BILLY IDOL - The Roadside EP
Mehr über Billy Idol
- Genre:
- Pop/Punk/Rock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Dark Horse Records
- Release:
- 17.09.2021
- Rita Hayworth
- Bitter Taste
- U Don't Have To Kiss Me Like That
- Baby Put Your Clothes Back On
"Des isch amole a gscheide Iiih Piiih!"
Zur Zeit hab ich es irgendwie mit der Lautsprache meines heimatlichen Dialekts. Und so blitzte dieser natürlich im Teaser perfekt einsetzbare Satz während der ersten Spins der "The Roadside EP" des immer noch schwer blondierten, in Kalifornien lebenden "Kommerz-Punk-Poppers" ziemlich schnell in meinen Gedankengängen auf.
In den frühen und vor allem mittleren Achtzigern gehörte der gebürtige Brite BILLY IDOL zu den ganz, ganz großen Pop-Stars in einer Reihe mit zum Beispiel MADONNA, DEPECHE MODE und MICHAEL JACKSON. Gut, letzterer hat alle anderen dann natürlich um Längen abgehängt, aber Idol spielte dennoch in einer ganz anderen Liga als heutzutage. Dass er von 1977 bis 1981 drei Alben mit einer britischen Punkband namens GENERATION X aufgenommen und erfolgreiche Tourneen absolviert hatte, wusste ich als zehnjähriger Bub 1983 noch nicht. Ich saß einfach auf dem Sofa und ließ mich von den bunten Videoclips faszinieren, und eine der coolsten Gestalten, die PETER ILLMANN in der legendären Fernsehsendung "Formel 1" anmoderierte, war mit Abstand BILLY IDOL! Sein wasserstoffgebleichter Look, die unterschwellig durch Gesicht und vor allem die zuckende Oberlippe ausgedrückte Aggression, sowie der abgefahrene Gitarrist in den Videos, STEVE STEVENS, machten echt was her und auf mich als kleinen, braven Jungen gehörig Eindruck. Dazu kamen die immer eingängigen und gut hörbaren Lieder, die bis heute ganze Piratenschätze an GEMA-Geldern durch Radio-Airplay, Soundtracknutzung, Stadionmusik oder Stripshows einfahren dürften.
Zum Ende der achtziger Jahre hin war es dann stiller um BILLY IDOL geworden, was nicht zuletzt wohl auch an seiner Heroinabhängigkeit lag, die produktives und zielgerichtetes Arbeiten nicht mehr in früherem Maße zuließ. Ein schwerer, verhängnisvoller Motorradunfall, der viele Operationen nach sich zog, um eine Amputation des rechten Beins zu vermeiden, brachte die bereits zurückgeworfene Karriere dann zunächst fast völlig zum Erliegen. Ein Comebackversuch mit dem Electroalbum "Cyberpunk' nach seinem erfolgreichen Drogenentzug 1993 scheiterte schließlich, und dann wurde es endgültig still um William Michael Albert Broad, wie ihn seine Eltern getauft hatten. 2005 funktionierte dann ein Comeback mit dem Album "Devil´s Playground" und erfolgreichen Auftritten bei großen Festivals. Seidem hört man alle paar Jahre Neuigkeiten von ihm, zuletzt veröffentlichte er aber bereits 2014 die Autobiografie "Dancing With Myself" und das Album "Kings And Queens Of The Underground'. Und jetzt komme ich endlich zum aktuellen Lebenszeichen in Form der "The Roadside EP".
Im Prinzip werden alle meine Erwartungen erfüllt, die ich hatte, als ich mich auf die Scheibe stürzte: Die vier während des Lockdowns von BILLY IDOL selbst und seinem langjährigen Gitarristen und Songwriter STEVE STEVENS geschriebenen und aufgenommenen Songs können tatsächlich ein wenig an den Stil und die Eingängigkeit der bekanntesten Lieder des Briten anknüpfen, die so gut wie alle aus den achtziger Jahren stammen. Butch Walker, der auch für Produktionen von WEEZER und GREEN DAY verantwortlich zeichnet, hat da ein ganz gutes Händchen gehabt, auch wenn mir speziell bei den beiden flotteren Nummern die sehr deutliche Orientierung an Club-Dance-DJ-Beats ziemlich auf den Nerven herumpoppt. Grundsätzlich kommt man objektiv betrachtet um die, für BILLY IDOL, potentielle Käufer und nicht zuletzt das von George Harrisons Tochter Dhani Harrison wiederbelebte und geführte Label "Dark Horse Records" überaus erfreuliche Erfolgsmeldung nicht herum, dass es sich zumindest oberflächlich qualitativ betrachtet um vier lupenreine Single-Hits handelt!
'Rita Hayworth' ging mir zunächst gleich mal gehörig mit den "Woohohoo"-Chören auf die Gonaden, danach wird aber eine recht quirlige, zeitgemäße Pop-Rock-Nummer drangehängt, die für meine Begriffe durchaus zu BILLY IDOL passt. Die erste ausgekoppelte Single 'Bitter Taste' folgt nach und beschäftigt sich inhaltlich mit Billys Motorradunfall im Jahr 1990 und den schwerwiegenden und langjährigen Folgen. Im Infotext der Plattenfirma wird ausgeführt, dass Billy wohl begonnen hat, die damalige schwierige Zeit schonungslos und offen zu verarbeiten und zu thematisieren. Bei dieser netten, auf Radio-Aiplay getrimmten Popnummer kommt Idols immer noch schöne, wenn auch etwas dünner und heller gewordene Gesangsstimme sehr gut zur Geltung. 'U Don't Have To Kiss Me Like That' kommt dann noch ein Stückchen näher an das frühere Feeling von rockigen BILLY IDOL-Liedern heran. Meiner bescheidenen Meinung nach würde ein Ersetzen der leblosen Schlagzeugproduktion durch ein etwas weniger flottes und dynamischer gespieltes Schlagzeug ohne Pillepalle-Puffbeats den Song in eine ganz andere Liga katapultieren. 'Baby Put Your Clothes Back On' ist dann ebenfalls aalglatt durchproduziert, hat aber neben der stimmungsvollen melancholischen Melodie auch diese tollen Western-Gitarrenleads, die den Song in meinen Ohren veredeln können.
So weit, so gut: Vier ganz passable Songs, die Appetit auf mehr machen! Wenn die Lieder eines noch fiktiven nachfolgenden Albums diese Qualität halten und an der einen oder anderen Stelle (Schlagzeug, Popsound runterfahren) noch verfeinern könnten, sehe ich den dritten Fühling für den 65-jährigen BILLY IDOL durchaus im Bereich des Möglichen.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timo Reiser