DIRGE - Hyperion
Mehr über Dirge
- Genre:
- Post Metal / Drone Doom
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Debemur Morti Prodctions
- Release:
- 07.03.2014
- Circumpolaris
- Floe
- Venus Claws
- Hyperion Under Glass
- Filigree
- Remanentie
Auf den Jüngsten Tag folgt die ewige Nacht.
Eine Vision. Die Erde, ausgemergelt, erschöpft, wie ihr schlussendlich gelungen ist, dieses Ungeziefer namens "Mensch" von ihrer Oberfläche zu tilgen. Verschmutzte Ozeane, verseuchte Landstriche, entvölkerte Ebenen. Vieltausend Jahre werden vergehen, bis sich das Leben seinen Weg zurück ans Tageslicht bahnt, bis die Natur die Wunden zu schließen und zu überdecken vermag. Bis dahin – graue Ödnis, in der die Existenz der Menschheit, das Grauen ebenso wie die Schönheit ihres Vorhandenseins nur noch als Echo der Vergangenheit nachhallt.
Die Pariser Post-Rocker von DIRGE machen ernst. Seit nun mehr 20 Jahren. Vorwärts treibende, schwermütige Klänge waren die Sache von ISIS. Epische Panoramen und Klangwände, voll eisiger Kälte, jedoch auch dem einen oder anderen hoffnungsvollen Lichtblitz jene von CULT OF LUNA. Die vier Franzosen verbannen dagegen auch den allerletzten Hoffnungsschimmer aus ihrer Musik. Kein Lächeln, keine Freude, keine Verklärtheit, keine Gefühlsregung. Nur rastloses Schwelgen aus bizarr verzerrten Gitarren, Trommeleinlagen zwischen Doom und Ambient, gerauntem, geflüstertem, leise geschrienem Gesang. Auf "Hyperion" finden sich sechs Tracks, von acht bis sechzehn Minuten Länge, die sich einer Einzelbetrachtung fast vollständig entziehen. Gut, bei 'Venus Claws' findet sich mit Tara Vanflower tatsächlich eine weibliche Gastsängerin, doch die gute Dame klingt ebenso lebensüberdrüssig und monoton wie der Stammsänger der Band, womit auch der dritte Song auf "Hyperion" kaum aus der Reihe fällt. Und da die Nummern in fließender Behäbigkeit ineinander übergehen, ist mir auch erst nach zig Durchgängen aufgefallen, dass 'Remanentie', der 16minütige Ausklang des Albums, ein reines, ausschweifendes Instrumental ist. Doch wie gesagt, sich in Details zu verlieren ist überflüssig. DIRGE zelebriert eine zeitlich entkoppelte, schleppende, ausufernde Form von Doom / Post Metal, eine musikalische Betrachtung der Postapokalypse, ohne Ziel, ohne Grenzen. Organische Strukturlosigkeit, langgezogene, nicht fassbare Töne, die so klingen, als wären Glück und Freude nachhaltig von dieser Erde getilgt worden. Werden dereinst mit dem Verschwinden des Menschen auch Zärtlichkeit und Schönheit aussterben? Die Natur, das Universum kennt keine Emotionen. Nur die unfassbare Unendlichkeit des Seins. Musik ist von ihrem Wesen her dazu geschaffen, Gefühle zu wecken und auszudrücken. DIRGE scheint das unerhörte Kunststück gelungen zu sein, das Ende menschlicher Emotionen musikalisch zu beschreiben, und eine Welt zu reflektieren, die der menschliche Geist niemals wird erblicken können. Eine Schreckensvision ohne Schrecken.
Erkaltetes, erstorbenes Ödland. Ist es das Raunen des Windes, oder doch die nachhallenden Schmerzensschreie einer verblichenen Spezies? Im schwarzen, unbeugsamen Quellwasser spiegelt sich Sternenglanz wie die Hoffnung auf eine zweite Chance. Hat etwas überlebt? Irgendetwas? Irgendwer? Nein, offenbar nicht. Und die Hoffnung streichen wir auch gleich wieder – das kalte Funkeln der Sterne dürfte bestenfalls als Grablicht für das Ende der Schöpfung dienen.
"Hyperion" ist die Klang gewordene Schau der Zeit nach dem Jüngsten Gericht, das wider Erwarten und gegen alle Hoffnungen niemandem Rettung gebracht hat. Wollen wir so etwas hören? Unbedingt! Werden wir uns danach besser fühlen? Mit Sicherheit nicht.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause