DøDHEIMSGARD - A Umbra Omega
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2015
Mehr über Dødheimsgard
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Peaceville / Snapper
- Release:
- 16.03.2015
- The Love Divine
- Aphelion Void
- God Protocol Axiom
- The Unlocking
- Architect Of Darkness
- Blue Moon Duell
Wahnsinn regiert im Reich der Toten!
Was soll ich zu dieser Musik sagen? Dass sie ultimative Euphorie in mir auslöst? Genial, brilliant, aussergewöhnlich; fantastisch, grotesk, bizarr; das Bewusstsein erweiternd, mit der Wahrnehmung spielend, den Intellekt stimulierend? Wenn ich jetzt noch schreibe, dass man davon schöner wird, denkt sicher auch noch der Letzte: der spinnt, der Schreiberling.
Um dies zu vermeiden, gibt es jetzt erstmal Fakten, zumal die Band bislang in diesem Magazin noch nicht stattgefunden hat. Die Band DØDHEIMSGARD (kurz DHG) ist schon seit Mitte der Neunziger Spielwiese für Bandkopf Yusuf Parvez aka Vicotnik. Kenner wissen, dass Musik mit seiner Beteiligung (u.a. VED BUEN ENDE und CODE) immer speziell ist: Düster, experimentell, verquer, progressiv. Vier Studioalben hat er bislang mit DØDHEIMSGARD entworfen, die sich mit der Zeit vom Black Metal typisch norwegischer Prägung immer mehr in Richtung Avantgarde wandelten. Auf dem letzten Lebenszeichen "Supervillain Outcast" offenbarte sich zudem seine große Neigung zu Industrial-Klängen und Spielereien mit elektronischen Verzerrungen. Nichtsdestotrotz war die musikalische Wurzel immer Black Metal und daran hat sich auch auf "A Umbra Imago" nichts geändert.
Geändert hat sich allerdings die Position am Mikro. Hier hören wir wieder den Ur-Sänger Bjørn Dencker Gjerde aka Aldrahn. Ja, genau eben jener, der meinen Black-Metal-Kollegen Rüdiger und Nils anno 2014 ihr “Album des Jahres” beschwert hat: "Deep Drone Master" von THE DEATHTRIP. Aldrahn übernimmt also wieder den Posten von Kvohst, den wir wiederum von CODE, HEXVESSEL und BEASTMILK kennen.
Ich gebe zu, diese Namens-Jongliererei birgt die Gefahr, dass man den Überblick verliert, doch hilft sie auch, die Musik der Band ein wenig einzuordnen. Denn mit Worten ist sie sehr schwierig zu beschreiben. Es gibt hier fünf Songs plus Intro zu bewundern, die alle zwischen elf und fünfzehn Minuten lang sind und in denen über die volle Distanz der Wahnsinn regiert. Und dieser Wahnsinn ist extrem facettenreich. Es ist erst einmal instrumentaler Wahnsinn. Scheinbar mühelos werden rasende Nähmaschinen-Blast-Parts an Free-jazzige Improvisationen gereiht, nur um urplötzlich von dunklen Dark-Wave-Akkorden abgelöst zu werden, bevor die Akustik-Gitarre relaxte 70ies-Prog-Parts anstimmt, die sich mit schwarz-norwegischeer Rasereien einen zähen Kampf um die musikalische Vorherrschaft im Heim der Toten ausfechten ('Aphelion Void').
Vom Wahnsinn geprägt ist auch Aldrahns Gesang, der hier ganz anders eingesetzt wird als noch bei THE DEATHTRIP. Wie ein satanischer Geschichtenerzähler lotst er den Hörer durch das Album. Nun, “lotsen” ist das falsche Wort. Aldrahn verliert immer wieder selber den Weg, die Kontrolle über die Stimme. Sie überdreht sich und scheint von bösen Dämonen besessen zu sein. Es gibt Passagen, wie in 'God Protocol Axiom', in denen der Gesang und Vicotniks gewohnt kunstvoll disharmonischen Leadgitarren diabolische Dialoge liefern, sich gegenseitig belauern, umgarnen, vereinigen, Energie aufbauen und fürwahr einen Urknall verursachend wieder trennen. Kompositorisch phänomenal.
Wahnsinn regiert auf einer dritten Ebene auch bei den Texten. Soweit ich das sehe, scheint der zentrale Satz des Albums wie folgt zu lauten: "There is a place called reality, hidden to all man. You can reach it through insanity but never to return again" ('Aphelion Void'). Es geht um Seelenmanipulation, Massenhypnose, Selbstreflexion und am Ende um die Kunst, wahnsinnig zu werden.
Doch keine Angst, liebe Musikfreunde, DØDHEIMSGARD kann man auch ohne Geisteskrankheit voll genießen, wenn man dem Album nur seine Freiheit lässt. Eine gute Anlage und ein Glas Rotwein kann ich empfehlen. Und irgendwo habe ich im Zuge der Review-Recherche gelesen, die Musik von DØDHEIMSGARD sei fast wie eine Art Kabarett des Irrsinns. Und ich stelle mir grade vor, wie das live inszeniert werden könnte. Eine Mischung aus Black Metal und Theater? Wenn eine Band das schafft, dann DØDHEIMSGARD: "O’ great goddess of flesh and tomorrow, grant me a second chance and I’ll sure cry you these tears FOREVER!"
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Thomas Becker