AUGUST BURNS RED - Phantom Anthem
Mehr über August Burns Red
- Genre:
- Metalcore
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Spinefarm/Fearless
- Release:
- 06.10.2017
- King Of Sorrow
- Hero Of The Half Truth
- The Frost
- Lifeline
- Invisible Enemy
- Quake
- Coordinates
- Generations
- Float
- Dangerous
- Carbon Copy
Die Spitze als Sackgasse
AUGUST BURNS RED darf mit Fug und Recht seit bald zehn Jahren als Spitzenreiter in Sachen Metalcore bezeichnet werden. Im festen Zweijahresrhythmus veröffentlicht der Fünfer aus Lancaster, Pennsylvania seine Langspieler, die noch jedes Mal aufs Neue vor Kreativität und Spielfreude nur so barsten. Während sich andere Genrevertreter immer öfter entweder in abgedroschenem Melo-Death-Gefriemel ergingen oder - noch schlimmer – stumpf und dröge einen Breakdown an den anderen reihten, lieferte JB Brubaker mit seinen Mitstreitern anspruchsvolle, abwechslungsreiche und vor allem tiefschürfende Kompositionen im Akkord ab, denen der Spagat zwischen technischen Hirnverknotereien, brachialer Urgewalt und engelsgleichen Harmonien stets spielend gelang. Mit dem 2017er "Phantom Anthem" scheint aber auch für die Metalcore-Vorreiter trotz einer frischen und energischen Performance ein Ende der stetigen Weiterentwicklung sichtbar zu werden.
Bereits beim an sich hervorragenden Vorgänger "Found In Far Away Places" zeichnete sich mit den permanenten Einschüben von auffällig exotisch instrumentierten, ziemlich vorhersehbar platzierten Interludes eine Sackgasse beim Songwriting der Band ab. Die mehrheitlich bockstarken Songs, die wunderbaren Melodien, die unbändige Spielfreude des Quintetts sorgten zwar erneut für das obligatorisch positive Medienecho, irgendwie war aber auch klar, dass trotz anspruchsvollster Arrangements auch der Sound der Amis immer weniger Überraschungen bot. Daher durfte "Phantom Anthem" durchaus mit skeptischer Spannung erwartet werden.
Und zunächst mal drückt der aktuelle ABR-Output Zweifler und Verächter rundweg an die Wand: Der Opener 'King Of Sorrow', aber auch der Großteil der übrigen Songs rollt mit einer Urgewalt über die Hörerschaft hinweg, als wollten die fünf Musiker direkt an die rauen "Messengers"-Tage anknüpfen. Es wird gehämmert, gerifft und natürlich vertrackt getrommelt, dass es einem die Freudentränen in die Augen treibt. Zudem liefert Jake Luhrs (gemeinsam mit Background-Shouter und Bassist Dustin Davidson) seine bis dato krasseste Schreiperformance ab. Der Sound von "Phantom Anthem" ist bemerkenswert und erfreulich hart – und durch das gleichzeitige Fehlen von weiteren exotischen Instrumentalexperimenten stellt der siebte Output der Amis auf den ersten Blick eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln dar. Nach der härteren ersten Albumhälfte wird es zum Ende hin, mit gelegentlichen Choreinlagen bei 'Float' oder 'Generations' oder der folkigen Gitarrenmelodie von 'Quake' zwar etwas ruhiger, doch unterm Strich stehen diesmal schlicht und ergreifend elf erfrischende, noch eine Spur progressiver anmutende Metalcore-Kracher mit dem typischen ABR-Signature-Sound. So weit, so gut.
Die einzelnen Nummern machen definitiv Laune, die Power stimmt durchweg, und auch der menschliche Anstrich bleibt im aggressiven Grundtenor des Albums stets hörbar. Dennoch fällt mit "Phantom Anthem" die Leistungskurve im Hause ABR erstmals seit dem "Leveler"-Ausrutscher leicht ab. Das Fehlen potentieller Klassiker Marke 'White Washed', 'Composure' oder 'Spirit Breaker' ist dabei eine nur oberflächliche Kritik. Schwerer wiegt, dass es AUGUST BURNS RED erstmals seit geraumer Zeit nicht gelungen ist, einen durchweg packenden Spannungsverlauf zu kreieren. Die elf Tracks klingen teilweise zum Verwechseln ähnlich, es gibt kaum Ausreißer gleich welcher Art. Ja, auch die besinnlichen Zwischenspiele sind wieder am Start, wenn auch zum Glück weniger auffällig instrumentiert als auf den letzten drei Alben. Da diese Ruhepausen aber doch stets an den erwartbaren Stellen auftauchen, ändern sie am Gleichklang der Platte nichts. Den größten Mangel entdeckt man aber wohl erst im Vergleich mit den Meisterwerken "Constellations" und "Rescue & Restore": Den neuen Songs fehlen leider häufig die vertrackten Widerhaken von früher, diese unberechenbaren Sprünge von einem Part zum Nächsten - was angesichts der Tatsache, dass ABR-Songs seit "Constellations" von Album zu Album immer länger wurden, durchaus ins Gewicht fällt. Klar bleibt Matt Greiners Schlagzeugspiel unschlagbar komplex, und natürlich liefert die Truppe auch weiterhin keine 0815-Kompositionen von der Stange. Doch das Überraschungsmoment von früher, also das scheinbar willkürliche Zusammenfügen von ungleichen Teilen, die in der Gesamtbetrachtung letztlich doch immer eine logische Einheit ergaben, fehlt "Phantom Anthem" größtenteils. Die Songs laufen relativ glatt durch, bilden in der Gesamtheit eine irgendwie zu homogene Einheit.
Andererseits gibt es auf "Phantom Anthem" auch keine echten Ausrutscher. Das abwechslungsreichere "Found In Far Away Places" schwächelte gegen Ende hin etwas und hatte mit 'Broken Promises' einen unfassbar öden Song im Schlepptau, "Rescue & Restore" lieferte neben einigen fantastischen Übersongs auch zwei, drei unspektakuläre Lückenfüller, "Messengers" lebte ohnehin mehr vom Überraschungsmoment und der ungehobelten, jugendlichen Rohheit der Kompositionen denn von einer großen Zahl an starken Einzelnummern, und über den einen oder anderen peinlichen Moment auf dem unbestreitbaren Kreativfeuerwerk "Leveler" müssen wir ohnehin nicht reden. Nein, egal ob es das beinahe weihnachtlich beginnende 'The Frost', das herrlich metzelnde 'Dangerous', oder auch die einerseits sehr besinnlichen, andererseits zwischendurch auch maximal brutalen 'Coordinates', 'Generations' und 'Float' sind – alle elf Songs halten ein konstant hohes Niveau. "Phantom Anthem" ist somit schlicht und einfach ein sehr gutes, wie immer kreatives, leider nicht mehr ganz so abwechslungsreiches und forderndes Progressive-Metalcore-Album wie man es von AUGUST BURNS RED eben kennt.
Obwohl man sich über konstanten Nachschub an Hörfutter natürlich freut, würde ich der Band zu einer etwas längeren Auszeit nach der nächsten Tour raten. "Phantom Anthem" ist nochmal ziemlich schwer in Ordnung und verteidigt mangels ernstzunehmender Konkurrenz den Genrethron - es ist aber durchaus denkbar, dass ein weiterer überraschungsarmer, nach knappen zwei Jahren zusammengestellter Langspieler den Sonderstatus dieser Band nachhaltig beschädigen könnte.
Anspieltipps: Invisible Enemy, Float, Dangerous
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Timon Krause