DRACONIAN - Where Lovers Mourn
Mehr über Draconian
- Genre:
- Gothic Doom Metal
- Label:
- Napalm
- Release:
- 20.10.2003
- The Cry Of Silence
- Silent Winter
- A Slumber Did My Spirit Seal
- The Solitude
- Reversio Ad Secessum
- The Amaranth
- Akherousia
- It Grieves My Heart
Manches braucht länger, um zur Reife zu gelangen, und nicht selten ist eine längere Reifezeit zugleich ein Gütegarant. Bei DRACONIAN trifft diese Sichtweise zweifelsohne zu, denn dass DRACONIAN mit "Where Lovers Mourn" ihr Debüt rausbringen, kann man kaum glauben. Die Schweden sind allerdings auch schon an die zehn Jahre aktiv, treten aber erst jetzt mit einem Album an den europäischen Markt heran. In den zurückliegenden Jahren gab es etliche Besetzungswechsel, Stilverfeinerungen – vor allem zum Doom hin und mit mehr symphonischen Elementen – und mehrere Demos, von denen "Shades Of A Lost Moon" und "The Closed Eye Of Paradise" einige Beachtung fanden. Doch erst Ende 2002 fanden DRACONIAN mit Napalm Records einen geeigneten Vertragspartner, der auch ihren eigenen Wünschen entsprach, denn sie hatten zuvor andere, weniger zufriedenstellende Angebote ausgeschlagen. Hierbei zeigen sie sich ebenso wählerisch und perfektionistisch wie bei der Produktion ihrer Musik, die bereits bei den Demos hoch angesetzten Maßstäben genügen musste. Sie präsentieren nunmehr symphonischen Gothic Doom Metal der Spitzenliga, gewürzt mit einer feinen Prise Melodic Death. Höchst abwechslungsreich, melodisch, melancholisch und doch energiegeladen zeigt sich dieses Erstlingswerk und befindet sich derzeit bei mir in Dauerrotation. Chor, Orchester, aggressive Vocals verschiedener Ausprägung, weiblicher Gesang zwischen kraftvollem Rock und Gothic-Atmosphäre und Gitarrensoli zum Hinschmelzen sind Elemente, die dieses Werk auszeichnen. DRACONIAN machen dabei nicht den Fehler, ihr Arsenal gleich zu verfeuern und so ähnliche Songs aneinanderzureihen, sondern geben jedem Stück eine Neuentdeckung hinzu.
Bereits der monumentale Opener bürstet mich ehrfurchtsvoll lauschend in den Sessel, die Anlage wird aufgerissen und jeder Störenfried mit finsterem Blick bedacht. Ein Opus von annähernd 13 Minuten lädt zu hingebungsvollem Klanggenuss ein. 'The Cry Of Silence' beginnt dabei mit sanft eingeblendetem Doom, ein melodisch schwerer Klangteppich von Gitarren und leiser Keyboardatmosphäre breitet sich aus, die Leadgitarre gibt eine melancholisch-sehnsuchtsvolle Melodie vor, eine tiefe Erzählerstimme beginnt das prosaische und schwarzromantische Epos und Lisa Johannson gibt eine erste Kostprobe ihres glockenreinen Gothic-Gesangs, bevor mit Chorunterstützung das energiegeladene Growling die Atmosphäre vorantreibt. Die emotionale Kraft, die in der Dynamik der Arrangements, dem eindrucksvollen Gesang vor allem von Anders Jacobsson und den ergreifenden Gitarrenläufen steckt, ist beachtlich. Zur Halbzeit des Songs geht das Tempo dann kräftig nach oben, der Gesang wird aggressiver und ich teste eine neue Lautstärkestufe für meine Standboxen aus. Gemeinerweise fällt das Tempo schlagartig wieder zum Gothic Doom ab, Lisa und Anders duellieren sich verbal ein wenig, doch mit dem Einsatz der orchestralen Elemente steigert sich die Intensität des Songs zunehmend, Lisa schweigt stille und die aggressiven Vocals haben das Sagen, um dann in einem grandiosen Finale von zwei – viel zu kurzen – Minuten zu münden, das sich ins Gehör fräst und am besten auf Dauerwiederholung gehört sein will, bei dem ich allerdings noch deutlich die Doublebass vermisse, wie an manch weiteren Stellen auch. Der Opener klingt mit Pianostrukturen und einer melancholischen Oboe (wenn mich die Lauschlöffel nicht täuschen) aus. Traumhaft.
Dieser ausführliche Einstieg, auch meinerseits, soll einen Eindruck des intensiven Klangerlebnisses vermitteln, den ihr erwarten dürft. Und hernach wird noch reichlich neues Futter geboten, das durch verschiedenste Gewichtungen von Tempo und Stil, weiblichem und männlichem Gesang und Growling, symphonischen Einsätzen, klassischen Soloinstrumenten, Akustikparts und Gitarrendominanz für ausgiebig Abwechslung zu sorgen weiß. Bei zwei Vokalisten, zwei Leuten an Lead- und Rhythmusgitarren, einem Bassisten, einem Tastenklopper und Programmierer sowie einem Drummer hat die Kombo auch schon in der Grundbesetzung das entsprechende Arsenal zur Hand, um richtig Schmackes für die verwöhnten Lauscher zu bieten. Und davon gibt es reichlich. Ihr merkt: Wenn es nicht eine Zumutung für meine Mitmenschen und außerdem ordnungswidrig wäre, würde ich am liebsten mit einem lautstarken MD-Walkman bewaffnet nackt und wild onanierend mit dieser Mucke auf den Ohren durch die Stadt springen. Bevor es jetzt aber unappetitlich wird, kommen wir zum Fazit dieses enthusiastischen Geschreibsels:
Wer bei TRISTANIA, AFTER FOREVER, PENUMBRA, THERION oder vielleicht noch WITHIN TEMPTATION aufhorcht, sollte sich auf dieses Meisterwerk stürzen. Für mich zweifelsfrei und trotz einiger Konkurrenz-Perlen, die sich zwischenzeitlich bei mir einfanden, die Debüt-Scheibe des Herbstes im metallenen Gothic-Sektor.
Anspieltipps: The Cry Of Silence (aber bitte komplett hören, nech); Silent Winter und der ganze Rest. Ich sabbere immer noch anhaltend vor mich hin.
- Redakteur:
- Andreas Jur