BILLY TALENT - II
Mehr über Billy Talent
- Genre:
- Alternative Rock
- Label:
- Atlantic Records/Warner
- Release:
- 23.06.2006
- Devil In A Midnight Mass
- Red Flag
- This Suffering
- Worker Bees
- Pins And Needles
- Fallen Leaves
- Where Is The Line?
- Covered In Cowardice
- Surrender
- The Navy Song
- Perfect World
- Sympathy
- Burn The Evidence
Geneigter Leserhörer, sei einig mit mir und unter Garantie auch vielen, vielen weiteren, dass 'Devil In The Midnight Mass' so etwas wie ein ähem... Indie-Hit wird. Das ist aber in Ordnung so, denn wie andere Begeisterungswillige mir versicherten, hat das Stückel einen hohen Mitgröhl-Ohrwurm-Gehalt. Ich sehe eine dieser Aussteiger-Dissen in irgendeiner deutschen Stadt mit mehr als 14500 Einwohnern. Da schreit eine schwarzgefärbte 19jährige, ringelbesockt und g'scheit gescheitelt den Platteneinleger, der melancholisch dreinblickend endlich 'Shock' von FEAR FACTORY einschieben will, über das Wunschzettelpult hin an, er solle doch mal "...äähhhh, dat Neue von... ähhh... BILLY TALENT ...spielen...Büüütteee!!!" Der Alternativplattenvogt schaut aufgescheucht auf. "Ja, ja, gleich...!" - "...ähhh...un' wennde nich hast... dann ähhh...WOLFMOTHER, ja?" Dann sehe ich das etwas andere Volk auch schon bei abhuppen. Die Wahrheit ist: Der Song hat diese gebührliche Würdigung auch verdient. Hatte das Debüt der vier Kanadier schon für meine Begriffe keinen einzigen Ausfall - eines dieser seltenen Werke, die auch mal so durchlaufen von vorn bis hinten. Scannt man das neue, gerade erschienene "II" nach dem potenziellen Nachfolgekrachersong durch, so stehen da einige Kandidaten zur Auswahl. Gerade fällt mir auch ein entscheidender Unterscheid zu einigen anderen Schreibands dieser irgendwie Emo-HC-Sparte auf. BILLY TALENT wirken trotz ihr Zappeligkeit doch - sagen wir "erwachsener". Man bemerkt ein Gespür für den Moment oder besser für eine Momentabfolge, Eingängigkeit und Wiederholungen einiger Melodeien sind gut gewählt, an anderer Stelle setzt nach Doppelwiederholung von Refrainreihen in Folge ein gänzlich neues Riff oder Break ein, was den Darbietungen wirklich gut zu Ohr steht. Da, das langsam beginnende 'Pins And Needles' ist so ein Kandidätchen, was sich lecker in die aufziehende Herbstmelancholie fressen kann und wird.
Produktionstechnisch gibt es, wie auch schon beim Debüt festzustellen war, keinen Einheitsklang, eher wird probiert und gefummelt. Zum Bespiel ist der - der Angelsachse sagt r-o-u-g-h-e - wir sagen unausgesteuert bis garagig wirkende Gesamtsound von 'Pins And Needles' sorgfältig bis passend gewählt. Der für die Zweitstimme zuständige Gitarrist hat wohl das Kabelchen nur zur Hälfte reingesteckt. Passt. An Tagen, wo der Kaffee früh schon nicht schmeckt, das kann ich nachvollziehen, kann das Hauptstimmchen - die Mitte zwischen wütendem Primaner und hysterischem Schaffner-Azubi - schon mal nerven. Das ist klar. Aber mich personell überzeugt dann das frische Aufspiel der Instrumenttypen und ich konzentrier mich einfach auf das außergewöhnlich ideenreiche Gitarrenspiel. Dann halte ich das auch aus. Nachdem ich merkte, dass unsere Freunde von BAD RELIGION nun mal nicht das Nonplusultra der Ich-singe-melodisch-über-Punk-Riffs-Bewegung sind und waren, da schaffen es selten oder nur schwerlich Bands, mich dahingehend zu überzeugen. Gott, diese Schubladen! Und außerdem wird man ja nicht jünger. Hoppla, 'Surrender', das kann ich sogar meiner Mutter vorspielen, das schöne Gesangstück das, ohne dass sie gleich zum Regionalsender mit den besten Hits aus 300 Jahren wechselt. Jaja, ein Schmusestück, ein gefühltes Stück Popgeschichte muss auf jede dieser Platten, die von Endzwanzigern geschrieben werden. Dann kann auch die Ringelbesockte endlich von Männern träumen, die "...ähh, so richtig ausrasten können und ...ähhh...dabei doch so gefühlvoll sein können....!" Wie auch vor drei Jahren brauche ich wohl mindestens zehn Anläufe bei "Billy Talent II" ehe es Durchläufe werden. Die typische "Sie-sind-gereift"-Phrase spar ich ein, denn das hohe Niveau, auf das man sich bei der Truppe hier verlassen kann, wird über beide Platten hinweg durchgängig gehalten. Die erste war der größere Wurf, das hier wird die Stellung beim Alternativvolk weiter festigen. Schon 2003 war ja schnell klar, dass diese Kanadier eine/die Nachwuchs-Platte des Jahres rausgehauen haben. Was so textlich abgeht, das möge andere mehr interessieren, später vielleicht ...ich habe ja noch neun Durchläufe vor mir. Nur soviel noch: Das abschließende 'Sympathy' ist so etwas wie die musikalische Visitenkarte, da hier alle - meist Tugenden - alle Elemente, mit denen BILLY TALENT arbeiten kann und arbeitet, dargereicht werden.
Anspieltipps: Sympathy, Devil In The Midnight Mass, Pins And Needles
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben