ANATHEMA - Hindsight
Mehr über Anathema
- Genre:
- Acoustic Rock
- Label:
- kscope Records
- Release:
- 29.08.2008
- Fragile Dreams
- Leave No Trace
- Inner Silence
- One Last Goodbye
- Are You There?
- Angelica
- A Natural Disaster
- Temporary Peace
- Flying
- Unchained (Tales Of The Unexpected)
Für die mild-melancholischen musikalischen Kleinodien auf "Hindsight" sollte man in der richtigen Stimmung sein - und Kerzen bereithalten.
ANATHEMA beschritt, wie so manche andere Band, den langen und kontinuierlichen Weg vom Metal zum Melancholierock. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Gruppe im Jahr 2008 bei ihrer ersten Akustik-Scheibe angelangt ist, die, weil es sich bei den darauf vertretenen Stücken (bis auf ein Stück) um neu eingespieltes Altmaterial handelt, passenderweise "Hindsight" heißt (Kscope Music, 2008).
Akustikgitarre und klavierlastige (aber auch andere) Keyboardklänge bestimmen neben dem klaren Gesang von Vincent Cavanagh deren Sound. Sehr gleitend sind die neuen Versionen geraten, gleitender noch als die (zumindest teils) auch schon gleitenden Originale. Raue, aufbrausende Momente finden sich so kaum noch. Raue eigentlich überhaupt nicht mehr.
So erinnert 'One Last Goodbye' dann sogar schon an die sanft melancholischen Langsamkeitsentdeckungen von SAVOY GRAND - auch wenn ANATHEMA dann gegen Ende doch noch einmal die Emotionen bewegter aufwallen lassen. Aufbrausend klingt das indes nicht wirklich, eher aufschäumend. Aus brandender Gischt wurde ein stilles Gekräusel der Gefühle, wunderschön obgleich traurig. Doch nicht nur hier lässt die Band Milde walten.
Fein ziselierte Chöre ergänzen in 'Are You There?' das Stück, ohne sich jemals aufzudrängen. Sanft getupftes Schlagzeug, wie bei 'Angelica', zieht sich verhalten ins Schneckenhaus zurück. Auch die übrigen Stücke kommen auf Samtpfoten daher. So kann das Album, hört man nicht ganz genau hin, an einem vorbeiziehen, ohne dass allzuviel davon hängenbleibt. Erst nach vielen, vielen Durchläufen schälen sich dann aus der Gleichförmigkeit Einzelheiten hervor, die zuvor unbemerkt blieben, weil sie von ganz schlichter Eleganz sind. Das Cellospiel in 'A Natural Disaster' etwa, das sich - perfekt in den Gesamtklang eingebettet - wie ein roter Faden durch das Lied zieht (Dave Wesling vom ROYAL LIVERPOOL PHILHARMONIC ORCHESTRA, der schon 2004 ANATHEMA auf Tour begleitete); jedoch gegenüber dem glänzenden, waidwunden Gesang von Sängerin Lee Douglas zurücktritt.
Bei 'Temporary Peace' ist sie noch einmal im Duett mit Vincent zu hören, und hier darf das Cello etwas - hm, energischer wäre schon zu viel gesagt - konturierter auftreten, wird jedoch wieder von sanft geschlagenen Gitarrenakkorden umrankt. Welch schöne Stimme der Herr Cavanagh doch hat, ahnte man schon immer, doch erst auf "Hindsight" kommt sein Können auch in den feineren Nuancen zur vollen Entfaltung. Jedes Lied erhält so seine eigene Note, obgleich die Tonlage doch recht ähnlich bleibt. Gefühlvoll singt Vincent, virtuose Sperenzchen hat er nicht nötig. Auch 'Flying' beginnt derart gefühlvoll-stimmlastig, steigert sich aber (zunächst unmerklich) in ein Crescendo hinein, um dann wieder sanft zu verebben - mit leicht südländisch anmutenden Gitarren- und schließlich die Seele kühlenden Piano-Klängen.
Auch wenn das Album weitgehend unspektakulär bleibt, sollte man "Hindsight" mehrere Durchläufe gönnen, damit man sich nicht vielleicht verfrüht entscheidet, dieses Werk von der heimischen ANATHEMA-Sammlung auszusparen. Das neue Stück 'Unchained (Tales Of The Unexpected)' könnte sich gar in meinen persönlichen Liedern des Jahres - zumindest aber des Winters - 2008 wiederfinden.
Passend zur intimen Atmosphäre von "Hindsight" ist auch das Artwork des Albums ausgefallen, welches von der Band selbst stammt: Jaimie Cavanagh knipste die Bilder, Vincent stellte sie zusammen; auch wenn fairerweise nicht unerwähnt bleiben soll, dass die Inspiration dazu von Sarah Derat kam.
Anspieltipps:
Leave No Trace, One Last Goodbye, Are You There?, A Natural Disaster, Unchained (Tales Of The Unexpected).
- Redakteur:
- Eike Schmitz