COWBOY JUNKIES - Open
Mehr über Cowboy Junkies
- Genre:
- Rock / Postrock / Folkrock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Cooking Vinyl / Indigo
- Release:
- 14.05.2001
- I Did It All For You
- Dragging Hooks (River Song Trilogy: Part III)
- Bread And Wine
- Upon Still Waters
- Dark Hole Again
- Thousand Year Prayer
- I'm So Open
- Small Swift Birds
- Beneath The Gate
- Close My Eyes
<em>"Which way you looking?",</em> fragen die <strong>COWBOY JUNKIES </strong>auf der Rückseite des Booklets zu <strong>"Open"</strong>, schauen vom Bluegrassgipfel hinab, entlang psychedelischer Shoegazeströme in traurige Postrockniederungen und wieder empor zu neuer Folkrockhoffnung. <br />
Die kanadischen COWBOY JUNKIES schreiben Musik zwischen Bluegrass, Gitarrenpop und Rock mit unterschiedlichen Ausschlägen in die jeweiligen Richtungen. Neben ausgezeichnetem Songwriting beherrschen sie auch die hohe Kunst des jeweils zum Stück passenden Arrangements, sodass selbst stillste Werke ihren ganz eigenen, fesselnden Charme erhalten und die Musiker es in der Vergangenheit immer wieder geschafft haben, sich Werke so unterschiedlicher wie auch charakteristischer Künstler zu eigen zu machen, wie dies etwa HANK WILLIAMS, LOU REED oder THE CURE sind.
Bei "Open" hat sich das Quartett weiter in Richtung Rock geöffnet, als auf manch anderem Werk, das mitunter eher schon fast in die Richtung von Leisetretern wie SAVOY GRAND abdriftet. Hier dagegen scheint eher ein shoegazender Postpunkeinfluss durch, finden sich verstärkte und angezerrte Gitarrentöne im steten Fluss der Musik wieder, glitzern hin und wieder auch psychedelische Klangfolgen durch den tiefdunkel gestimmten Grundton der Platte hindurch. Auch Margo Timmins helle Stimme klang selten so gedämpft und melancholisch wie in den traurigsten Momenten von "Open". Und doch stiehlt sich bei den COWBOY JUNKIES immer wieder auch ein Anflug von Hoffnung selbst noch in die schwärzesten Songs.
Die musikalische Stimmungsmalerei auf "Open" beginnt mit dem schleppenden, aus hintergründigem Kratzen und wässrigem Wabern heraufdämmernden 'I Did It All For You', einem wie nebelverhangen durch blassen Gesang und halb nostalgische, halb depressive Gedankengänge mäandernden Einführungsstück. Nach diesem langen Quasi-Intro zieht 'Dragging Hooks (River Song Trilogy: Part III)' den Hörer tief hinab in einen elegischen Song voller Trauer und Wehmut: Zu einem langsam jazzigen, offen gehaltenen Ryhthmus, der fast schon BOHREN & DER CLUB OF GORE-Qualität erreicht, breitet Margo Timmins mit belegter Stimme über die schwarz psychedelisierenden Gitarren und Mundharmonika-Ströme hinweg schwebende Seelenpein aus. Das Fischen nach Ertrunkenen ist sicherlich keine anheimelnde Arbeit und hier wurde es auch entsprechend klamm umgesetzt. Die für solcherlei Stimmungen die lautmalerische Leinwand grundierenden, offenen Rhythmen, die "Open" auszeichnen, werden im etwas positiver gestimmten 'Upon Still Waters' um einige zurückhaltende Mandolinenklänge ergänzt. Diese hellen den steten Fluss der angezerrten Gitarren bisweilen auf, der sich dazwischen wiederum progressiv auffächert, um das zwischen Ruhe und Ergriffenheit changierende Stück bei aller Dynamik zusammenzuhalten.
Zieht der Rhythmus einmal an wie in 'Dark Hole Again', so wird dies gleich konterkariert durch irrlichternde Gitarrenlinien, die eindeutig vom Blues geprägt sind, hier jedoch ziemlich mager (um nicht zu sagen: ausgezehrt) daherkommen. Zusammen mit Wurlitzerorgel und Bass tanzen sie träge wie narkotisierte Motten ums Licht von Margo Timmins Stimme, welche im psychedelischen Sog und in den Überlagerungen dieser abwärts trudelnden Flugbahnen unterzugehen droht und doch inmitten dieses zeitlupenartig zelebrierten Gefühlsstrudels ausharrt, bis dieser Sog schließlich nachlässt und im Abebben einen inzwischen zumindest von der Empfindung her wieder etwas geöffneteren Rhythmusteppich freilegt. Das Konzept von Katharsis durch Musik geht auf.
Munterer musizieren die COWBOY JUNKIES bei 'I'm Open', doch auch hier zieht wieder die Psychedelik ein (in Form von ineinander verschlungenen Wurlitzer- und Gitarren-Linien) und auch hier gibt es langsame Passagen (im ruhig waltzenden Rhythmus, der die Folk- und Countryeinflüsse der Band zutage fördert). Und die COWBOY JUNKIES wären nicht die COWBOY JUNKIES, würde nicht auch hier wieder die Sehnsucht zum Vorschein kommen, welche hier freilich eher zelebriert als durchlitten wird. Da möchte einem das Herz zerspringen vor durch die empfindliche Milde ihres musikalischen Ausdrucks umso tiefer empfundenen Gefühlen von Sturm und Drang.
Zärtelnder in Musik gegossen haben die COWBOY JUNKIES Gefühle von Nostalgie, Sehnsucht oder auch Melancholie in 'Beneath The Gate'. Hier zeigt sich in ähnlich behutsamen und schlicht schönen Arrangements wie auch schon auf früheren Alben das songwriterische Talent des Quartetts in seiner reinen Essenz. Und wie überhaupt die zweite Hälfte des Albums hoffnungsvoller, klarer, tendentiell auch lichter gestimmt ist als der dunkle, verworrene Psychodeliktunnel der ersten Hälfte, so wirkt dieses Stück vielleicht am ausgeglichensten von allen. Mit dem ebenso ausgeglichenen, gewissermaßen frei und offen atmenden, wieder etwas bewegteren und pianolastigen Folksong 'Close My Eyes' scheint dann endgültig wieder die Sonne in die Seele. Die elektrisch nurmehr leicht angezerrte Gitarre zieht fast schon sanft im Hintergrund mit, ordnet sich dem Song unter und bereichert um das Wissen all dessen, was sie an Durchstandenem zuvor ausgedrückt hat.
So endet "Open" auf einer versöhnlichen Note, und gerade diese kontinuierlichen, von einigen vorweggenommenen Aufatmern und einigen wieder herunterziehenden Momenten stimmungsmäßig eingetrübte Entwicklung macht dieses Album so besonders schön. Die dunklen, mitunter wogenden Töne werden bereits ansatzweise geglättet oder doch zumindest aufgelockert durch die Stücke 'Bread And Wine' mit seiner warm strömenden Wurlitzerorgel und den fast schon hitzig wirkenden, verzerrten Gitarren zwischendurch und durch ein matt glitzerndes Piano zu den Besenstrichen, vorsichtig dazwischengetupften Rimshots und schummrigen Basstönen, die im 'Thousand Year Prayer' die schiere Schönheit von Margos Gesang untermalen, sowie durch den halbakustisch eingespielten, folkloristisch-countriesk anmutenden Song 'Small Swift Birds'.
Dass dennoch das dustre Element auf "Open" besonders nachhaltig zu wirken vermag, liegt zum einen daran, das dies bei den COWBOY JUNKIES sonst nie so intensiv ausgemalt wurde, zum anderen daran, dass die ersten Stücke diese Dunkelheit so (fast schon episch) ausgedehnt, ganzheitlich und eben auch raumfüllend (elektrisch verstärkt) zelebrieren, dass die kürzeren wohligeren Stücke sich damit verglichen weitaus flüchtiger anfühlen.
Trotz aller Dunkelheit und Niedergeschlagenheit von Stücken der Langsambrenner 'I Did It All For You', 'Dragging Hooks', 'Upon Still Waters' und 'Dark Hole Again' klingt die Musik der COWBOY JUNKIES niemals verbittert, verhärtet, bohrend oder brachial. Dass sie dennoch so eindringlich und nachhaltig wirkt, so tiefe Empfindungen hervorrufen kann wie sonst kaum ein anderes Rockalbum, darin gründet die besondere Größe der COBWOY JUNKIES.
Anspieltipps: 'Dragging Hooks (River Song Trilogy: Part III)', 'Dark Hole Again', 'I'm So Open', 'Close My Eyes'.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz