CALLISTO - Secret Youth
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2015
Mehr über Callisto
- Genre:
- Post Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Svart Records
- Release:
- 30.01.2015
- Pale Pretender
- Backbone
- Acts
- The Dead Layer
- Lost Prayer
- Breasts Of Mothers
- Grey Light
- Ghostwritten
- Old Souls
- Dam's Lair Road
Staunen, schwelgen, rätseln
Mit CALLISTOs "Secret Youth" steht bereits Ende Januar ein Album in den Startlöchern, das schon vor dem offiziellen Release für so manchen Journalisten und Prog-Fan einen potentiellen "Album-des-Jahres"-Kandidaten darstellt. Von einer der seltenen Veröffentlichungen zur nächsten wusste der skandinavische Siebener schließlich immer wieder zu überraschen: In der frühen Entwicklungsphase noch deutlich härter, Sludge-orientierter, spätestens mit dem 2009er Output "Providence" atmosphärischer und gediegener. Auf die Funkstille der letzten Jahre folgt heuer mit "Secret Youth" nun die Essenz aus beiden Schaffensphasen und somit erneut ein enorm dichtes, intensives Hörerlebnis, welches meine hohen Erwartungen allerdings nicht ganz erfüllen kann.
Wenn "Secret Youth" mit den bedrohlich dröhnenden Klangwänden des 'Pale Pretenders' eröffnet wird, kennt meine verstörte Begeisterung zunächst keine Grenzen. Die Finnen liefern mit dem flotten Opener ein hochklassiges Stück anspruchsvoller Rockmusik ab, voller progressiver Magie, mit latenter TOOLscher Aggression, verdichtet zu monolithischen Akustikwelten wie jenen von CULT OF LUNA. Knapp sieben Minuten währt dieser Strudel aus beschwörerischem Gesang und dem fesselnden Gewebe der Instrumente, immer wilder wird die Hatz, bis der Sog den Hörer schließlich unvermittelt ausspuckt. Der Bruch zum folgenden 'Backbone' könnte größer kaum sein; nun erschaffen disharmonische Gitarrenklänge und jazzartiges Schlagzeugspiel einen Schwebezustand, der nach kurzer Zeit von harschem Geschrei und postmetallischem Riffing aufgelöst wird. Sänger Jani Ala-Hukkula findet jedoch zurück zu hypnotischem Klargesang, der im Refrain explosionsartig in einen aufwühlenden Gewaltausbruch mündet. Eine unkontrollierte musikalische Sprengladung. Track Nr.3 wiederum könnte fast als progressiv angehauchte Indie-Nummer durchgehen. INTERPOL meets PORCUPINE TREE. Oder so ähnlich. Ein sphärisches Interlude leitet über zum nächsten, eher besinnlichen Track des Albums, dem dezent verträumten, aber nicht minder fesselnden 'Lost Prayer', welcher beinahe Ohrwurmcharakter aufweist. Trotz dieser zurückgenommenen Nummer brummt dem Hörer zur Halbzeit mitunter schon ordentlich der Schädel. Schwelgen? Rätseln? Erschöpft in der Ecke kauern? Sowohl als auch, wage ich zu behaupten.
"Secret Youth" benötigt Zeit, soviel steht fest. Während der ersten Hördurchgänge bleibt vor allem ein dichter Klangteppich von halbverzerrten Gitarren, Schlagzeugechos und einer langgezogenen, beschwörerischen Gesangsstimme zurück. Sobald sich die einzelnen Stücke aus dem Dickicht herausschälen, geht über dem Meer aus Tönen glühend die Sonne auf und beginnt, die Konturen der einzelnen Kompositionen auszuleuchten. So wird erkennbar, dass neben 'Pale Pretender' mit 'Breast Of Mothers' erst an sechster Stelle wieder ein unbestreitbares Highlight steht: In dem relativ lange instrumental gehaltenen Stück klingt CALLISTO nämlich wieder gefährlich, monströs, und verweigert der Hörerschaft auch beim Einsatz des Gesangs eine erleichternde Auflösung. Der Spannungsbogen wird vielmehr nervenzerfetzend angezogen und der Song zu einem Monument an Unbehagen aufgetürmt. Majestätisch! Erst im folgenden Kontrapunkt 'Grey Light' wird diese Spannung abgebaut; hier wird schon beinahe linear, ohne große emotionale Ausreißer gerockt, obwohl die latente Aggression, die sich durch das Album zieht, auch hier bemerkbar wird. Die letzten drei Tracks runden die Platte ab, ohne noch einmal aus der dichten Klangmasse hervorzustechen.
Einzeln betrachtet liefert CALLISTO anno 2015 mehrere hochklassige Post-/Prog-Metal-Nummern ab – nur in der Summe will sich bei mir, trotz der unbestreitbaren Geschlossenheit des Albums, keine grenzenlose Begeisterung einstellen. Nach einer gewissen Zeit beginnt der permanente Blechteppich des Schlagzeugs zu ermüden; ebenso entwickelt die näselnde Stimme Ala-Hukkulas hier und da einen gewissen Nervfaktor. Und so rätselhaft und spannend die Kompositionen auf "Secret Youth" auch ausfallen, lässt mich das Gesamterlebnis am Ende doch relativ kalt. Wie schon eingangs gesagt: Einige dürften mit "Secret Youth" bereits im Januar eines ihrer Jahreshighlights gefunden haben. Anderen dürfte es gehen wie dem Verfasser dieser Zeilen: "Secret Youth" vermag zu faszinieren, ohne die ganz großen Emotionen hervorzurufen, und strengt einen Tick zu sehr an, um nach der finalen Entschlüsselung noch weiter nach Dauerrotation zu schreien.
Anspieltipps: Pale Pretender, Breasts Of Mothers, Acts
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timon Krause