BURZUM - Umskiptar
Mehr über Burzum
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Byelobog / Plastic Head
- Release:
- 29.05.2012
- Blóðstokkinn
- Jóln
- Alfadanz
- Hit Helga Tré
- Æra
- Heiðr
- Valgaldr
- Galgviðr
- Surtr Sunnan
- Gullaldr
- Níðhöggr
Mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Konzeptwerk, das allerdings etwas distanziert wirkt.<br />
Seit er wieder darf, lässt Varg Vikernes seiner Kreativität im Jahrestakt freien Lauf, und so begibt es sich, dass das dritte Jahr auch das dritte Studioalbum nach seiner Haftentlassung, insgesamt das neunte BURZUM-Album bringt. Dieses hört auf den schönen Namen "Umskiptar", was so viel heißt wie "Verwandlungen". Geziert wird das schmucke Digibook von einem die Nachtgöttin Nótt darstellenden Gemälde des norwegischen Romantikers Peter Nicolai Arbo (von welchem auch das für BATHORYs "Blood Fire Death" genutzte Gemälde stammt), und vertont wird die in altnordischer Sprache gefasste eddische Versdichtung der "Völuspá". Vikernes hat sich also an einem ehrgeizigen Projekt versucht, sodass die Frage bleibt, wie ihm das Unterfangen gelungen ist.
Zunächst ist zu sagen, dass die Struktur des Albums den textlichen Vorgaben der literarischen Vorlage folgt, und die Texte im Wesentlichen unverändert aus heidnischen Zeiten übernommen sind. Stilistisch führt Vikernes die mit "Belus" und "Fallen" beschrittene Entwicklung durchaus konsequent fort, er wagt sich jedoch an neue Stilelemente und knüpft manches Mal sogar kurz und dezent an seine elektronischen Ambient-Alben der Jahre 1997 bis 1999 an. Das wird sicher manchen Kritiker und Hörer in der Ansicht bestätigen, dass BURZUM den Status der schwarzmetallischen Referenzgröße nun endgültig verloren habe, doch letztlich wird man sagen müssen, dass der Protagonist diesen Titel gar nicht beansprucht und wohl auch nicht haben will.
Wie der Vorgänger lebt auch "Umskiptar" von flächigen, schweren, fast doomigen Riffs, die in einen nach wie vor sehr eigenwilligen Zwieklang mit den für Vikernes unverkennbaren Single-Note-Strumming-Leads treten. Auch gesanglich beziehungsweise stimmlich wird der Ansatz von "Fallen" weiterverfolgt, der Musiker arbeitet nochmals mehr mit seiner natürlichen, unverfälschten Stimme. Sei es mit meditativem, mantrischem Klargesang oder mit rezitativem Sprechen. Natürlich erklingt auch wieder die harsche, grimmige Stimme welche vor allem "Belus" prägte, doch sie hat deutlich weniger Raum als zuletzt. Was erneut gänzlich fehlt, und so wie es aussieht wohl auch nicht wiederkehren wird, das sind die verzweifelten, unmenschlichen Schreie der Frühphase BURZUMs. Offenbar spielen sie im musikalischen Selbstverständnis heute keine Rolle mehr, was man durchaus schade finden kann. Andererseits soll ein Musiker ja so singen, wie er sich fühlt, und die erfasste und im Album kanalisierte Gefühlswelt dürfte sich ganz erheblich verändert haben.
Da es sich um ein Konzeptalbum handelt, das sich kaum in einzelne Songs zerteilen lässt, möchte ich an dieser Stelle nicht auf jeden Track der Scheibe eingehen, sondern eher kursorisch die Wandlungen des Albums skizzieren. Nach einer kurzen gesprochenen Einleitung, die lediglich von wuchtigem Schlagwerk und Lurenklängen begleitet wird, bewegen wir uns in den folgenden neun Edda-Versen in stilistischen Dimensionen, die in wesentlichen Zügen dem musikalischen Ausdruck der "Fallen" entsprechen. Griffige, sehnsuchtsvolle und doch geisterhaft surrende Melodien, einnehmende Perkussion, gen Himmel strebende Klangsäulen der Gitarren und der Wechselgesang, der inzwischen zu Vargs neuem Markenzeichen geworden ist, lassen das Album eindrucksvoll und vielversprechend beginnen. Ein kurzes Piano-Intermezzo erinnert kurz an "Dauði Baldrs"-Zeiten, bevor die Gitarre das Motiv aufnimmt, und sich der Albentanz in einen schleppenden, folkloristischen Zwergenwalzer entwickelt.
Wenn sich das Album darauf hin dem heiligen Baume zuwendet, dann nimmt es auch wieder einen metallischer anmutenden Viervierteltakt auf, wobei die Gitarre wieder an Wucht zunimmt, das Doom-Element noch weiter nach vorne gerückt wird. Doom im Sinne von elegisch, schwer und reduziert. Doch spätestens hier tritt etwas zu Tage, was manch ein Hörer durchaus als Makel des Albums empfinden könnte. Das rezitative Element ist sehr massiv, die Wiederholung der musikalischen Motive und der Gesangshooks mitunter zu perseverativ, was die zahlreichen überlangen Titel doch etwas zu ausladend scheinen lässt. Das kurze 'Æra' bedient noch am ehesten schwarzmetallische Gelüste, treten doch zum schnellen Picking, dem angezogenen Beat und dem vertrauten raunenden Grummeln auch wieder vereinzelte Schreie. Nach dem Verklingen des kurzen Durchbruchs des alten Stils begegnet uns ein weiteres stimmlich sehr rezitatives Intermezzo, das instrumental ausschließlich vom Bass getragen wird, der mich hier interessanterweise des Öfteren an Joey DeMaio erinnert. Die Gitarre liefert lediglich riffende Farbtupfer, das Schlagwerk fehlt völlig. Es folgen verträumte Elegien mit schwelgendem Klargesang, der ein Duett mit verwunschen murmelnden Erdbewohnern einzugehen scheint, hymnisch beschwörende Passagen, entrückte, atmosphärische Momente, die weitgehend ohne Schlagzeug und Perkussion auskommen und allein mit Gitarre, Bass und Stimme ambiente Klanglandschaften erzeugen.
Zusammenfassend ist "Umskiptar" dem Titel folgend ein Album, das BURZUM einmal mehr deutlich gewandelt zeigt. Vor diesem Hintergrund lässt sich also durchaus konstatieren, dass die hohe Frequenz der Veröffentlichungen offenbar tatsächlich aus einer sehr kreativen Phase des Herrn Vikernes resultiert. Auch zeigt das Album einen stilistisch sehr beachtlichen Abwechslungsreichtum, spannende Wendungen und eine große Vielfalt von variabler Atmosphäre und wechselndem Ausdruck. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sehr viele Anhänger des BURZUMschen Schaffens sicher große Schwierigkeiten haben werden, ein Stück wie den mantrischen Zehnminüter 'Gullaldr', der gänzlich ohne Drums auskommt, regelmäßig ohne Ermüdungserscheinungen zu hören. Es geht in der Umsetzung der "Völuspá" bisweilen das Mitreißende verloren, das bisher alle BURZUM-Alben über Weite Strecken auszeichnete, und es fühlt sich ein Stück weit so an, als würde durch die wortlautgetreue Vertonung dieses uralten Mythengedichts erstmals eine gewisse Kluft, eine rationale Distanz zwischen dem Werk, dessen Schöpfer und dem geneigten Hörer spürbar. Das ist keineswegs schlimm, aber ungewohnt. Auch wenn man durchaus annehmen darf und auch zu spüren glaubt, dass die Texte dem Musiker sehr viel bedeuten, so fühlt es sich doch noch unmittelbarer und authentischer an, wenn die eigenen Texte mit der eigenen Musik Hand in Hand gehen.
Daher werte ich "Umskiptar" für mich als sehr schönes, mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Konzeptwerk, das keine Stilgrenzen kennt und viel Abwechslung bietet, das mir jedoch nicht so direkt und tief in die musikalische Seele fährt, wie dies bei "Fallen" und bei "Belus" der Fall war.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle