DARKYRA BLACK - Fool
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/2015
Mehr über Darkyra Black
- Genre:
- Epic Symphonic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Eigen/Cargo Records
- Release:
- 18.09.2015
- Pt2. Behind Closed Doors
- Who Are They To Judge You
- Truth Or Dare
- Of Fools And Gold
- Where Will I Be
- Bleed
- The Wish Never Fades
- Desperation
- Flawless
- It Takes All Kinds Of Fools
- Fountain Of Frozen Dreams
- Pt1. Behind Closed Doors
Elf goldene Pennies am Grund des Wunschbrunnens
Hier ist es also endlich, das von mir am sehnlichsten erwartete Album dieses Jahres. Die Gründe zu verstehen, warum das so ist, wird aber vielleicht wieder nur denjenigen gelingen, die sich ebenso heillos in Musik-Nerdistan verloren haben wie meiner einer. DARKYRA BLACK hat mich anno 2014 mit ihrem Debüt "Dragon Tears" (zum Review) voll erwischt, aber eigentlich nicht wie ein Blitz, eher wie ein Mückenstich, der erst Wochen später eine Kaskade an Reaktionen hervorruft. Gott sei Dank aber keine allergischen. Es ist eher eine Art Sucht, und die Substanz der Abhängigkeit ist DARKYRAs Stimme. Kennt ihr das Gefühl, während dem Hören auf einmal so berührt zu werden, dass man ausschalten und erst einmal durchschnaufen muss? Ja, ich hatte mehrere Erfahrungen mit dieser Musik, nach denen ich nachvollziehen kann, warum es immer wieder Berichte über übersinnliche Erfahrungen gibt. Leute, die "erleuchtet" werden, oder zu denen "Gott" gesprochen haben soll. Jetzt wollen wir aber nicht im Pathos versinken, an solche Dinge glaube ich normalerweise sowieso nicht, und die Überhöhung von Künstlern finde ich auch immer sehr suspekt. Also höre ich jetzt ganz schnell damit auf.
Dennoch war der Erwartungs-Druck - auch so ein Musikjunkie-Gefühl - für "Fool" enorm hoch. Nichts anderes als Gänsehaut auf Knopfdruck soll es sein, und wie oft hat die Liebe zur Lieblingsband darunter schon Risse erlitten? Findet ihr das dumm? Ich auch. Aber das neue Album dreht sich um Dummköpfe aller Art und ich fühle mich darin - ich nehme es gleich vorweg - sehr geborgen.
Die Musik auf "Fool" wurde von fast demselben Team (Fab Jablonski, Keys; Betovani Dinelli, Git; Garry King, Drums; George Boussounis, Keys und Arrangements, und natürlich Meisterin Gina Bafile, Voc) komponiert, wie schon auf "Dragon Tears". Und doch ist das Album schon von den ersten Tönen an anders als sein Vorgänger. Weg ist der geheimnisvolle, tausendschichtige, verwaschene Sound des Debüts, der auch nach dem hundertsten Spin ein neues Geheimnis bereit hielt, auf mache Leute aber auch irritierend wirken konnte. Der neue Sound hingegen bläst einen sofort in die Luft! Glasklar, transparent, druckvoll, teuer und edel, und dennoch an den Kanten nicht geschliffen, bietet er den Rahmen für eine Stimme, bei der - sobald sie ertönt - zumindest für mich nichts mehr schief gehen kann. Und die Stimme steht diesmal sehr viel öfter für sich, ist nicht mehr eingebettet in komplexe, vielstimmige Vocal-Arrangements, die den Hörer auf dem Debüt noch von allen Seiten umsponnen haben.
Ja, die meisten Songs auf "Fool" sind viel klarer strukturiert und die Kompositionsweise zeigt sich weitaus fokussierter auf die Essenz des einzelnen Songs. Hier gebe ich sehr gerne zu, dass ich auch Fan des überbordenden Übermaßes bin, der in den symphonischen Meeren von RHAPSODY-Produktionen eben so gerne umherstreift wie in ausufernden Prog-Kompositionen, verwinkeltster Avantgarde oder eben dem so gefühlsdichten Konzept-Epos "Dragon Tears". Also muss ich mit DARKYRAs song-fokussierter Ausrichtung auf "Fool" anfangs ein wenig kämpfen. Aber nur kurz und wirklich nur ein wenig. Die ersten drei Songs haben sich nämlich schnell ins Ohr gefräst, und sind dabei so clever arrangiert, dass Langeweile - auch in ferner Zukunft - kein Thema sein wird.
Schon der Opener 'Behind Closed Doors' öffnet die Türen für jeden Musikfan, der etwas mit harten, melodischen Klängen anfangen kann. Die dezente Orchestrierung und die Chöre sind hier eher bunte Farbtupfer als zum Selbstzweck verkommene Genre-Must-Be’s und verleihen den Songs ihre Epik und elegische Breite. Aber auch Leute, die so etwas in ihrem Metal nicht unbedingt hören wollen, dürfen gerne mal die folgenden Kracher 'Who Are They To Judge You' und vor allem 'Truth Or Dare' anhören. In den Neunzigern wären das Tanzflächen-Feger gewesen, zu denen die Haare nur so fliegen, straight groovend, und neben Gassenhauern von ICED EARTH, NEVERMORE, NIGHTWISH oder JUDAS PRIEST keineswegs qualitativ abfallend. Bei 'Truth Or Dare' wirkt mit Tony Dolan (ex-VENOM, MPIRE OF EVIL) gar eine Metal-Ikone der ersten Genre-Stunden - auch ein großer DARKYRA-Fan - mit. Ein wundervoller Kontrapunkt ist darauf 'Of Fools And Gold', bei dem der Fokus wieder mehr bei gefühlvollen Melodien und cinematischer Melodramatik liegt.
In der Folge zeigt DARKYRA jedoch auch ganz andere Facetten und experimentiert ein wenig mit verschiedensten Stimmungen und Stilen. Mal geht es fast in Richtung Gothic-Pop ('Bleed'), dann schimmert immer mal wieder ihre alte Vorliebe für 70ies-Prog durch, zudem wird hin und wieder - öfter als zuvor - hoher, klassisch inspirierter Sopran-Gesang eingestreut. Ich sagte bereits, Langeweile ist kein Thema. Die Musik ist durchweg hochklassig arrangiert, auf die Ausarbeitung der Strophen wird mindestens genauso viel Wert gelegt wie auf die allesamt griffigen Refrains. Und vielmehr noch, jeder der elf Songs hat seine eigenen kleinen großen Momente - den ungewöhnlichen Akkordwechsel, die Melodie-Steigerung an der entscheidenen Stelle - eine Besonderheit oder Pointe, auf die man sich, wenn man die Musik besser kennt, einfach freut, wenn man sie wieder hört. Beispielsweise bei dem bewegenden Düster-Track 'Desparation', wo DARKYRA für einen kurzen Moment lang wie eine verzweifelte BETH GIBBONS klingt; da überkommt es mich einfach immer wieder, das Gefühl, das mir sagen möchte, was ich hier höre ist mehr als "nur" tolle Musik. Die Kompositorin dieser Songs ist für mich ein Genie! Folgerichtig ist 'Flawless' dann auch tatsächlich der makellose Song. Diese Akkord-Progression in den Strophen, die Art und Weise wie der Text gesungen wird, der Chor im Refrain, das ist Symphonic Metal in Perfektion.
Neben der Musik bietet DARKYA obendrein ein starkes lyrisches Konzept an, in dessen Zentrum ein Wunschbrunnen steht. In poetischer Sprache voller Metaphern und Bilder gibt sie Einblick in die Gedankenwelt derjenigen, die dort ihre Pennies hinein werfen; es geht um Menschen aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart, um ihre Träume, ihre Wünsche und ihre Torheiten. Sei es der König, der alle Reichtümer zu eigen hat, die ein König nur besitzen kann, ausser dass ihn keiner liebt, sei es die Frau, die immer makellos aussehen will und alles Individuelle an sich wegmachen lässt. Und vieles mehr!
Die Hauptbotschaft am Ende ist jedoch: man kann so lange vor sich hin träumen wie man will, doch wenn ein Wunsch auch in Erfüllung gehen soll, muss man selber etwas dafür tun, sonst landet man in tiefer Verzweiflung. Und das wäre doch echt dumm, nicht wahr?
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Thomas Becker