BLOOD INCANTATION - Absolut Elsewhere
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/24
Mehr über Blood Incantation
- Genre:
- Progressive Death Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Century Media (Sony)
- Release:
- 04.10.2024
- The Stargate [Tablet I]
- The Stargate [Tablet II]
- The Stargate [Tablet III]
- The Message [Tablet I]
- The Message [Tablet II]
- The Message [Tablet III]
Das derzeitige Maß aller Dinge!
Mit dem Vorgänger "Hidden History Of The Human Race" hat das US-amerikanische Gespann BLOOD INCANTATION seinerzeit für offene Münder gesorgt. Der im Wortsinn progressive Ansatz machte die Truppe um Texter und Sprachrohr Paul Riedl auch außerhalb der Death-Metal-Szene bekannt, was aber auch für in Falten gelegte Stirnen sorgte, als die Band kürzlich mit einer reinen Ambient-EP aufwartete. All das ist Geschichte, mit "Absolut Elsewhere" legen die Jungs ihr Opus Magnum vor, das aber zu ihrem eigenen Verderben auch ihre zukünftige Messlatte sein wird.
Die ersten 30 Sekunden auf "Absolut Elsewhere" deuten an, wieso BLOOD INCANTATION nicht einfach nur eine weitere Death-Metal-Band da draußen ist: Das Intro, welches gar nicht zum eigentlichen Song passen möchte, fühlt sich mit jedem Hören mehr an wie der kurze Aufstieg, den man am Anfang einer Achterbahn erlebt, um den Tross mit der ersten Abfahrt auf Betriebsgeschwindigkeit zu bringen. Es demonstriert, wie auch die erste Verschnaufpause nach gut zwei Minuten und unzählige weitere Stellen auf diesem Album, dass Elemente aus Krautrock, Ambiente und anderen Einflüssen nicht einfach nur zitiert oder als Zwischenspiele neben den Metal gestellt werden. Das Songwriting nimmt somit von Beginn ausufernde Züge an, die es sonst fast nur im Prog gibt. Sanfte TANGERINE DREAM-Synths und Percussion sind hier nicht nur Dekoration, sondern elementarer Bestandteil des Songs. Die Band erweitert somit das klangliche Spektrum ungemein, denn nur wenige Augenblicke später regiert wieder bollernder Death Metal in progressiver Reinform. TOMB MOLD und GORGUTS lassen grüßen.
Streng genommen befasst sich der vorherige Paragraph lediglich mit den ersten acht Minuten des Albums. In diesem Tempo würden wir hier also nie fertig. Die zentralen Aspekte haben wir glücklicherweise aber schon genannt. Eine weitere gute Nachricht lautet, dass jede der 43 Minuten auf demselben hohen Niveau spielt und man niemandem irreführende Werbung vorwerfen könnte, der nur '[Tablet I]' bewirbt. Dennoch ähnelt hier kein Abschnitt dem letzten, was dem aufmerksamen Hörer schnell deutlich wird. Nehmen wir alleine die letzte Minute des entspannt beginnenden '[Tablet II]', in dessen Verlauf sich immer mehr disharmonische Gitarren an die Oberfläche schleichen und die Spannung so ins Unerträgliche aufbauen. Was dann folgt? Natürlich die nächste Abrissbirne mit rhythmischer Vertracktheit, atonalen Soli und hymnischen Leads.
Ich möchte einmal behaupten, dass selbst erfahrene Hörer mit weitem musikalischen Horizont öfter hinhören müssen, um der Leichtfüßigkeit der Kompositionen wirklich folgen zu können. Was bei vielen anderen ambitionierten Bands letztlich im Stückwerk endet, ist bei BLOOD INCANTATION perfekt ins kleinste Detail ausgearbeitet und absolut stimmig. Das für mich beste Beispiel des Signature-Sounds von "Absolut Elsewhere" hören wir in '[Tablet II]', dem mittleren Teil des zweiten Songs 'The Message'. Die Nummer beginnt als lässig-groovende Metalnummer mit zunehmendem Death-Metal-Anteil, deutet aber mit den Backing Vocals ebenfalls den erwähnten proggigen Touch an. Songaufbau, Orchestrierung, Dynamik: Das ist Songwriting vom Allerfeinsten. Mit den letzten Minuten und dem Übergang zu '[Tablet III]' schießt Vierer dann aber den Vogel ab. Pastorale Gesangsstimmen liegen auf pulsierendem Schlagzeug, das Tempo wird immer schneller und wie der Aufstieg in eine andere Sphäre schickt uns das Teil unmittelbar in den Death-Metal-Schlund, der 'The Message' abschließt. Hier gibt es noch einmal die kompromisslose Abrissbirne neben feingeistigem Psychedelic-Sound, als wäre das etwas völlig Selbstverständliches.
Stellt euch einfach vor, die Mitglieder von DEATH und RUSH hätten sich zusammen TANGERINE DREAM angesehen, LSD genommen und dann beschlossen, ein Album zusammen aufzunehmen. Dieses Album wäre "Absolut Elsewhere". Völlig glasklare zehn Punkte für eines der besten Death-Metal-Alben, das ich je gehört habe. Und zwar perfekt produziert und abgemischt, falls sich das jemand nach meinem Lobeserguss wirklich noch fragen sollte.
Anspieltipp: Euer Ernst? Komplett in die Gehörgänge einpflanzen, das Teil!
Lest auch das ausführliche und sehr interessante Interview, das ich mit Paul Riedl geführt habe.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Nils Macher