholt, weil man für einen lokalen Radiosender eine Live-Aufzeichnung eingeplant, aber mit dem Timing nicht so viel Glück hatte), ist das Resultat nicht minder fantastisch gewesen. Wer die Ehre hatte, einen der raren Plätze für den seinerzeit einzigen Europa-Gig von Miss Amos zu ergattern, wird wissen, wovon die Rede ist.
Sollte die Kollaboration mit dem Orchester schließlich das Ende einer Ära bedeuten, so kann man zwei Jahre später beruhigt feststellen, dass diese Zusammenarbeit letztendlich viel mehr der Anfang von etwas ganz Neuem, richtig Großem sein würde. Denn Tori nutzte die Gelegenheit, das Metropol Orchestra im Anschluss an ihr letztes, wiederum sehr symphonische Werk "Night Of Hunters" ins Studio einzuladen und sich mit der prominenten Schützenhilfe durch ihren gesamten Backkatalog zu arbeiten. Herausgekommen ist dabei eine ganz besondere Werkschau, bei der 14 der wichtigsten Kompositionen aus Amos' Laufbahn mit opulenter Ausmalung zu neuen Ehren kommen. Und auch wenn man derartigen Vereinigungen gerne und sicherlich nicht ganz unberechtigt kritisch gegenübersteht, so wird man konstatieren müssen, dass den auserkorenen Nummern nichts Besseres passieren konnte als diese symphonisch geprägte Überarbeitung, die sich nun auf "Gold Dust" wiederfindet.
Erwartungsgemäß hat die Künstlerin es nämlich nicht dabei belassen, die einzelnen Songs hier und dort ein wenig zu pimpen und ihnen lediglich ein orchestrales Geleit zur Seite zustellen. Nein, TORI AMOS wäre nicht TORI AMOS, würde sie diese Herausforderung nicht von ihrer anspruchsvollsten Seite anpacken und die ausgesuchten Stücke von der Pike auf neu bearbeiten. Während der Opener 'Flavor' - überraschenderweise die einzige Wahl vom kontroversen "Abnormally Attractd To Sin", welches damals in Amsterdam noch von 'Maybe California' vertreten wurde - noch vergleichsweise dezent bearbeitet wurde (tolle Piano-Backings, epische Streicher), sind die Veränderungen in 'Yes Anastacia' und 'Jackie's Strength' schon eminenter. Vor allem Erstgenanntes überzeugt mit verspielten Arrangements, geschickten Bläsereinlagen und einer Detailfülle, die den Song in gänzlich neue Sphären hievt. Ihr absolutes Meisterstück hat Tori jedoch im nachfolgnden 'Cloud On My Tongue' abgeliefert. Die Art und Weise, wie hier die kurzen Lücken mit erhabenen Streichern 'gestopft' werden und dem Song ein derart episches Breitband-Feeling verpasst wird, versetzt selbst den hart gesottenen Tori-Liebhaber in tiefstes Staunen. Vielleicht ist es die subjektive Wahrnehmung, die immer dann folgt, wenn etwas Neues jemanden mit Euphorie gefüllt hat, doch momentan könnte kein Song aus der gesamten Laufbahn der britischen Komponistin schöner sein als die hier vorgelegte Orechester-Improvisation.
Doch die Begeisterung soll auch nach den ersten vier Stücken kein bisschen schwinden, und dies vor allem, weil die Musikerin einiges gewagt hat. 'Silent All These Years' bekommt am Ende sogar ein paar komplett neue Vokal-Arrangements verpasst, 'Programmable Soda' entwickelt sich zum Classic-Pop-Song mit völlig neuer Atmosphäre, der Titelsong, der auf "Scarlet's Walk" eher noch unauffällig durchgereicht wurde, überzeugt mit prallen Backings, und selbst ein so üppiger Song wie 'Snow Cherries From France' hat in Sachen Bombast noch Steigerungspotenzial, wie "Gold Dust" nachhaltig beweist.
Derweil segelt 'Winter' erwartungsgemäß sicher in den epischen Heimathafen, 'Star Of Wonder' ist mit der Ausstrahlung von 'Snow Cherries From France' gleichzusetzen, 'Marianne' verliert seine verproggten Nuancen und etabliert sich mit harmonischeren Melodien und 'Precious Things' drängt viel weiter in die klassische Ecke als das eher Rhythmus-betonte Original. Bleibt noch 'Flying Dutchman', eigentlich nur als B-Seite der "China"-Single verwendet, welches hier in völlig neuem Glanz erstrahlt und sich wunderbar in das turbulente Treiben einfügt.
Die einzige Frage, die sich daher zum Ende hin stellt, ist die nach der Fortsetzung. Man könnte tagelang diskutieren, welche Songs sich ebenfalls bestens für eine solche Aufbereitung eignen würden, dabei auch hinterfragen, warum nicht ein einziger Song des genialen "The Beekeeper"-Albums berücksichtigt wurde und schließlich auch die These in den Raum stellen, dass Toris gesamter Katalog für eine solche Nachbearbeitung prädestiniert scheint. 'Sleeps With Butterflies', 'Roosterspur Bridge', 'China', 'Little Earthquakes' - die Liste der Optionen ist unendlich und lässt hoffen, dass "Gold Dust" kein einmaliges Projekt geblieben ist. Denn dass TORI AMOS und ihre Kompositionen seit jeher zu Höherem berufen sind, ist unbestritten. Daher beginnt genau jetzt die Träumerei. Und sie wird begleitet von 14 wunderschönen Epics, für deren monumentale Atmosphäre es kaum einen geeigneten Begriff zu geben scheint. "Gold Dust" ist schlichtweg die musikalische Quadratur des Kreises!
Anspieltipps: jede einzelne Sekunde dieses Meisterstücks
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Björn Backes