DARK SUNS - Orange
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2012
Mehr über Dark Suns
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Prophecy Productions (Soulfood)
- Release:
- 02.12.2011
- Toy
- Eight Quiet Minutes
- Elephant
- Diamond
- Not Enough Fingers
- Ghost
- That Is Why They All Hate You In Hell
- Vespertine
- Scaleman
- Antipole
Die Reise geht weiter - weniger melancholisch als früher, dafür mit einer tief im Prog Rock der 70er Jahre verwurzelten Platte.
Erste Erkenntnis nach nur wenigen Sekunden Laufzeit des Openers 'Toy': DARK SUNS aus Leipzig weigern sich mit "Orange" erneut, eine erwartbare Platte einzuspielen. Und legen erstmal mit geradezu "typischem" Prog Rock los und wenn man nicht so genau hinhört, könnte man die Platte auch schnell in diese Schublade schieben und dabei etliche andere Facetten übersehen. Zugegeben, anfangs hat mich die Scheibe schon vor ein paar Probleme gestellt, nachdem ich mit den bisherigen Rundlingen stets sehr schnell warm wurde. Doch irgendwann entwickelte sich durchaus eine Art Suchtpotenzial und die Vielseitigkeit sowie die zweifellos vorhandene songschreiberische Klasse kamen mehr und mehr zum Tragen.
Rückblende. Mit "Swanlike" (2002) hatten die dunklen Sonnen, die bis dato als Nonames gelten mussten, plötzlich eine formidable Scheibe am Start, der bereits damals trotz der nicht ganz ungebräuchlichen Tendenz zu Dark Metal mit Doom- und Death-Metal-Elementen sowie einigen OPETH-Anleihen ein ganz individueller Charme zwischen Düsterromantik und krachigem Metalsound zueigen war. Mit "Existence" (2005) ging man dann einen Schritt weiter, wurde progressiver und durch die Komplexität auch etwas schwerer zugänglich, agierte deutlich ausgefeilter und insgesamt eine Tick ruhiger (Progressive Dark Metal war die gängige Einordnung für ihren damaligen Stil), gleichzeitig war die Scheibe ein klassisches Konzeptwerk, das die menschliche Existenz mit ihren verschiedenen Lebensphasen textlich als auch musikalisch zum Thema hatte. Eine deutliche Wandlung hatten DARK SUNS weitere drei Jahre später durchgemacht, als sie "Grave Human Genuine" präsentierten, ein teilweise sehr überraschendes und zugleich höchst originelles Werk mit einigen genialen Songs und einer noch eigenständigeren Ausrichtung. Atmosphärisch dicht und sehr vielseitig intoniert, war spätestens mit dieser Scheibe keine Schubladendenke mehr möglich. Doch auch wenn man diese Wandlung bereits als gravierend empfinden konnte, so setzen die Leipziger dem mit dem neuen Album "Orange" noch mal einen drauf. Hauptbestandteil ist nun Progressive Rock mit Tendenz zu dessen Spielart der Siebziger Jahre, ein paar psychedelischen Elementen und einem bunten Strauß an Stimmungen, da ein ständiges Wechselspiel durchlaufend zwischen ruhigen Momenten, dynamischen Passagen (denen man als Hörer am besten folgen kann), abgedrehter Wildheit (solcherlei gab es ja schon häufiger) und progressivem Gefrickel, mit dem man sich erst einmal arrangieren muss, wenn man die bisherigen drei DARK SUNS-Scheiben im Hinterkopf hat.
Ein wesentlicher Aspekt der Entwicklung dürfte sein, dass man sich kurz nach dem Release von "Grave Human Genuine" (auf dem als Gastmusiker Kristoffer Gildenlöw von PAIN OF SALVATION den Bass bearbeitete) von einem Trio zu einem Quintett erweiterte, zumal die beiden neuen Mucker (Ekky Meister von den lokalen Prog-Urgesteinen FACTORY OF ART und Jacob Müller von den poppig-avantgardistischen MUD MAHAKA) einen entsprechend breit gefächerten Background mit in die Band brachten. Während auf dem Vorgänger zudem Andy von DISILLUSION bei einem Song Growls beisteuerte, sind diese nun erneut (wie auch schon auf der "Existence") aus dem Sound verschwunden, auch wenn Niko Knappe - Sänger und Drummer in Personalunion - auch einige kraftvollere Vocals neben seinem sanften, betörenden Gesang aufzubieten weiß. Und nicht zu vergessen eine noch höhere (im Wortsinn) stimmliche Bandbreite zum Besten gibt, wie z.B. bei 'Diamond' gut zu hören. Auch auf dem aktuellen Album sind Gastmusiker vertreten, diese helfen mit Trompete und Saxophon aus - ein logisches Unterfangen, haben DARK SUNS doch schon immer ungewöhnliche Instrumentierungen zur Erweiterung ihres Sounds eingebaut. Auch auf "Orange" bleiben solche überraschenden Einschübe nicht aus, wobei diese Elemente durchaus homogen und natürlich integriert werden und damit echt aufhorchen lassen. Überhaupt bekommt man die enorme Vielschichtigkeit und atmosphärische Vielfalt ohne jegliche Brüche im Klangbild hin, was ohne Zweifel von einer hohen songschreiberischen Qualität zeugt.
Die Leipziger verbannen also den Metal-Anteil nahezu vollständig aus ihrem Repertoire und legen ein vielschichtiges Werk im Spannungsfeld von Prog Rock mit 70er-Tendenz (also sowohl klassisch geprägter Hard Rock als auch eine KING CRIMSON-typische Verspieltheit) sowie Psychedelic (man höre nur das furiose Georgel im abschließenden 'Antipole') und einigen jazzigen und trip-rockigen Ausflügen. Wenn man sich darauf einlässt, ein ungemein spannendes Unterfangen. Denn man agiert auf dem neuen Album vielleicht etwas nachvollziehbarer, es ist aber nicht weniger komplex und facettenreich gehalten. Mitunter erzeugt diese Mischung unvergessliche Momente. Auf dem in pumpende Rhythmik und eingängige Melodien gebetteten 'Eight Quiet Minutes' gniedelt man sich mit luftiger Entspanntheit durch die, nun ja, knapp vier Minuten, dass es eine wahre Freude ist. Und 'Antipole' zieht zum Grande Finale in einer knappen Viertelstunde nun wirklich alle Register und ist ein Lehrstück von wirklich progressiver und gleichzeitig wunderbar harmonischer Musik. Ein paar Songs sind demgegenüber zwar etwas zu seicht und spannungsarm geraten ('That Is Why They All Hate You In Hell' und 'Vespertine' fallen mir da zuvorderst ein), doch ist dies die Ausnahme und es somit nur eine Randnotiz, dass ein paar mehr Widerhaken, die es bei den Leipzigern bislang immer gab, dem Album gut zu Gesicht gestanden hätten.
DARK SUNS sind eine der ganz wenigen Bands, die es schafft, dass man (oder zumindest meine Wenigkeit) jedes ihrer vier Alben mal als persönliches Bandhighlight auswählt und dies mitunter bereits nach wenigen Tagen wieder wechseln kann. Dies liegt im speziellen Charme und der Einzigartigkeit aller ihrer Alben begründet (jedes offenbart auf andere Art und Weise seine musikalische Klasse) und ist daher als großes Kompliment zu verstehen. Und ein weiteres Kompliment habe ich zum Schluss noch zu vergeben: Während ja auch OPETH und PAIN OF SALVATION eine Affinität zum 70er Jahre Prog/Retro Rock entwickelt haben, ziehen DARK SUNS dieses Ding irgendwie deutlich mitreißender und flüssiger durch.
Anspieltipps: Eight Quiet Minutes, Elephant, Antipole
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer