ATROCITY - Atlantis
Mehr über Atrocity
- Genre:
- Gothic/Death Metal
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 26.04.2004
- Reich of Phenomena
- Superior Race
- Gods of Nations
- Ichor
- Enigma
- Morbid Mind
- Omen
- Cold Black Days
- Atlantean Empire
- Clash of the Titans
- Apocalypse
- Lost Eden
- The Sunken Paradise
- Aeon
- Ein Volk
Alex Krull, der Name ist Programm. Er steht für vieles: Für Kreativität, für künstlerischen Mut, für Innovation und Durchsetzungswillen.
Für eines steht er nicht: Für Stillstand!
ATROCITY, das Baby des besagten Herren, hat in seiner mittlerweile mehr als fünfzehnjährigen Historie manche Veränderung durchgemacht. Die einen liebten die Death-Metal-Ecke, die anderen die Gothic-Kante. Etwas von all dem war immer in der Musik ATROCITYs wiederzufinden, lediglich von Album zu Album unterschiedlich gewichtet. Alex Krull ist aber auch ein Eigenbrötler, der kompromisslos seine Linie fährt, was ihm nicht immer Applaus einbrachte. Sein Achziger-Coveralbum "Werk 80" rief ebenso Gönner wie Verurteiler auf den Plan und spaltete die Fangemeinde, obwohl das Ergebnis sachlich betrachtet mehr als gelungen war. Es war und ist Tradition im Hause ATROCITY, mit diesen kritischen Wellenbewegungen zu leben.
Wie man auf deren neuestem Werk "Atlantis" deutlich heraushören kann, können sie ausgezeichnet mit all dem leben. Derart mächtig und mit so viel treibender Energie, hätte zumindest ich die Band nicht zurückerwartet. Da tönt es teilweise Black-Metal-lastig und völlig entfesselt in pompösen Sphären, die normal nur CRADLE OF FILTH mit ihrem übergroßen Schatten ausfüllen. Dann wiederum geht es mit sturem Death Metal vor den metallischen Scharfrichter, bevor man im nächsten Augenblick melancholisch und zuckersüß musiziert. Alex und seine Mannen schaffen dieses Künststück ohne größere Probleme, wobei man "Atlantis" schon ein wenig öfter hören muss, um seine Power und Melodiösität voll aufsaugen zu können. Denn ganz so leicht zu konsumieren ist die Scheibe nicht.
Der Opener 'Reich Of Phenomena' ist ein Black-Death-Zwitter, der ultrabrutal die Doublebass-Kettensäge anwirft und sich butterweich durch die finsteren Herzen der Hörerschaft schneidet. Die Nummer ist richtig mächtig und monumental und man spürt im Refrain deutlich die breite Brust dieses majestätischen Songwritings.
'Superior Race' fönt ebenso den metallischen Stiernacken und macht null Gefangene. Mit sehr geilen SAMAEL-lastigen Keyboardsounds wird der heftige Death Metal wunderschön aufgelockert und bietet somit einen exzellenten Kontrast, der trotzdem aus einem Guss tönt. Etwas sperriger geht es schon bei 'Gods Of Nations' zu, wobei der Refrain ein klarer Hymnenchorus geworden ist. Die Strophen grooven leicht dissonant und disharmonisch durch die heimische Landschaft, lösen sich aber in einem sehr melodiösen und klasse gesungenen Refrain auf, der die Beine in den Tanztempeln der Welt nicht still stehen lassen wird. Drei Mal hören tut Not, dann sitzt die Nummer wie betoniert.
'Ichor' bricht straight und fett durch die Speaker. Alex Krull shoutet in den Strophen wie kein Zweiter und zeigt im Refrain, was er gesanglich alles drauf hat. Klasse vocal lines auf genialem Riffing und passt wie die Faust auf die Fresse.
Das folgende 'Enigma' gibt sich als hochmelodische Angelegenheit, die viele Hörerschichten des Heavy Metal ansprechen dürfte. Stellt euch einfach PARADISE LOST zu "Icon"-Zeiten vor und würzt diesen Gedanken mit einem fetten Schuss alter MOONSPELL. Dazu eine Brise der allseits bekannten, abgefahrenen ATROCITY-Sounds und schon habt ihr einen tief hakenden Goover, der nicht mehr aus der Rübe geht.
'Morbid Mind' tritt wieder mächtig Popo und fährt knallharte Doublebasssalven auf. Der Chorus bläst den Fugenbrei aus den Zwischenräumen meiner Badfliesen und wirbt wieder einmal mit einer unwiderstehlichen Gesangsharmonie. Klasse!
Anschließend wiegt den Hörer eine gesprochene Streichernummer mit dem Titel 'Omen' in trügerischer Sicherheit, die in dieser Art höchstens Dani Filth als Geisterbahnintro zwischen seine Gruselsongs packt. Geiles musikalisches Fundament in ewig düsterer Atmosphäre.
Es folgt mit 'Cold Black Days' die Singleauskopplung des Albums. Tanztempelhymnen kann keiner so locker aus dem Ärmel schütteln wie Alex Krull. Der Mann hat ein Gespür für Hits, die nicht plakativ und altbacken wirken. 'Cold Black Days' reißt mit, und das in einem straighten Rhythmus und einer einfachen, extrem eingängigen Hookline.
'Atlantean Empire' hat wieder einen bitterbösen Augenaufschlag und verzichtet auf Massenkompatibilität. In bester, uralter Gothic-Tradition wird düster gerockt und gegrowlt, bis der Wolf heult. Eine fette, finstere Nummer mit einem einprägsamen Refrain.
Mit 'Clash Of The Titans' folgt ein weiterer Todesmörtler, der wahrscheinlich überregional Gräber öffnen kann. Hassgesang vom Allerfeinsten und Riffwände vom Durchmesser eines Planeten ergeben den 'fast' heftigsten Track auf "Atlantis".
Der folgt mit 'Apocalypse', das mit höllischen Blastbeats und gebleckten Zähnen aus den Membranen meiner Boxen bricht, um pfeilschnell auf mich loszugehen. Der Refrain kommt wieder sehr eingängig daher, was jedoch der Vehemenz und Brutalität dieses Monsters keinen Abruch tut. Ein ganz schön heftiger Black-Zyklon, den ich von Krull und Co. so nicht erwartet hätte.
Darauf folgt mit 'Lost Eden' ein kurzes Zwischenspiel, bevor es mit 'The Sunken Paradise' wieder in tanzkompatibler Rhythmik und vielen wunderschönen Hooklines zur Sache geht. Starker Groove und klasse Harmonien entwickeln sich zum heimlichen Hit des Albums.
Im Anschluss zelebriert ATROCITY mit 'Aeon' eine rhythmusorientierte Hymne, die die Quintessenz von "Atlantis" darstellt. Einerseits melodisch und eingängig, andererseits düster und abgründig. Das passt, wie die Faust aufs Auge, auf das lyrische Konzept des Longplayers.
Den Abschluss, oder besser: das Outro bildet 'Ein Volk', das in aller Kürze aus dem metallischen Reigen entlässt.
ATROCITY ist mittlerweile in der Metal-Landschaft ein klangvoller Name. Wer eine neue Scheibe der Mannen um Alex Krull kauft, kann sich zwangsläufig auf Überraschungen gefasst machen. Diese Überraschungen gibt es auch auf "Atlantis" zuhauf. Ich kann natürlich in meiner Rezension nicht auf alle eingehen. Ich kann aber versprechen, dass "Atlantis" ausreichend mit abgefahrenen und detailverliebten Ideen geschmückt ist. Allen, die gotisch, todes- und blackmetallisch angehauchte Musik mögen, sei dieses Werk getrost ans Herz gelegt. Alle anderen schalten den Fernseher ein und ticken beim Musikantenstadl aus.
Anspieltipps: Reich Of Phenomena, Superior Race, Enigma, Cold Black Days, The Sunken Paradise, Aeon
- Redakteur:
- Alex Straka