ANGEL WITCH - As Above, So Below
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2012
Mehr über Angel Witch
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Rise Above (Soulfood)
- Release:
- 30.03.2012
- Dead Sea Scrolls
- Into The Dark
- Gebura
- The Horla
- Witching Hour
- Upon This Cord
- Guillotine
- Brainwashed
Die Legende kehrt zurück! Und ihre Jünger fallen auf die Knie!
Müsste ich das beste Album der NWoBHM benennen, fiele die Entscheidung ohne langes Zögern auf das Debüt von ANGEL WITCH. Für mich hat es bis heute keine andere Band geschafft, eine derartige Stimmung mit ihrer Musik zu erzeugen. Die extrem gelungene Kombination aus schleppenden Passagen und melodisch-treibenden Momenten, die man heutzutage leichtfertig als Mischung aus BLACK SABBATH und IRON MAIDEN abtun könnte, war zum damaligen Erscheinungstermin völlig einzigartig. Nicht allein, weil es IRON MAIDEN als Einfluss noch gar nicht gab. Obendrein hatte man bereits zu diesem frühen Zeitpunkt in der Bandhistorie den Eindruck, dass Mainman Kevin Heybourne eine sehr klare Vision von dem weiteren Weg seiner Band hatte. Da passte einfach alles zusammen: das gigantische Artwork, die okkult-mystischen Texte, die niemals platt klangen, das abwechslungsreiche Songwriting, welches trotzdem immer typisch klang, die völlig normale Singstimme des Leaders und das quasi nicht existente Image der Band. Nette Jungs von nebenan mit einer musikalischen Idee. Ohne jetzt auf den suboptimalen Verlauf der weiteren Bandkarriere einzugehen, sei nur erwähnt, dass permanente Besetzungsprobleme nicht dazu führen wollten, dass Kevin mit seinen Engelshexen wirklich erfolgreich wurde. Ein Trauerspiel bei der musikalischen Qualität. Immer wieder tauchte der gute Mann mit verschiedenen Musikern aus der Versenkung auf und spielte umjubelte Festivalauftritte. Jedes Mal hatte man ein bisschen Hoffnung, dass es nun noch einmal losgehen würde, aber jedes Mal versandete die Band im Nirwana.
Umso überraschte konnte man sein, als vor wenigen Wochen die Meldung einging, dass es bereits im April ein brandneues Album auf Rise Above Records geben würde. Und allein dieser Umstand macht die Band schon wieder sympathisch. Wo jede andere semi-kultige Rumpeltruppe, die in den 80ern mal ein mittelmäßiges Album veröffentlicht hat, ihre Reunion Monate im Vorfeld mit schmackigen Teasern im Internet beworben hätte, hält man sich im Hause ANGEL WITCH dezent zurück und legt erst kurz vor der Geburt die Karten auf den Tisch.
Natürlich war ich skeptisch, ob man es mit einem lauwarmen Aufguss der alten Stilistik oder gar mit einem modernisierten Heybourne-Sound aus der Sneap-Schmiede zu tun haben würde. Bereits das vorher veröffentlichte Artwork ließ aber mein Herz beruhigter schlagen, denn erneut ziert ein kraftvolles und stilistisch passendes Gemälde die Umhüllung der Musik. Aber genug um den heißen Brei herum gelabert: Butter bei die Fische.
Schon die ersten Akkorde von 'Dead Sea Scrolls' machen klar, welche Band wir hier hören. Klangbild und Spielweise erinnern sofort an den 32 Jahre alten Klassiker. Mister Heybournes Gitarrenspiel ist einfach einzigartig. Er vereint treibendes Riffing mit flinken Melodielinien, die bereits beim ersten Anhören magisch klingen. Es ist eine Eingängigkeit mit Ecken und Kanten, die niemals aufgesetzt oder kalkuliert wirkt. Alles hat einen völlig natürlichen Fluss. Dazu kommt seine prägnante Stimme, die man unter Tausenden heraushören kann. Es ist wunderbar. Diese erste Nummer ist mit sechs Minuten überraschend lang, entwickelt aber im Verlauf eine unheimlich dichte Atmosphäre, die unter anderem natürlich auch von den beiden neuen Mitmusikern her rührt. So trommelt Andrew Prestridge beinahe wuchtige Rhythmen in die Felle, während Basser Will Palmer mit seinem Tieftöner für luftige Geezer-Gedächtnis-Momente sorgt. Der als Unterlage eingesetzte Synthesizer gibt der ganzen Chose noch mehr Tiefe, sodass man sich in dieser Nummer völlig verlieren kann.
Weiter im Takt geht es mit dem bereits bekannten 'Into The Dark'. Eine Nummer, die bereits auf der "Sinister History" zu finden war und an deren außergewöhnlicher Klasse natürlich nichts verändert wurde. Insgesamt ein wenig verhaltener als der Opener, setzt das Trio hier ganz gezielt auf wundervolle Gitarrenharmonien und eine erstklassige Gesangsführung. Der sphärische Part aber der dritten Minute erzeugt dann eine Gänsepelle der Sonderklasse. Vor allem, nachdem man weiß, in welches Tempo die Band danach umschwenkt. Völliger Wahnsinn.
'Gebura', textlich wahrscheinlich an einer Buchvorlage orientiert, kracht mit der Durchschlagskraft eines Baumfällers über den Hörer herein. So klingt ein wuchtiges Riff. Dazu benötigt man keine tiefer gestimmten Saiteninstrumente, es reicht völlig aus, wenn man die richtigen Akkordfolgen zusammen bastelt. Und auch hier erklingen wieder diese out-of-this-world Gitarrenharmonien, die in einer Livesituation wohl von Mister Bill Steer ergänzt werden. Weshalb der gute Mann auf dem Album nicht zu hören ist, wird das später folgende Interview hoffentlich klären. In diesem Song kann man wundervoll nachhören, wie man Variationen einzelner Passagen so gekonnt verknüpft, dass sie nicht repetitiv klingen. Kompositionskunst der hohen Schule.
Mit 'The Horla' haben die Herrschaften einen modernen Klassiker im Gepäck, der am Ende des Jahres jede vernünftig durchdachte Bauchgefühl-Chartliste anführen muss. In siebeneinhalb Minuten wandert die Engelshexe hier durch sämtliche Genres, sei es Ballade, sei es Doom oder Heavy Rock. Das ist ein Song, der nahtlos an eine Größe der Marke 'The Sorceress' anknüpft. Und da ich schon so schön in einer Songy-By-Song-Abhandlung stecke, geht es mit dem knackigen 'Witching Hour' weiter im Programm. Eine herrlich eingängige Nummer, mit einer spiralförmigen Gitarrenführung im Mittelteil, welches diesem Titel einen angenehm mystischen Anstrich verleiht.
Das nächste Highlight hört auf den Namen 'Upon This Cord' und entpuppt sich als härteste Nummer des Albums. Auch wenn man weiß, dass da nur einer Gitarre spielt, fragt man sich unwillkürlich, wie viele Spuren das sein mögen. Dieser Titel verfügt über ein mörderisches Riff, welches den Hörer sofort bei den Hörnern (oder sonst wo) packt und nicht wieder loslässt. Ich hatte schon lange nicht mehr einen reinen Gitarrenpart so lange im Ohr, wie bei dieser Nummer. Immer wieder ertappe ich mich in ruhigen Momenten dabei, dieses Riff zu summen. Es ist unheimlich. Unheimlich toll.
'Guillotine' werden Eingeweihte noch als 'Rendezvous With The Blade' kennen. War schon damals toll. Das hat bloß keiner gemerkt, weil die anderen Alben eben allgemein als weniger gut angesehen werden. Ein kluger Schachzug so einen Überflieger noch einmal zu neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Erinnert nur mich das Einstiegsriff an SAVAGE? Knorke.
Das abschließende 'Brainwashed' hinterlässt den Hörer in eben genau dieser Verfassung, denn er will nur noch eines: Das Album immer und immer wieder anhören.
Wie man unschwer erkennen kann, bin ich total begeistert und hoffe, dass ANGEL WITCH mit diesem Album nun endlich zu den Ehren gelangen, die ihnen schon seit dreißig (!!!) Jahren zustehen. Wenn man nur ein Album aus diesem Jahr bisher benötigt, dann hört diese auf den Titel "As Above, So Below". Die Meister machen es allen anderen vor. Ohne großen Firlefanz wird hier einfach superbe Musik abgeliefert, die kraftvoll in Szene gesetzt langfristig überzeugt und fesselt. Ich weiß, wovon ich schreibe, denn das Teil lief hier in den letzten Wochen beinahe täglich.
All Hail The Witch!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae