DREAM THEATER - Train Of Thought
Mehr über Dream Theater
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- Warner Music Group
- Release:
- 11.11.2003
- As I Am
- This Dying Soul
- Endless Sacrifice
- Honor My Father
- Vacant
- Stream Of Consciousness
- In The Name Of God
Vermutlich werden mich sämtliche DREAM THEATER-Fans für diese Einleitung steinigen wollen, aber das ist mir egal - ich beginne dieses CD-Review trotzdem mit einem Vergleich zu METALLICA und "St. Anger". Denn wie schon im Juni bei METALLICA, so wurde auch im Falle von DREAM THEATER sämtliches neues Songmaterial unter Verschluss gehalten. Es wurde der Öffentlichkeit lediglich über die offizielle DREAM THEATER-Website ein Radio-Edit von 'As I Am' zugänglich gemacht. Dieser machte im Internet selbstverständlich in Windeseile die Runde, aber auf die übrigen sechs Songs musste die Zuhörerschaft bis zum Release-Termin (11.11.2003) warten. Somit gabe es auch für "Train Of Thought" - so der Titel der neuesten DREAM THEATER-Machenschaften - keine groß angelegten Promotion-Aktivitäten; das Album stand lediglich ab 11. November in den Läden. - Vor DREAM THEATER (und METALLICA) sind eben alle Menschen gleich - ganz egal, ob nun Presse oder Fan.
Aber nicht nur die Veröffentlichung war vergleichsweise unspektakulär, auch das Produkt selbst ist eher unscheinbar. So gibt es hier beispielsweise keine Bonus-CD oder gar Bonus-DVD - wie es neuerdings ja schon fast üblich ist -, sondern es gibt eine CD, und das war's. Auch die Cover- und Booklet-Gestaltung ist recht unauffällig, da sie komplett in schwarz und weiß gehalten wurde. Was jedoch bei der Betrachtung des Silberlings selbst auffällt, ist das "alte" DREAM THEATER-Logo, das noch aus MAJESTY-Zeiten stammt und das vor allem von den ersten Veröffentlichungen bekannt ist. Sollte es hier tatsächlich "back to the roots" gehen?
DREAM THEATER steigen wieder - wie auch schon bei "Six Degrees Of Inner Turbulence" - mit den letzten Klängen der Vorgängerscheibe, in diesem Falle ein Akkord, in "Train Of Thought" ein. Es dauert aber nicht lange, ehe John Petruccis Gitarrenriffs, die vor allem zu Beginn recht doomig ausgefallen sind und durchaus an BLACK SABBATH erinnern, den Opener 'As I Am' an sich reißen. Die düstere Stimmung, die dieser Song erzeugt, wird auch sehr gut von James LaBries Gesang transportiert, der vergleichsweise tief ausgefallen ist. Der Refrain ist typischerweise sehr melodisch gehalten und geht daher relativ schnell ins Ohr - die prägnanten Textzeilen leisten hierzu natürlich auch ihren Beitrag.
Der zweite Song 'This Dying Soul' ließ mich nach einem Blick ins Booklet erst einmal stutzen, denn dieses Stück ist in einen vierten und einen fünften Teil gegliedert. Wenn man jedoch den Song ein paar Mal gehört hat, dann wird einem schon klar, dass es sich hier nur um die Fortsetzung des dreigeteilten 'The Glass Prison' (von "Six Degrees Of Inner Turbulence") handeln kann. Aber nicht nur an diesen Song wird erinnert, denn auch 'The Mirror' (von "Awake") liefert einige Parallelen. Im "zweiten" Teil gibt es darüber hinaus auch deutliche Ähnlichkeiten zu METALLICA ('Blackened' lässt grüßen, aber auch die schwarze Phase), die sich nicht zuletzt auch im Gesangsstil von James LaBrie äußern. Die angeführten Vergleiche machen zweifellos deutlich, dass DREAM THEATER hier sehr energiegeladen zu Werke gehen, und selbst ein Song wie das bereits angesprochene 'The Glass Prison' wird locker in den Schatten gestellt. Und was die Instrumentalriege, allen voran John Petrucci und Mike Portnoy, beim fulminanten Entspurt über mehrere Minuten abliefern, lässt die Kinnlade immer wieder zu Boden donnern.
Bei 'Endless Sacrifice' gehen DREAM THEATER in der ersten Hälfte eher gemäßigt zu Werke - lediglich im Chorus sind fette Gitarrenriffs zu hören. Doch in der zweite Hälfte bietet sich dem Zuhörer dann ein ganz anderes Bild: Die New Yorker agieren fast ausschließlich instrumental, und alle Beteiligten spielen, als ob es hier um ihr Leben ginge. Sogar Jordan Rudess, der sich bei den ersten Songs ziemlich zurückgehalten hat, bringt sich immer wieder ein und weckt dabei zum Teil immer wieder Erinnerungen an "Metropolis Pt. 2".
Mit einem kurzen Drum-Solo läutet Mike Portnoy anschließend 'Honor My Father' ein, das im weiteren Verlauf immer wieder auch mit Nu-Metal-Anleihen - keine Sorge, alles mit Maß und Ziel! - aufwarten kann. Auch verzerrte Vocals bzw. gesprochene Textteile kommen zum Einsatz und sorgen zusätzlich für einen recht modernen Aspekt. Die instrumentalen Leistungen sind auch hier wieder aller Ehren wert, wobei bei diesem Song besonders Jordan Rudess und John Myung zu erwähnen sind, da sie sich immer wieder in den Vordergrund spielen können, der ansonsten Mike Portnoy und John Petrucci vorbehalten ist.
Ganz ohne Ballade geht es auch auf "Train Of Thought" nicht, und so folgt mit 'Vacant' eben ein sehr ruhiger Song. Mit knapp drei Minuten ist dies das mit Abstand kürzeste Stück, das aber auch nicht weiter spektakulär ist.
Das folgende 'Stream Of Consciousness' ist dann ein reines Instrumentalstück, das die vier Akteure erneut in bestechender Form zeigt. Dabei sprudeln die Ideen nur so aus den Musikern heraus, dass im Endeffekt ein richtiger "Strom" entsteht - der Titel macht also durchaus Sinn. ;-) Die Musiker schaffen es trotz aller Kreativität aber, dass 'Stream Of Consciousness' immer nachvollziehbar bleibt, und auch klassische Songstrukturen sind stets erkennbar.
Am Ende des Albums steht mit 'In The Name Of God' der mit über 14 Minuten längste Song, der dennoch keineswegs aus dem Ruder läuft. Immer wieder, vor allem zu Beginn, tauchen fernöstliche Themen in der Instrumentierung auf, aber auch südamerikanische Rhythmen gibt es zu hören. Im sehr langen Instrumentalteil kommen erneut alle Beteiligten zum Zuge, auch wenn John Petrucci immer die Oberhand behält. Teilweise ist seine frickelige Gitarrenarbeit in den höchsten Sphären ziemlich anstrengend für den Zuhörer, doch seine Mitstreiter können immer wieder einen Gegenpol dazu aufbauen, und so relativiert sich dieser Eindruck schon wieder. Auch James LaBrie ist bei diesem Song wieder mit von der Partie, und so gibt es hier natürlich auch Gesangspassagen, die in ihrer Art ein wenig an 'A Change Of Seasons' erinnern.
Was bleibt also abschließend zu sagen? - DREAM THEATER haben es auf jeden Fall wieder einmal geschafft, ein Album abzuliefern, das die Allerwenigsten von ihnen erwartet hätten. Sicherlich wurde mit 'The Glass Prison' ein solcher Weg bereits eingeschlagen, aber dass sie im Jahre 2003 ihr gitarrenlastigstes und wohl auch härtestes Album veröffentlichen würden, war dennoch nicht allzu wahrscheinlich. - Leute, denen in der Vergangenheit vor allem die ruhigeren bzw. prog-rockigen Songs zugesagt haben, werden vermutlich mit "Train Of Thought" einige Verdauungsprobleme haben, aber dennoch kann ich eigentlich jedem nur raten, sich eingehend mit diesem Album auseinanderzusetzen. Es lohnt sich definitiv!!! (Und wenn es nach meiner ganz bescheidenen Meinung geht, dann ist dieses Werk auch ein ganz heißer Favorit für das "Album des Jahres 2003".)
Anspieltipps: As I Am, This Dying Soul, Endless Sacrifice
- Redakteur:
- Martin Schaich