LISERSTILLE - Empirical Ghost
Mehr über Liserstille
- Genre:
- Modern Epic Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- G-Records/Gordeon Music
- Release:
- 24.04.2015
- Capsules
- Gold Future
- Hymn To The Past
- Wall Mark
- This Wonderful You
- Zenith
- Hymn To The Sorrow Squad
- Harlequin's Tale
- Precognition
- Hymn To The Echo
So bombastisch und weitläufig wie noch nie zuvor!
"Was für uns zählt, ist die Musik" sagt Gitarrist Tue Schmidt Rasmussen immer wieder, und deswegen hat man einen Namen gewählt, der eigentlich nichts aussagen soll. Doch auf dänisch klingt LIS ER STILLE wohl irgendwie albern und so nennt man sich schon seit einiger Zeit LISERSTILLE. Und das neue, komplett doch Crowdfunding finanzierte Album heisst nicht wie zunächst angekündigt "The Death Light" sondern "Empirical Ghost". Doch bevor die Band mich haut, weil ich zuviel auf diesen Namen herumreite, soll es nun schnell um die Musik gehen.
Wer LISERSTILLE schon länger kennt, der weiß, dass die Band immer versucht, Grenzen auszuloten und Regeln zu brechen. Noch wichtiger jedoch ist, gemeinsam im Sinne der musikalischen Idee zu komponieren und nicht etwa im Sinne des eigenen (spiel-)technischen Fortschritts. Wie toll das klingt, kann man am besten auf dem Zehn-Punkte-Werk "The Collibro" nachhören, eines meiner liebsten Alben aller Zeiten. Danach entwickelte sich die Band in eine Richtung, die gerne mit "Modern Epic" bezeichnet wird, das heisst, weniger proggy, weniger überdreht, dafür aber mit unter die Haut gehender erzählerischer Tiefe. Hört 'Epitome' (von "Nous") oder hört 'Conceiver Theme Believe Us' (von der EP "Flight Of Belljár") und ihr merkt, dass man tief darin versinken kann. Songs für Ewigkeit!
Ich nenne diese beiden Songs auch, weil "Empirical Ghost" in gewissem Maße hieran anknüpft und ihre kompositorische Linie ausbaut. Denn so viel Bombast und so weitläufig angelegte Kompositionen gab es bei LISERSTILLE noch nie. Noch nie?
Noch nie ist falsch, denn mir kommt immer wieder das Volllängen-Debüt "Apathobvious" mit solch ausschweifenden Songs wie 'Hvalfangeren' in den Sinn. So etwas gibt es auf "Empirical Ghost" auch wieder, nur mit einem denkerisch komplett anderen Ansatz und vor allem auch in ganz anderem Sound. Das Album wurde im Seattler Avast Studio von Randall Dunn analog gemixt, und Mr. Dunn erzeugt hier ein mystisches, wolkenverschleiertes Klangbild, das insbesondere den zahlreich vertretenden Keyboard-Klängen sehr viel Raum verschafft. Man muss also - selbst als langjähriger LISERSTILLE-Freak - schon hinein finden in "Empirical Ghost". Die Melodien fressen sich langsamer als gewohnt in Ohr, das sich vor allem an die überbordenden Arrangements und Klang-Auftürmungen gewöhnen muss, am besten mit Hilfe eines Kopfhörers.
Ich erinnere mich an mein Interview mit der Band zur "Nous"-Scheibe: "RADIOHEAD ist überall" sagten die Dänen, als das Gesprächs-Thema auf moderne Rockmusik fiel. Und auch "Empirical Ghost" ist durchzogen vom Geist dieser verschrobenen Briten. Johnny Greenwood steht des öfteren Pate für Gitarren- und und Keyboard-Sounds. Herrlich ist z. B. wie bei 'Gold Future' die wellenartigen Synthie-Sounds von einer versponnenen Leadgitarre konterkariert werden. Hervorragend, wie die herunter-gepitchten Gitarren bei 'Wall Mark' erst die Haut abschmirgeln, um in der Folge immer wieder versuchen, dem Rest der Band einen Schritt voraus zu sein. Total geil, wie Sänger Martin Byrialsen hier den Melodien hinterher schreit. Ja, es mag abgegriffen klingen, aber je genauer man zuhört, desto tiefer begreift man die Wirkung der Lieder. Meine Höhepunkte status quo (ich werde das Album noch sehr viel öfter hören!) sind die Mitteltracks 'The Wonderful You' und 'Zenith'. Sie bestechen durch die prägnantesten Melodien, große Dynamik und sich hochspiralisierende Euphorie, wie sie einfach nur LISERSTILLE vermitteln kann. LISERSTILLE ist einfach eine geniale Band!
Leider legt man gegen Ende des Albums für meine Begriffe zu großen Wert auf nun fast ambient wirkende, spacige Synthie-Sounds, so dass alles ab 'Hymn To The Sorrow Squad' nach vierzig Minuten LISERSTILLE-Genius wie ein in die Länge gezogenes Outro wirkt. Auch toll produziert, keine Frage, doch noch einmal ein knackiger Rocker im Stile von 'Lyncher’s Aim' wäre mir hier vielleicht lieber gewesen. Doch vermutlich hätte dies nicht in das lyrische Konzept gepasst.
Worum es auf auf "Empirical Ghost" geht, wird die Band sicherlich demnächst in einem Interview auf diesen Seiten verbreiten. Fans von modernem Art Rock, erzählerischer Epik und generell zeitgemäßer (Prog-)Rockmusik verhaften derweil den "Empirical Ghost", der als schönes, weißes Doppel-Vinyl und digital erwerblich ist. Für CDs fehlt bislang (noch) das Geld. Dieser Zustand ist aber eigentlich für eine Band dieser Extraklasse inakzeptabel. Deshalb gilt für euch hier draussen: Anhören, gut finden, Platten kaufen. Das ist ein Befehl!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker