ANSUR - Axiom
Mehr über Ansur
- Genre:
- Black Metal / Progressive Metal
- Label:
- Candlelight / Soulfood
- Release:
- 22.09.2006
- Earth Erasure
- Post-Apocalyptic Wastelands
- Interloper
- Desert Messiah
- Sowers Of Discord
- The Axiom Depicted
Dass hier eine Band aus Norwegen am Werke ist, erkennt man eigentlich schon an den ersten Takten. Die düstre Aura, der Gitarrensound, das stoisch-kalte Riffing, die atmosphärisch-geisterhaften Keyboards, das alles sind Markenzeichen, die bisher kaum eine Band kopieren konnte, die nicht aus dem Land der Fjorde stammt. Wenn ihr jetzt aber denkt, dass wir es mit einer weiteren typischen Black-Metal-Band zu tun haben, die sich eng an die großen Vorbilder anlehnt, dann seid ihr auf dem Holzweg. Auch wenn die junge Truppe aus dem südnorwegischen Drammen definitiv einige ihrer Wurzeln im Norweger-Black-Metal hat, so ist das, was sie letztendlich auf die Menschheit loslässt, alles andere als ein Abklatsch der Genre-Ikonen. ANSUR sind eigenständig, auf eine gewisse Art unnahbar, doch trotzdem fesselnd und einfach konsequent anders.
Das liegt in erster Linie daran, dass ANSUR ihre Stücke sehr vielschichtig arrangieren und neben dem innovativen und instrumental wie kompositorisch anspruchsvollen Black Metal auch Bereiche wie Industrial, Doom, Prog Rock und Ambient tangieren. Gitarrist Torstein J. Nipe erweist sich als überaus fähiger Effektmeister und Programmierer, der mechanischen Lärm, Verzerrereffekte und Sphärenklänge hinter die manchmal an SATYRICON erinnernden Riffwände zaubert. Dazu werden viele intensive Passagen von betörenden Akustik-Gitarren-Arrangements begleitet, wie man dies in einem solchen Ausmaß im Black Metal nur selten antrifft. Allgemein ist das Schaffen des Gitarrenduos, das aus Torstein und seinem Kollegen Stian Svenne besteht, sehr tiefgründig und aufwändig. Neben den erwähnten akustischen Spielereien, begegnen uns auch effektvolle disharmonische Momente, die EMPEROR nicht besser hinkriegen würden und dann schneidet ein psychedelisches Solo durch die Klangwelten, das auch aus einer abgespacten 70s-Prog-Platte entfleucht sein könnte.
Doch damit nicht genug: Auch gesanglich sprudelt "Axiom" nur so vor Abwechslungsreichtum und Intensität. Zwar sind die Vocals von Basser/Frontmann Espen A.R. Aulie und die Backings von Gitarrist Stian zumeist elektronisch verfremdet, doch erschließen sich durch den dialogartigen Aufbau und eben die starke Varianz des Dargebotenen sicherlich weite Dimensionen des zugrunde liegenden Konzeptes, zu welchem ich in Ermangelung der Texte nichts Konkretes sagen kann. Deshalb gehen wir hier nur noch kurz auf die musikalische Komponente der einzelnen Stücke ein: Den Anfang macht 'Earth Erasure', dessen Anfang ein wenig an SATYRICONs Riffing und die verschroben-diffusen Arrangements der neueren ENSLAVED erinnert. 'Post-Apocalyptic Wastelands' legt mit einem dynamisch-flotten, fast rockigen Einstieg los, wird dann allerdings von Glenn Fergusons facettenreichem Drumming, innovativen Fills, bizarren Breaks und sehr intensivem, verzerrtem Gesang in ein strukturell komplexes Gebilde verwandelt, das erst nach vielen Durchläufen alle seine Schattierungen offenbart und dabei doch von Anfang an zu fesseln weiß. Wenn im Mittelstück plötzlich erst ein brillantes Akustikbreak kommt, das von einem Space-Rock-Solo abgelöst wird, um wieder wirren Breakfolgen zu weichen, dann kann das schon mal verstörend sein, aber wie gesagt: Es reißt mit, es lässt den Hörer nicht mehr los. Beim Neunminüter 'Interloper' zieht das Tempo sodann zuerst deutlich an, doch es dürfte klar sein, dass hier mit Tempo- und Stimmungswechseln nicht gegeizt wird. Schicht um Schicht baut sich ein schier undurchdringlicher Dschungel aus Gitarrenelementen und Soundkollagen auf, der den Hörer nicht mehr entlässt. Gesprochene Passage, kurze, schneidende Leadmelodien, überlappende Akustikmotive zu Hauf - ein Song wie dieser ist schwer in Worte zu fassen. Mal verschachtelt wie EMPEROR, mal mantrisch wie BATHORY, dabei jedoch nie wirklich repetitiv, da das Mantra immer variiert wird. Paradox? Vielleicht. Aber doch irgendwie wahr.
Unsere Reise durch die astrophysiche Welt ANSURs ist aber erst zur Hälfte vorbei. Weiter geht's mit 'Desert Messiah', das ANSUR mitunter in massiven Blastattacken von ihrer härtesten und aggressivsten Seite zeigt. Da man damit aber definitiv keine acht Minuten sinnvoll füllen kann, entführen uns die Jungs auch hier in ruhige, entspannte, aber dennoch komplexe und anspruchsvolle Gefilde, die mal von bizarren akustischen Gitarrenkollagen, mal von ambient-lastigen Elektronika und mal von zermalmenden Doom-Wänden geprägt werden. Ganz groß! Auch bei 'Sowers Of Discord' spielen die akustischen Gitarren eine tragende Rolle, indem sie die Riffs mal unterstützen, mal konterkarieren und dann wieder ganz für sich alleine bezaubern oder vor mystischen Keyboard-Wänden klingen. Riffs und Beats sind mal dynamisch und flüssig, mal hackend und zerstörerisch, dazu Espens hier besonders hasserfüllter Gesang, militaristische Rhythmik im Mittelstück und träumerische Soundtrack-Landschaften im hinteren Drittel. All das bürgt für ein echtes Gänsehautstück, dem der finale Quasi-Titeltrack 'The Axiom Depicted' dann noch mal eins draufsetzt. Das Stück geht über elf Minuten, beginnt ganz kurz akustisch, geht dann in ein vertracktes, rhythmisches Gebilde über, bevor eine singende Leadgitarre die melodische Dimension vertieft. Dann steigt die markerschütternde Stimme ein, nur um kurz darauf ein total verbreaktes, hektisches Rhythmenspiel der verschärften CIVIL DEFIANCE-Liga auszulösen. Hier ein kurzer Hammond-Sound, dort ein Akustiklead, dazwischen Maschinengewehrdrumming und Stakkatoriffs. Keifen, Brüllen, eine gesprochene Passage... Die Norweger sind definitiv Meister des Abwechslungsreichtums. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass sie sich bei aller Komplexität nicht verzetteln und trotzdem Songs mit Fluss erschaffen, die den Hörer zwar fordern, aber nicht überfordern.
Bedenkt man, dass die 2004er Demo-EP "Carved In Flesh" noch gutklassigen, aber sehr typischen Norge-Black-Metal zu bieten hatte, hat die Band in den letzten beiden Jahren eine atemberaubende Entwicklung hingelegt, die sie zu einem auf ganzer Linie gereiften Act mit einzigartigem Profil hat wachsen lassen. Insoweit ist "Axiom" ein echter Quantensprung, der zwar den durchschnittlichen True-Black-Metal-Fan nur bedingt ansprechen wird, aber die meisten Anhänger der schwarzmetallischen Avantgarde in ziemliche Euphorie versetzen sollte. Wer noch zweifelt, soll sich mal die Hörproben einverleiben, ich bin mir aber sicher, dass die Prog-Blackies unter euch spätestens dann keine andere Wahl haben werden, als sich die Scheibe zu besorgen.
Anspieltipps: Ausnahmslos alles.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle