ARCH/MATHEOS - Sympathetic Resonance
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2011
Mehr über Arch/Matheos
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- MetalBlade (Sony)
- Release:
- 09.09.2011
- Neurotically Wired
- Midnight Serenade
- Stained Glass Sky
- On The Fence
- Any Given Day (Strangers Like Me)
- Incence And Myrrh
Die Fortsetzung von "Awaken The Guardian"?
Seit der ehemalige Sänger von FATES WARNING im Jahr 2003 nach 17-jähriger Pause sein musikalisches Schweigen gebrochen hat und in den wenigen Interviews zu der fantastischen EP "Twist Of Fate" eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kopf seiner früheren Arbeitgeber nicht ausgeschlossen wurde, harren Scharen von Süchtigen Arch-Anbetern auf eben diese Kollaboration. Während auf der EP neben Jim Matheos (gt.) und Joey Vera (bs.), mit Mike Portnoy von DREAM THEATER auch noch ein "Außenstehender" mit an Bord war, hören wir auf dem jetzt vorliegenden Longplayer mit Gitarrist Frank Aresti und Drummer Bobby Jarzombek die komplette instrumentale Besetzung von FATES WARNING. Im Endeffekt könnte man es also auch so nennen. Aber es scheint, dass man hier ganz bewusst eine Differenzierung vornehmen möchte, denn die Band hat sich mit Ray Alder weiterentwickelt und klingt heute (zum Glück) nicht mehr, wie vor 20 Jahren. Und es ist fraglich, ob diese Entwicklung mit John Arch an Bord anders verlaufen wäre. Darüber werde ich nicht spekulieren. Fakt ist, dass auch "Sympathetic Resonance" klangtechnisch zeitgemäß aus den Boxen trällert und somit der Mythos, dass man mit Arch hinterm Mikrophon heute noch genau so klingen würde wie damals, etwas ins Bröckeln gerät.
Bereits die ersten, sehr sanften Sekunden des elf Minuten langen Openers "Neurotically Weird" faszinieren aufgrund der ergreifenden Gesangsleistung des Meisters, der offenbar nichts von seinem Glanz abgelegt hat. Fast beschwörend saugt er den Hörer in seine Welt und wenn dann kurze Zeit später der Härtegrad angehoben wird, zersplittert der Adrenalinspiegel des Zuhörers. Da ist sie, diese unvergleichliche Art der Gesangsmelodie, diese Lautbeschwörung, die sofort umgarnt und einschmeichelt. Und wenn es dann nach etwa dreieinhalb Minuten auch noch Querverweise auf das überwerk "Awaken The Guardian" eingebaut werden, dürfte die Glückseligkeit eines jeden Arch-Freaks vollkommen sein. Meine ist es jedenfalls. Danach geht die emotionale Achterbahnfahrt allerdings erst so richtig los. Aresti und Matheos flechten ein feines Saitennetz, in welches man sich einfach fallen lassen kann. So kann man sich entspannt zurück lehnen und das Geschehen genießen. Schnell entdeckt man die unfassbar komplexen, aber gleichzeitig songdienlichen Drumparts von Bobby Jarzombek, der im Gegensatz zu beispielsweise Mike Portnoy niemals aufdringlich wirkt. Er hat einfach das Geschick kompliziert und trotzdem einfach zu klingen. Die wahre Kunst. Passagen mit der Aufschrift "Schaut mal her, ich kann was!" gibt es nicht. Und wenn doch, dann ist es eben das komplette Album. Das nachfolgende, mit unter sechs Minuten Spielzeit, kürzeste Stück des Albums 'Midnight Serenade' entpuppt sich dann mit seinem knackigen Stakkato-Riffing als beinharter Rübenschüttler. Ein kurzer Longtrack, denn auch in dieser recht knapp bemessenen Zeitspanne geschieht so einiges. Fein, fein.
Bereits im Viertelstünder 'Stained Glass Sky' zelebriert das Quintett aber wieder progressive Eleganz gepaart mit mystisch-düsteren Riffs. Eine beinahe ungewohnte Schwere geht von den ersten Minuten dieser Nummer aus und erst der Einsatz von Johns Stimme nimmt etwas Last von den Schultern des Hörers. Ich bin geneigt von einer progressiven Doomnummer zu schreiben, denn auch im weiteren Verlauf agiert man mit verschleppter Rhythmik und beinahen dumpfen Riffs. Dazu gibt es immer wieder lecker garnierte Gitarrensoli auf beiden Kanälen - so wie ein grauer Himmel von Schafwölkchen aufgerissen werden kann. Wie ich schon weiter oben schrieb, eine emotionale Achterbahnfahrt,
Der nächste Brecher hört auf den Namen 'On The Fence' und ist ein weiteres Riffmonster. Beinahe stoisch in seiner stetigen Vorwärtsbewegung vermisst man während der ersten Durchläufe des Albums ein wenig Melodienvielfalt in diesem Track. Und trotzdem – oder gerade deshalb – löst die Nummer eine Faszination aus, zeigt sie doch eine andere Facette im Spektrum der Band. Erst in der zweiten Songhälfte werden Melodieschichten über einander gelegt und lassen so ein Monument entstehen, welches von ungeahnter Schönheit ist.
'Any Give Day (Strangers Like Me)' ist dann wohl der Track, auf den sämtliche Heerscharen der alten Matheos-Schule so sehnsüchtig gewartet haben. Völlig verspielt, aber trotzdem knallhart nach vorne preschend eingeleitet, entfaltet diese Komposition eine Vielfältigkeit, die man auch nach etlichen Durchläufen nicht erfassen kann. Hier ein kurzes Flamenco-Versatzstück, da eine dröhnende Bassattacke, hier Doublebässe im Gleichschritt, da ein Füllhorn voller Wundermelodien. Darüber ein Gesang, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Mit einer engelhaften Leichtigkeit balanciert John Arch über diese vertrackten Rhythmen und in sich verschachtelten Mosaikteilchen Gesangslinie aus, die so emotional klingen, dass man auch ohne alle Worte zu verstehen, völlig ergriffen ist. Dabei holt er ab und an die gute alte Bruce-Bruce-Stimme aus dem Nähkasten und röhrt etwas kehlig. Fantastisch. Kurz vor Schluss tanzen Matheos und Arch einen psychedelischen Walzer und versetzen mir damit den goldenen Glückskick. Und dieser entlädt sich dann im fast balladesken Finale namens 'Incense And Myrrh'. Ein Song mit einer Spannungskurve wie ein Flitzebogen. Vermutet man anfänglich eine wundervolle Ballade zu hören, wird man urplötzlich in einen heftigen Gitarrenstrudel gesogen, nur um schlussendlich von offenen Akustikklängen in die Stille nach dem Album entlassen zu werden. Man ist geplättet.
Wer sich schon nicht am Klangbild der EP gestört hat, wird an dieser Scheibe nichts auszusetzen haben, denn musikalisch und natürlich erst recht gesanglich, ist "Sympathtic Resonance" wahrscheinlich das beste Metalalbum seit Monaten. Würde mich 'Midnight Serenade' genau so berühren, wie es den anderen Nummern gelingt, würde ich die Höchstnote zücken. So gibt es einen minimalen Abzug.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Holger Andrae