BöHSE ONKELZ - Vaya Con Tioz (DVD)
Mehr über Böhse Onkelz
- Genre:
- Deutschrock
- Label:
- Rule23 / SPV
- Release:
- 16.02.2007
- Aufbau (Doku)
- Ankunft Onkelz (Doku)
- Probe (Doku)
- Statements (Doku)
- Public Race (Doku)
- Supportbands (Doku)
- Vorfreude (Doku)
- Intro 28
- 10 Jahre
- Ich bin in dir
- Kneipenterroristen
- Signum des Verrats
- Ein langer Weg
- Bomberpilot
- Nekrophil
- Heute trinken wir richtig
- Falsche Propheten
- Nenn mich wie du willst
- Ich lieb mich
- Keine ist wie du
- Stunde des Siegers
- Mexico
- Erinnerungen
- Interview (Extra)
- Probe (Extra)
- Der letzte Tag (Doku)
- Dragsterrennen (Doku)
- Supportbands (Doku)
- Der letzte Gang (Doku)
- Intro
- Hier sind die Onkelz
- Dunkler Ort
- Terpentin
- Fahrt zur Hölle
- Onkelz vs. Jesus
- Entfache dieses Feuer
- Die Firma
- Nichts ist so hart wie das Leben
- Leere Worte
- Superstar
- Schutzgeist der Scheiße
- Narben
- Onkelz 2000
- Keine Amnestie für MTV
- Feuer
- Danke für Alles (Schlussansage)
- Adios
- Baja
- Abspann
- Letzte Worte
- Abschied
- Crew
- Fanz
- Interview
- Bühne
- Wonderfools
- Discipline
- Sub7even
- D-A-D
- Motörhead
- Machine Head
- PsychoPunch
- Pro-Pain
- J.B.O
- In Extremo
- Rose Tatoo
- Children of Bodom
- Interviews
- Bonussongs
Nach einer durchzechten Nacht und sieben Stunden DVD muss ich sagen: Boah, die neue ONKELZ-Box ist ja voll goil! Nein, im Ernst: "Vaya Con Tioz" hat wirklich seine Vorzüge. Vier DVDs plus ein fettes Buch in einem weißen Lederumschlag ist schon ein Umfang, der dem Abtritt einer der erfolgreichsten deutschen Bands der vergangenen Jahre absolut würdig ist. Schließlich strömten seinerzeit über 100.000 Menschen auf den Lausitzring, um ein Festival der Superlative zu erleben - das größte, das je von einer europäischen Band allein auf die Beine gestellt wurde.
DVD I
Los geht die umfangreiche Doku mit dem ersten Tag, dem Bühnenaufbau, kilometerlangen Auto-Schlangen und der Ankunft der Band. Alles schön auf Breitwand und siebzigermäßig im Splitscreen. Zwar ziehen sich die Aufbauten, die dazu gehörigen Erklärungen und die Bandprobe etwas in die Länge; allerdings soll dies wohl auch verdeutlichen, wie gewaltig der Bühnenumfang war. Nicht zu Unrecht staunt Rob Flynn (MACHINE HEAD) über die "fucking" riesige Wand von Amps. Nach einem Dragster-Rennen und den Vorbands (u. a. D.A.D., MOTÖRHEAD und besagte MACHINE HEAD) dürfen die "wilden Jungs" endlich auf die Bretter.
Noch herrscht lockere Stimmung, und die vier Jungs aus Frankfurt sind selbst von den gigantischen Ausmaßen beeindruckt. Die Kamerafahrt aus einem Helikopter über das gewaltige Publikum, zwischen dem die Wellenbrecher wie die chinesische Mauer vom Mond aus erscheinen, lässt jedem die Kinnlade runterfallen. Das erste Konzert stand ganz im Zeichen der ersten zwölfeinhalb Jahre der Bandgeschichte, und so finden sich hier Klassiker von 'Signum des Verrats' über '10 Jahre' bis hin zu 'Heilige Lieder'. 16 Songs haben es auf die DVD geschafft, und noch herrschte beim Publikum ebenso wie bei der Band lockere Partystimmung. Schließlich hat man noch ein letztes Konzert vor sich ...
DVD II
Der zweite Abend ließ sich für die ONKELZ-Familie umso schwieriger an. Zunächst aber gab es noch ein volles Programm mit J.B.O., IN EXTREMO und CHILDREN OF BODOM. Dann machten sich die ONKELZ auf zum schwersten Gang ihres Lebens. Sichtlich angespannt sieht man Stephan Weidner in Richtung Bühne schreiten und auch einen Autogrammwunsch ausschlagen. Zu sehr will er sich auf diesen letzten Gang konzentrieren. Diesmal steht die zweite Hälfte der Bandgeschichte auf dem Plan, also Titel von 'Entfache dieses Feuer' über 'Terpentin' bis hin zu 'Feuer'. Wieder steht dem Zuschauer der Mund offen angesichts dieser gewaltigen Bühne, an deren Dach jeder ONKEL eine Leinwand für sich allein hat. Die Stimmung tobt – um dann letztendlich ins Bodenlose zu stürzen: Nach 'Feuer' (ursprünglich nach dem obligatorisch vorletzten Titel 'Auf Gute Freunde') ergreift Stephan das Mikro, um den Abschied verkünden.
Eine Abschiedsrede, die sich über volle 13 Minuten (!) zieht. Immer wieder muss der Chef-ONKEL abbrechen, bewegt von den Publikumsreaktionen: Über 100.000 Fans knien vor der Band nieder, und als Stephan ihnen für diese Ehrbietung danken will, kommt aus allen Kehlen "Wir danken EUCH!" zurück. Kein Auge bleibt trocken, und jeder, der dabei war, wird unaufhaltsam in die traurige Stimmung von damals zurückgeworfen. "Ich kann nicht mehr", sagt Stephan und kündigt das finale 'Ihr hättet es wissen müssen' an. Anschließend verlässt er völlig benommen die Bühne, während vor allem Schlagzeuger Pe sich noch ein letztes Mal in den Umarmungen der ersten Publikumsreihe aalt und ein Abschlussfeuerwerk emporsteigt. Ganz große Emotionen!
DVD III
Das Making-of und der Silberling für bzw. über die "Fanz". Alles, was drumherum passiert ist, vom Campingplatz bis zur ONKELZ-Karaoke. Allerdings müsste man nicht gleich zu Beginn mit zig Interviews erschlagen werden, bis auch der letzte Fan ins Mikro genuschelt hat, wie schade der Abschied doch sei und dass die ONKELZ schon fast eine Religion wären. Stattdessen fehlt eine Vogelperspektive über das riesige Campinggelände, obwohl auch die Konzerte vom Helikopter eingefangen wurden. Ein Blick in den VIP-Bereich ist zwar auch mal interessant, aber auch hier nervt etwas die Selbstbeweihräucherung, wie gut man doch mit der Band befreundet sei. Auch die Garderobendame der ONKELZ erscheint überflüssig, ebenso das minutenlange Geplapper des Chef-Sanis, obwohl sich Organisator Thomas Hess auf DVD Numero Uno bereits ausführlich zum Thema Sicherheit geäußert hat.
Schön hingegen die Szene im überlaufenen Merchandise-Stand (samt gestresstem Ober-Mercher) und im Bierstand (das ONKELZ-eigene BOB-Bier soll hier nicht unerwähnt bleiben). Zudem gibt es ein Interview von "Rock Hard"-Chefredakteur Götz Kühnmund mit Stephan Weidner (Alter, setz die Poser-Mütze ab!). Zuletzt kommt noch mal eine ausführliche Beschreibung der Bühne, obwohl auch diese schon auf dem ersten Silberling zur Genüge abgefeiert wurde. Sicherlich ist klar, dass ein dermaßen riesiges Ereignis mit einer entsprechenden Extra-Disc abgefeiert werden soll, aber mit anderen Mitteln wäre dies sicher besser gelungen. So hätte man mal den riesigen Fußweg vieler Fans darstellen können, die vom hintersten Eck des Campinggeländes ungelogen eine Stunde bis zur Bühne unterwegs waren.
DVD IV
Die Festival-Disc mit allen Bands, die nicht mit BÖHSE anfangen. Für alle ONKELZ-Fans, die auch eine ordentliche Portion Rock und Metal dazu haben und das ganze Festival-Feeling noch mal genießen wollen. Schließlich hat man so ziemlich alle vertretenen Bands noch nie auf einer dermaßen großen Bühne und vor so viel Publikum gesehen, eingefangen von so vielen Kameras. Zudem kommen alle Bands zu Wort und erteilen den ONKELZ einen regelrechten Ritterschlag.
So erklärt sie Angry Anderson (ROSE TATTOO) etwa zu unsterblichen Legenden, während sich Lemmy sogar ausdrücklich dafür bedankt, dass die ONKELZ an ihn und MOTÖRHEAD gedacht haben. Und Rob Flynn kann nachvollziehen, wie schwer es ist, einen schlechten Ruf aus der Jugend loszuwerden. Alle Bands sind mit einem Song verewigt – schade nur, dass es dieselben sind, die bereits auf den ersten beiden DVDs angespielt werden. Etwas mehr Auswahl hätte hier gut getan. Allerdings entschädigen zwei ONKELZ-Coversongs etwas: PRO-PAIN mit 'Terpentin' (geiler Ami-Akzent) und SUB7EVEN mit 'Ja, Ja' (in einer etwas langsameren Version).
Das Buch
160 Seiten stark, im weißen Hartumschlag. Die perfekte Beschäftigung für Gäste, die mit zitternden Händen darauf warten, dass man die erste DVD in den Player schmeißt. Vollgepackt mit Fotos aus der Zeltstadt, von allen Vorbands sowie ONKELZ-Coverbands und natürlich den ONKELZ selbst. Dazu viele Zitate (Rob Flynn: "This is fucking history! Look at this!") und Randnotizen. Schade nur, dass zwei Seiten, gespickt mit einer stichwortartigen Campingplatzbeschreibung von ONKELZ-Sprecher Eddy Hartsch, mehr aussagen als die gesamte Fanz-DVD (sprich: Etwas mehr Stimmung auf der DVD wäre von Vorteil gewesen). Bemerkenswert ist auch eine kurze Danksagung von Stephan an den verstorbenen Techno-DJ Markus Löffel alias Mark Spoon. Das Buch macht das Gesamtwerk als nette Beigabe bildlich zum "Buch der Erinnerungen".
Insgesamt ist die lederne Box natürlich in ihrer Form einem Riesenereignis wie den "Dos Ultimos Conciertos" absolut angemessen. Und wer Stephan Weidner und die ONKELZ kennt, weiß, dass sie es sich nicht nehmen lassen, zum Abschied noch mal einen auf richtig dicke Hose zu machen. Ob sie damit jedoch genau das Richtige für ihre Fans geschaffen haben, ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich wird kein Fan auf die ersten zwei DVDs verzichten wollen. Sie sind schlichtweg auf Silberlinge gebrannte Geschichte. Unvergesslich, ihresgleichen suchend. Auch die vierte DVD ist ein gutes Zeitzeugnis eines kaum wiederholbaren Ereignisses. Doch das Ganze hat auch seinen Preis. Und 80 Euro sind sicherlich eine Summe, die bei weitem nicht jeder Fan aufbringen kann und/oder will. Die vier DVDs, ihr lederne Einband und das Buch mögen eine der Größe des Ereignisses angemessene Idee gewesen sein. Allerdings hätten sich viele Fans sicher auch mit zwei Silberlingen zufrieden gegeben. Aber wahrscheinlich wollten die ONKELZ auch in kommerzieller Hinsicht nicht so weit gehen, in RAMMSTEIN-Manier vier verschiedene Versionen herauszubringen.
Was den Vorwurf einiger Fans, die gekürzte Songauswahl betreffend, angeht: Zum einen kann man Stephans Aussage widersprechen, es sollte nicht zu viele Überschneidungen mit den vorigen Live-Veröffentlichungen geben – welcher der enthaltenen Songs wurde denn bitteschön bisher noch nicht auf einem Live-Album veröffentlicht? Andererseits hat sich aber auch nie jemand über die Unvollständigkeit des Klassikers "Live in Vienna" beschwert – künstlerische Freiheit, die dem Eindruck dieses gigantischen Festivals keinen Abbruch tut. Unterm Strich wird diese Box in keiner ONKELZ-Sammlung fehlen dürfen – wenn der Fan es denn mit seinem Portemonnaie vereinbaren kann.
- Redakteur:
- Carsten Praeg