DICKINSON, BRUCE - The Mandrake Project
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/24
Mehr über Dickinson, Bruce
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- BMG
- Release:
- 01.03.2024
- Afterglow Of Ragnarok
- Many Doors To Hell
- Rain On The Graves
- Resurrection Men
- Fingers In The Wounds
- Eternity Has Failed
- Mistress Of Mercy
- Face In The Mirror
- Shadow Of The Gods
- Sonata (Immortal Beloved)
Die Rückkehr auf Solopfade lässt Bruce viel Raum für Kreativität und stilistische Vielseitigkeit.
Satte neunzehnmal musste Mutter Erde die Sonne umrunden, ehe sich BRUCE DICKINSON dazu anschickte, uns erstmals seit "Tyranny Of Souls" (2005) ein Soloalbum aufzutischen. Nun, es sei ihm verziehen, denn fraglos war der gute Mann mit allerlei anderen Dingen beschäftigt. Bei allem Respekt stießen dabei zwar leider nicht all seine musikalischen Aktivitäten auf meine ungeteilte Gegenliebe, doch der Erfolg hat ihm fraglos Recht gegeben. Umso größer war gleichwohl meine Vorfreude auf "The Mandrake Project", und ebenso meine Erwartungshaltung, denn die letzten drei Soloalben konnten mich stets auf ganzer Linie überzeugen und auch das neue Album hat sich nach etlichen Durchläufen sehr schnell amtlich eingegroovt.
Der dunklere Klampfensound, ein absolutes Markenzeichen von Roy Z, prägt wenig überraschend auch gleich den Opener 'Afterglow Of Ragnarok', der sich als finster und heavy aus den Boxen drängender Groover präsentiert: modern, druckvoll und schnörkellos! Das kommt wenig überraschend, denn auf dem neuen Album ist Roy neben der Produktion und dem Großteil der Gitarrenarbeit auch für den Bass und einige Keyboard-Parts verantwortlich. So ist dieses voluminöse, tiefenlastige Klangbild, auch für "The Mandrake Project" absolut prägend und vielleicht sogar ein Stück präsenter als auf den drei Vorgängern. Stilistisch und kompositorisch gibt sich das Werk dafür vielseitiger als der direkte Vorgänger, der sich noch sehr deutlich an die Stärken der Werke zuvor anschmiegte und daher ein wenig auf Nummer Sicher zu gehen schien. Dies ändert sich mit dem neuen Album ein wenig:
Einen "Back to Metal"-Beweis muss Bruce ja inzwischen nun wirklich nicht mehr liefern, und so ist es nur folgerichtig, dass er den sich ihm bietenden Freiraum als Luft zum Atmen nutzt. Auf diese Weise entsteht eine Leichtigkeit und Variabilität, wie man sie von Bruce schon seit längerer Zeit nicht mehr gehört hat. So ist 'Many Doors To Hell' eine wunderbar eingängige, leichtfüßige Stadionrock-Hymne mit gehörigem Faustfaktor, deren Hooklines sich prächtig zum Mitsingen eignen. Der folgende stampfende Rocker 'Rain On The Graves', zu dem auch ein superbes Video gedreht wurde, hat demgegenüber einen herrlichen Groove und einen sehr theatralischen Duktus, der die tollen Lyrics hervorragend illustriert, und dem Ganzen ein paar dezente OZZY-Vibes im Arrangement und Edgar-Allan-Poe-Referenzen in der Storyline verpasst. An anderen Stellen geht es experimenteller zu, wie etwa bei 'Resurrection Men', das ziemliche Film-Score-Vibes mitbringt und durch die iberisch anmutenden Steel-Guitar-Parts auch mal von einem Hauch ENNIO MORRICONE und TITO & TARANTULA umweht wird, aber in den schwereren, härteren Momenten auch an BLACK SABBATH gemahnt. Ein wirklich wundervolles Stück ist Bruce & Co. mit 'Fingers In The Wound' gelungen. Das progressive Arrangement mit viel Keyboard und Piano, sowie die gefühlvollen Vocals erinnern hierbei deutlich an die epischen Stücke der "Balls To Picasso", während die deutlich arabisch angehauchte Melodieführung auch den Spirit des psychedelischen Progressive Rocks der Siebziger atmet.
So weit, so gut: BRUCE DICKINSON steht damit schon bei Halbzeit von "The Mandrake Project" fraglos gänzlich auf eigenen Füßen und Vergleiche zu seinen anderen Baustellen müssten an sich gar nicht gezogen werden. Dass diese Rezension am Ende aber doch nicht ganz ohne namentliche Erwähnung der Hauptband des Protagonisten auskommt, liegt am sechsten Track der Scheibe: Mit 'Eternity Has Failed' covert sich der Meister quasi selbst, indem er das gleichnamige IRON MAIDEN-Stück neu interpretiert, und an allerlei Stellen kräftige Hebel ansetzt, um dieses eigenwillige Projekt spannend zu gestalten. So gibt es etwa ein feines Duell zwischen Leadgitarre und dem Schlüsselbrett, und etliche Arrangements und Twists, die wir so auf einer Platte von und mit Steve Harris nicht finden würden. Auch gesanglich leistet sich Herr Dickinson einige Experimente, die hier das Salz in der Suppe sind. Er präsentiert sich schlicht etwas bissiger und wandelbarer als im MAIDEN-Kontext. Deutlich reduzierter, rock'n'rolliger und schnörkelloser kommt sodann 'Mistress Of Mercy' aus den Boxen, das allerdings in den recht langen instrumentalen Zwischenspielen ein wenig aus dem Schema früherer Bruce-Rocksongs der Neunziger ausbricht. Ähnlich verhält es sich mit der beschaulichen, aber wunderschönen Ballade 'Face In The Mirror', die einen verschleppten Beat und ein relaxtes Piano mit dunkler Stimme in tieferen Lagen kombiniert. Das Schöne an solchen eher unscheinbaren, dabei aber dennoch nicht vorhersehbaren Nummern ist, dass wir daran spüren können, dass sich Bruce und sein Team hier sehr frei austoben konnten und nichts auf Erwartungshaltungen gegeben haben.
Damit kommen wir zum großen Finale, das mir zunächst mein Highlight der Scheibe beschert: Das siebenminütige 'Shadow Of The Gods' hat seine balladesken Momente, steigert sich jedoch im Verlauf der Verse in Dimensionen ungeahnter Härte. Außerdem kommt es mit Riffs, und überraschenderweise auch mit einigen Hooklines um die Ecke, die fraglos JUDAS PRIEST-Vibes offenbaren. Dazu kommen dann noch der prägnante Keyboardeinsatz, einige Shout-Elemente, und das eine oder andere Gitarrenlead, das so ganz dezent in Richtung Melodic Death zu lugen scheint, was unterm Strich einen echt spannenden Mix ergibt. Abgerundet wird die Scheibe sodann mit dem ausladenden Neunminüter 'Sonata (Immortal Beloved)', der sich zwar tatsächlich sehr flächig arrangiert und im Tempo sehr gebremst präsentiert, aber gerade dadurch einen ganz speziellen Reiz entwickelt. Mancher mag ihn vielleicht als zäh empfinden, doch der atmosphärische Ansatz weiß auf jeden Fall zu gefallen. Er verhindert ein mäanderndes Verschieben von Leadmelodien, weil er vielmehr darauf setzt, durch die Keyboards eine psychedelische Klanglandschaft zu erzeugen, die gleichermaßen krautrockige wie postrockende Vibes aufbietet.
Letztlich lässt die Rückkehr auf Solopfade Bruce Dickinson enorm viel Raum für Kreativität und stilistische Vielseitigkeit. Gerade deshalb empfinde ich sie als so spannend und wertvoll, weil dem Projekt anzumerken ist, dass es eben nicht zuvorderst der Erfüllung von Erwartungen dient, und daher gibt es für "The Mandrake Project" auch eine uneingeschränkte Empfehlung!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle