BORKNAGAR - Universal
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2010
Mehr über Borknagar
- Genre:
- Progressive Black Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Indie Recordings/Soulfood
- Release:
- 22.02.2010
- Havoc
- Reason
- The Stir Of Seasons
- For A Thousand Years To Come
- Abrasion Tide
- Fleshflower
- Worldwide
- My Domain
Eine unerwartet großartige Melange aus Musikstilen, die auf den ersten Blick kaum zusammenpassen.
Jetzt muss ich mich outen. BORKNAGAR ist, wenn ich mich recht erinnere, die einzige Black-Metal-Band, von der ich mir jemals ein Album gekauft habe. In diesem Fall sogar zwei. Das war 1997 und 1998, aber danach habe ich die Band aus den Augen verloren, denn mir gefiel der keyboardlastige Metal zwar so sehr, dass ich das Gekeife ertragen konnte, aber dann doch nicht so sehr, dass ich sofort jedes Album haben musste. Trotzdem höre ich gerne "The Olden Domain", denn da verbergen sich viele zwingende Melodien. Als es also um das neue Werk der Norweger ging, dachte ich mir, das könnte ich mir doch mal wieder anhören.
Gesagt, getan. Und dann kam die Überraschung! Die Band hat sich tatsächlich stark weiterentwickelt! Nach einer Minute Intro gibt es die gewohnte Black-Metal-Keule, gut produziert, schnell, mit fetten Keys und bösem Gesang. Dazu aber ein Hintergrundchor, der die Ecken abrundet und schnittig macht – und dann kommt ein klarer, großartiger Refrain. Huch! Und tatsächlich, die Black-Metal-Teile sind vom Zahn der Zeit abgenagt, erodiert und häufig zur Unkenntlichkeit abgeschliffen. Zwar verleugnen BORKNAGAR nicht ihre Herkunft, aber spätestens im Mittelteil des Openers 'Havoc' regiert Rock. Klare Gesangsmelodie, Groove, hammondartige Keys. Und das ist noch einer der schwärzesten Tracks. Gerade die langen Songs am Anfang des Albums lassen die Band noch gut in die Schublade des progressiven Black Metals fallen, aber spätestens mit 'The Stir Of Seasons' ist Schluss mit Böse. Von nun an schwingen gereifte Musiker das Zepter, mit einem Händchen für Melodien und Abwechslung. Das ist weniger die alten BORKNAGAR, wie ich sie kenne, als vielmehr AMORPHIS, Folk Metal und Indie Prog gemischt.
Es hätte mir eigentlich klar sein müssen, dass hier etwas Anderes kommen würde, als was ich vor über zehn Jahren auf die Ohren bekommen habe, denn immerhin hat die Band zuvor mit "Origin" ein lupenreines Akustik-Album aufgenommen. Aber trotzdem bin ich überrascht, wie großartig und fast nebensächlich die Band einschmeichelnde Melodien losjagt, ihnen dann in wildem Gehoppel nachrennt, sie anbrüllt und verängstigt, dann kurz in Sicherheit wiegt, um als Kontrast einen Ohrwurm von einem Refrain abzulassen, der nachhallt und süchtig macht. Zum Beispiel in 'For A Thousand Years To Come', 'Abrasion Tide' und 'Fleshflower'. Diese drei Songs sind für mich das Herzstück des Albums und verbinden Black Metal mit Progressive Metal in ganz unachahmlicher Weise. Ich bin schlichtweg begeistert.
Kurz vor Schluss darf dann nochmal etwas Black Metal mit traditionellem Hard Rock gepaart werden, und auch wenn hier der Black Metal deutlich gewinnt, klasse ist das allemal. Ich hätte mir nie vorstellen können, wie man JERUSALEM auf Black Metal intonieren kann. Als Rausschmeisser fungiert dann nochmal ein Song, der die neuen BORKNAGAR, die rockigen, leicht folkigen, repräsentiert. ANATHEMA, MY DYING BRIDE zu ihrer klaren Phase, etwas PARADISE LOST vielleicht – aber definitiv kein Black Metal mehr. Das ist so weit davon weg wie SOILWORK oder IN FLAMES vom Death Metal. Beides macht die Bands für mich übrigens umso wertvoller.
Damit werden sich die Norweger sicher nicht nur Freunde machen. Aber wie ich aus der Bandbio erfahren habe, bin wohl nur ich so stark überrascht, und für Genrefreunde kommt eine solche Entwicklung wohl nicht ganz unerwartet. So darf ich dann hinzufügen, dass BORKNAGAR zwar ihren Stil weiter verfeinert haben und mit den Frühzeiten nicht mehr viel gemein haben, aber dass sie jetzt noch viel bessere Musik machen als damals. Ich muss jetzt mal die Lücken in der Diskographie schließen, um herauszufinden, wie BORKNAGAR zu diesem Punkt gekommen sind.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Frank Jaeger