DREDG - Catch Without Arms
Mehr über Dredg
- Genre:
- Progressive Rock/Alternative
- Label:
- Interscope
- Release:
- 27.06.2005
- Ode To The Sun
- Bug Eyes
- Catch Without Arms
- Not That Simple
- Zebraskin
- The Tanbark Is Hot Lava
- Sang Real
- Planting Seeds
- Spitshine
- Jamais Vu
- Hung Over On A Tuesday
- Matroshka (The Ornament)
- Bonus Track: Uplifting News
Nach der etwas sperrig vertrackten, doch nicht minder abwechslungsreichen und verspielten Platte "Leitmotif" haben DREDG mit "El Cielo" ein wahrhaft himmlisches Album abgeliefert. Die Band fortan daran zu messen wäre mehr als unfair, denn ein Werk von solch durchgängiger Klasse abzuliefern, gelingt Bands ganz gleich welchen Genres - falls überhaupt - allenfalls einmal in hundert Jahren. Dabei bereits beim zweiten Longplayer, und das innerhalb von kaum mehr als drei Jahren, von einer Sammlung spröder Progressive-Epen und chilliger Miniaturen den Bogen zu einem ausgefeilten und rundum perfekt arrangierten Gesamtkunstwerk zu schlagen, das macht ihnen erst recht so schnell niemand nach, und dafür gab es zu Recht höchstes Kritikerlob.
Doch DREDG ließen sich von ihrer eigenen Glanzleistung nicht kirre machen, sondern drehten weiter ihr eigenes Ding. Wo andere Bands sich vielleicht bemüßigt gefühlt hätten, beim Drittwerk noch epischer, gediegener und ausgefeilter zu Werke schreiten zu müssen, da kehrten DREDG ein Stück weit zurück zum eher rockig gelagerten Songwriting und kommen diesmal direkter auf den Punkt als bei den beiden Alben zuvor.
Bereits der eindringlich drängende Opener 'Ode To The Sun' zeigt, wohin die Reise gehen wird, indem er eine massive Klangwand in den Raum stellt, die allenfalls durch die hell flirrenden Vibratogitarren etwas aufgelockert wird. Das wird sicherlich kein unturbulenter Flug, Ikarus! Bei 'Bug Eyes' verhält es sich ähnlich, doch treten hier die bekannt grandiosen Gesangsharmonien zu den schwirrenden Gitarrenwänden hinzu und transformieren damit die Rifflastigkeit in etwas silbern Glänzendes. Sprach ich eben tatsächlich von Rifflastigkeit? Der Titelsong 'Catch Without Arms' zeigt, dass DREDG mindestens genausoviel Wert auf Texturen legen, sodass sich hier eine Verbindung zu MUSE ziehen lässt. Bei 'Not That Simple' findet sich dann die Synthese aus "El Cielo" (ein Händchen für Harmonien und flüssige Melodien) und "Leitmotif" (der schlicht effiziente Grundrhythmus hätte genausogut für dieses Album geschrieben werden können). 'Zebraskin', dem ähnliche Strukturen zugrunde liegen, ist auf das Wesentliche reduziert und damit einer der eingängigsten Songs der Scheibe. Doch DREDG können auch anders: Mit dem etwas aus der Reihe tanzenden Ohrwurm 'The Tanbark Is Hot Lava' ist auf "Catch Without Arms" auch ein hart rockender Hit für die Indierockdisko vertreten, den zumindest ich von dieser Band so nicht erwartet hätte. Der pianoveredelte, hiphop-affine Beat von 'Sang Real' dagegen lässt Erinnerungen an die 'Movement's des Vorvorgängeralbums wach werden; doch haben wir es hier nicht mit einem Instrumentalstück zu tun, sondern hinzu tritt eine der schönsten Gesangslinien des gesamten Albums.
'Planting Seeds', welches die zweite Seite des Longplayers eröffnet, ist dann doch zu nah an den Songs von "El Cielo" gebaut, um sich einem direkten Vergleich entziehen zu können, und fällt dabei deutlich ab. Unbeschadet dessen ist es freilich ein gelungener Song. Emanzipierter klingt daneben 'Spitshine', in meinen Ohren einer der besten Songs auf "Catch Without Arms" überhaupt und ein unbedingter Anspieltipp. 'Jamais Vu' wartet mit schönem, klassischen Gitarrenspiel zwischen dem nahezu allgegenwärtigen Vibrato auf, und auch gesanglich ist das Stück allererste Sahne. Das Zusammenspiel der Rhythmusinstrumente bei 'Hung Over On A Tuesday' ist sehr dicht und stark, der Song treibt spannungsvoll voran, und Gavin Hayes' warme, dagegen anschwimmende Stimme verleiht dem Stück eine besondere Intensität, welche durch die teils schneidende Gitarrenarbeit von Mark Engles noch weiter gesteigert wird. Auch hier ließen sich wieder Vergleiche mit MUSE anstellen. Mit 'Matroshka (The Ornament)', einem klaviergetragenen Stück mit Akustikgitarrenbegleitung und wunderschön schwelgerischem Gesang betreten DREDG noch einmal Neuland, denn so klar, frei und zugänglich klangen sie selten. Klassisches Songwriting, eine ungewohnte Radiofreundlichkeit, Reminiszenzen an 70er-Jahre-Artrock, eine heutigen Standards entsprechende Produktion, und das alles bei hohem musikalischem Niveau, machen dieses Stück zeitlos und lassen das Album besinnlich ausklingen.
Die Dreingabe 'Uplifting News' vereint zum Abschluss noch einmal viele Qualitäten des Albums in sich.
"I'm not your star" heißt es im Titelsong von "Catch Without Arms". Und tatsächlich haben DREDG mit diesem Album gezeigt, dass sie nach wie vor ihren eigenen Weg gehen. Lässt man das Wunderwerk "El Cielo" einmal außen vor, so hat die Band in den sechs Jahren nach "Leitmotif" eine beachtliche Entwicklung durchschritten ohne ihre Kunst zu kompromittieren. Dino Campanella spielt nun sogar Schlagzeug und Keyboard gleichzeitig! Im Kontext der Gesamtdiskografie dürfte "Catch Without Arms" in gewisser Weise ein Übergangsalbum darstellen. Es bleibt zu hoffen, dass DREDG mit dem Nachfolger endgültig aus dem Schatten des übermächtigen Vorgängers werden treten können. Der konsolidierte, kompaktere Sound des aktuellen Albums bildet dafür auf jeden Fall eine gute Basis und dürfte ihnen zugleich neue Hörer erschlossen haben, denen "Leitmotif" wohl möglich zu vertrackt und "El Cielo" zu abgehoben war. Dass DREDG zu den ganz großen Bands ihrer Zeit zu zählen sind, steht außer Zweifel - egal welches Album man hört. Und wer die Band einmal live erlebt hat, darf sich glücklich schätzen. Das auf Konzerten bereits vorgestellte Material für ein neues Album lässt Großartiges erahnen.
Anspieltipps:
Bug Eyes, Sang Real, Spitshine, Matroshka (The Ornament), Uplifting News
- Redakteur:
- Eike Schmitz