ARCTURUS - Arcturian
Mehr über Arcturus
- Genre:
- Avantgarde Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prophecy
- Release:
- 08.05.2015
- The Arcturian Sign
- Crashland
- Angst
- Warp
- Game Over
- Demon
- Pale
- The Journey
- Archer
- Bane
Der hellste Stern am Nordhimmel.
Es ist ein gutes Jahr für die skandinavische Metal-Avantgarde. Auf die multi-kulturelle Reise um die Welt mit SOLEFALD ("World Metal.Kosmopolis:Sud"), den Ausflug in die Untiefen des Irrsinns mit DØDHEIMSGARD ("A Umbra Omega") und den Besuch im Geisterhaus mit LISERSTILLE ("Empirical Ghost") folgt nun eine weitere Expedition in den Weltraum mit ARCTURUS.
ARCTURUS, der hellste Stern des Nordhimmels, stand schon von jeher Pate für eine Band, die auf hochkreative Weise Black Metal, Avantgarde Prog und Space Rock miteinander verschmilzt. Gleichwohl strahlt ARCTURUS für einige Kenner ebenso hell am Musikhimmel wie der rote Riese im Sternbild Bootes, dem Bärenhüter. Das ist bei der arcturianischen Starbesetzung aber auch kein Wunder: Hinter dem Drumkit sitzt mit Jan Axel Blomberg aka "Hellhammer" (u.a. MAYHEM und WINDS) einer der versiertesten Alleskönner, den Gesang übernimmt der nicht minder wandlungsfähige Simen Hestnæs aka "ICS Vortex", Bassist Hugh Stephen James Mingay aka "Skoll" zupfte auch schon bei VED BUENS ENDE und ULVER, wo auch Gitarrist Knut Magne Valle zuhause ist. Und der Orchestrator dieses Mittvierziger-Star-Ensembles ist Steinar "Sverd" Johnsen, sozusagen des Auge der Galaxie, um die alle anderen Sterne kreisen.
Eines vorweg: Dieses Album wächst. Und der Zeitpunkt des Reviews ist viel zu früh für ein abschliessendes Urteil. Aber auch weitere zwei Wochen würden hier nichts bringen, denn wer ist schon in so kurzer Zeit zu den Sternen gereist?
Das Album ist vollgepackt mit Ideen und Informationen, mit Verwandlungen und Entwicklungen, und die muss der Hörer erst einmal prozessieren, langsam aber stetig. Das erste, was verarbeitet werden muss, ist der Sound. Nicht nur wegen der immer wieder eingestreuten synthetischen Drums und elektronischen Beats wirkt die Produktion anfangs etwas steril. Hellhammer klingt wie so oft sehr mechanisch und überpräzise, und die relativ vordergründigen Synthie-Sounds wirken kalt und dem Weltraum entsprechend lebensfeindlich. Aber das war bei ARCTURUS ja schon immer so, man entsinne sich nur an die "Sideshow Symphonies", zu denen "Arcturian" im Vergleich aber doch wieder ein wenig rauer, organischer und black-metallischer wirkt.
Man muss also bereit für eine solche Tonkunst sein, doch nach einigen Durchläufen sind meine musikverarbeitenden Gehirnzellen auf ARCTURUS' Klangwelten programmiert und ab dann ist "Arcturian" reine, pure Freude. Hach, ich liebe es, wenn sich Simen - eine der seltsamsten Stimmen in der Metal-Szene - durch höchste Höhen jodelt, immer ein wenig schlingernd, dem Wahnsinn ins Gesicht schauend. Diesen besingt Hestnæs stilistisch völlig anders als Geschichtenerzähler Aldrahn bei den "Brothers In Mind" von DØDHEIMSGARD, auf eine schwer beschreibliche Weise wirkt das Ergebnis aber ähnlich und ebenso genial. Simen kann nämlich auch keifen, shouten, wimmern und zärtlich streicheln, jawohl, der Typ ist so streitbar genial wie es sich für progressive Musik eben gehört.
Doch auch was das Instrumentarium angeht, gilt: Wer Bewährtes hören will, hört kein ARCTURUS. Aber wie brilliant 'Angst' ist, eine Mischung aus schwarzer Raserei und fast turillischer Symphonie, wird mit jedem Hören evidenter. Es ist als würde ein tödlicher Komet bestehend aus schwarzem Eis auf dich zu rasen, und dich packt die Panik, höllisches Entsetzen, die Angst um das Leben. Doch du erstarrst vor Ehrfurcht bevor es dich erwischt. Aber das Universum hat auch Schönes parat, Bilder der Weite, schwache Farben von selten gesehener Pracht, und man fühlt sich manchmal trotz der Ferne der göttlichen Schöpfungskraft ganz nahe (z.B. 'Game Over').
Ich muss hier gestehen: Ich wollte das Album schon als unzugänglich und teilweise sogar ein wenig unausgegart beiseite legen. Unausgeruht und überarbeitet solltest du diesem Album garantiert nicht entgegen treten, sonst tritt es nämlich gegen dich und lässt dich am Ende sogar noch dumm dastehen. Alle Lieder verlangen es, gehört, also RICHTIG gehört zu werden. 'Demon'- weit weg aller metallischer Konventionen - ist ein düsterer Synthie-Elektro-Bastard mit alle Poren durchdringendem verzerrtem Gesang und erinnert an beste LISERSTILLE-Momente (falls irgendjemand diese crazy Dänen noch nicht kennt: unbedingt nachholen!), 'Pale' ist dann wieder Armageddon-Symphonic-Metal in bester DIMMU BORGIR-Manier, 'The Journey' zeitenloser Space-Rock mit RADIOHEAD-Electro-Beats, HAWKWIND-Gewaber und Alien-Chören über gezupften Akustik-Gitarren, 'Bane' mit seinem Zirkusmusik-Part in der Mitte die beste Vereinigung klingonischer, cardassianischer und vulkanischer Musikkultur mit dem Arien singenden Simen als extrovertiertem Formenwandler in der Haupt-Rolle. Gott im Himmel, was packt mich das Album jetzt, heute. Und wie wird das erst morgen sein?
Fassen wir zusammen: Für den Freund klanghaft progressiver Töne skandinavischen Ursprungs gibt es nun vier Must-Haves fürs Jahr 2015: die neuen Alben-Juwelen von SOLEFALD, DØDHEIMSGARD, LISTERSTILLE (Reviews siehe oben)...und ARCTURUS!
Hier kann man sich selbst ein Bild von "Arcturian" machen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker