ENBOUND - Set It Free
Mehr über Enbound
- Genre:
- Melodic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Embrace The Fear/Alive
- Release:
- 21.02.2025
- Assaulted Taste
- Maximize
- Set It Free
- Invincible
- Actors (feat. Lee Hunter)
- You Never Walk Alone
- The Foresight Bleeding In Your Heart
- Extreme
- Black
- Overload
- Leave Them To The Night (feat. Kevin Moore)
Melodic Metal mit progressiven und modernen Elementen und Ohrwürmern ohne Ende.
Mit drei Alben in 15 Jahren gehört die schwedische Band ENBOUND nicht zu den fleißigsten der Szene. Es wird Zeit, diesen Geheimtipp ins Rampenlicht zu rücken! 2011 hat ENBOUND mit "And She Says Gold" debütiert, auf diesem Album hat die Band den MICHAEL JACKSON Song 'Beat It' durch den Melodic Metal-Fleischwolf gedreht und damit einige Aufmerksamkeit erreicht. Seit dem Zweitwerk "The Blackened Heart" von von 2016, das einen gewissen KAMELOT-Vibe nicht verleugnen kann, sind bereits neun Jahre vergangen.
Aber, soviel vorweg, das Warten auf das neue Werk "Set It Free" hat sich gelohnt!
Bei der Band hat sich in der Zwischenzeit einiges verändert, nicht nur, dass man das Album nun über das eigene Label Embrace The Fear statt über Innerwound Recoreds herausbringt, es steht nicht mehr Lee Hunter am Mikro, dessen starke Stimme den Vorgängeralben durchaus seinen Stempel aufgedrückt hat. Lee wer? Ok, wer im Melodic Rock etwas bewandert ist, hat ziemlich schnell herausgehört, dass sich hinter diesem Pseudonym der Tausendsassa Lars Säfsund verborgen hat, der unter anderem durch Bands wie LIONVILLE (mittlerweile ist er dort aber auch nicht mehr dabei) und WORK OF ART eine gewisse Bekanntheit erreicht hat. Wer tritt auf "Set It Free" in dessen Fußstapfen? Ein Mann namens Tony, hinter dem sich Tobias Jonsson von ARCTIC RAIN verbirgt, woraus das Promo-Material auch kein Geheimnis macht. Die Position an der Gitarre wurde mit einem Herrn namens Andy ebenfalls neu besetzt. Die andere Hälfte des Quartetts ist unverändert, Swede bedient den Bass und Bandkopf und Gründer Mike Cameron Force ist an den Drums, Keyboards und Backing Vocals zu hören.
Wer nun bei Namen wie Lars Säfsund und Bands wie ARCTIC RAIN und LIONVILLE an 80er Melodic Rock und manchmal stark an der Kitschgrenze entlang schrammenden Balladen denkt und sich über die Einordnung dieses Albums in die Rubrik Melodic Metal wundert: das ist schon richtig so!
Aber selbst das kommt dem, was die Band spätestens ab dem zweiten Album abliefert, nur bedingt nahe. Für die Kategorie Melodic Metal sind die Songs von ENBOUND zu abwechslungsreich und stecken voller kleiner Details, aufgrund derer es bei jedem Durchgang Neues zu entdecken gibt. Statt weite Highways, über die man bevorzugt in Cabrios brettert, ist die Musik, trotz der enormen Fülle an Melodien, eher etwas für die Nacht oder dunkle Herbsttage. Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Selten ist es mir so schwer gefallen, den Sound einer Band zu beschreiben, weil einfach so verdammt viel in jedem Song passiert, und das, ohne dass der berühmte rote Faden verloren geht.
Beginnen wir dem Opener 'Assaulted Taste'. Nach ruhigem Intro und sphärischem Gesang brettert die Band nach 30 Sekunden los und es dauert keine Minute, bis der Song nach dem ersten Zuckerrefrain in modernes, abgehacktes Gitarren-Riffing übergeht, bevor es ab Minute zwei wieder melodisch wird, wobei der Gesang teilweise nur von sanften Keyboards begleitet wird. Ein Gitarrensolo leitet wieder zum Refrain über, bevor der Track nach knapp vier Minuten ruhig endet. Klingt wirr? Beim Lesen ja, beim Hören des Songs ist das völlig schlüssig. Trotzdem ein mutiger Weg, das Album zu eröffnen.
An zweiter Stelle kommt der Vorbote des Albums, die erste Single 'Maximze', welche eher dem normalen Songschema mit Strophe & Refrain folgt und flott zur Sache kommt. Sänger Tony zeigt hier, was er kann. Sehr eingänig, ohne anbiedernd zu sein. Der Titelsong steht an dritter Stelle, und hier ist musikalisch viel im Hintergrund versteckt. Hört mal genau hin, was da an kleinen Gitarrenparts oder Keyboardsounds während der Strophen unter dem Gesang liegt. Auch hier baut ENBOUND wieder einen instrumentalen Mittelteil inclusive Gitarrensolo ein, dreht den Song dann auf links, um nach einem weiteren Solo wieder auf die Melodie vom Anfang zurückzufinden, bevor tief gestimmte Gitarren den Schlusspunkt setzen. Unglaublich, was die Band in knapp fünf Minuten in 'Set It Free' packt.
Mit 'Invincible' geht es wieder melodisch zur Sache und im Refrain bricht die Sonne durch die Wolken. Auch hier variiert ENBOUND den Song nach dem Refrain, und aus der Melodie der Bridge hätten andere Bands einen eigenen Song komponiert. Sicher das eingängigste Stück des Albums! Bei 'Actors' gastiert der Ex-Sänger Lee Hunter, es erfolgt die gesangliche Übergabe des Staffelstabs von Lee an Tony. Keyboards über tiefer gestimmten Gitarren eröffnen den Song, bevor die beiden Sänger sich ein Duett liefern, das sich gewaschen hat. 'Actors' ist ein eher konventioneller Song im ENBOUND-Kosmos, der von dem Zusammenspiel der Stimmen lebt und zeigt, dass Tony sich absolut nicht hinter seinem Vorgänger verstecken muss.
'You Never Walk Alone' ist kein Cover des Fußball-Songs, sondern eine wunderschöne Ballade, die sich ab der dritten Minute zu einer kraftvollen Mutmacher-Hymne aufschwingt. Bockstark! 'The Foresight Bleeding In Your Heart' beginnt ebenfalls ruhig, das ändert sich aber recht schnell, wenn der Ohrwurmrefrain einsetzt. Ein Song, der in den Strophen von Gesang und Keyboards getragen wird, bevor die harte Gitarre und ein Gewitter aus Bass und Schlagzeug einsetzen. Habe ich die Rhythmus-Truppe eigentlich schon gelobt? Was hier passiert, ist außergewöhnlich, es braucht keine über zehnminütigen Songs, um Bass und Schlagzeug genug Raum zu geben. Hier passiert ständig etwas, es wimmelt von Rhythmuswechseln und das Tempo wird laufend variiert – und das alles bleibt zu 100% songdienlich.
'Extreme' ist der bisher härteste Song, mit leichtem Industrial-Touch, modernen Riffs und verzerrtem Gesang, aber das wäre kein ENBOUND-Album, wenn im Refrain nicht wieder die Wolken aufbrechen würden. Der Name des folgenden Tracks mag Dunkelheit suggerieren, aber 'Black' entpuppt sich als Midtempo-Song, der mit einem unglaublichen Refrain versehen ist. Und natürlich wieder Wendungen nimmt, die man so nicht erwartet. Ich sage nur: akustische Gitarre und dieser Gesang...
'Overload' gehört wieder zu den härteren Songs des Albums und hätte gut auf den Vorgänger "The Blackened Heart" gepasst. Ein fettes Schlagzeug und fiese Riffs treiben den ihn voran und über allem tanzen diese unglaublichen Gesangslinien. Mit gut sechseinhalb Minuten schließt mit 'Leave Them To The Night' der längste Song das Album ab. Wunderschön, hier lässt die Band sich Zeit, seine Magie zu entfalten und bündelt noch einmal alle Stärken. An den Tasten ist hier der ehemalige DREAM THEATER Keyboarder Kevin Moore zu hören, wobei auch er sehr songdienlich tätig ist und dieses melancholische Midtempo-Melodiemonster nicht mit unnötigen Keyboardkaskaden tapeziert.
ENBOUND enttäuscht auch mit Album Nummer drei nicht. Progressive Songstrukturen treffen auf eingängigste Ohrwürmer, moderne Härte auf butterweichen AOR und das Ganze wird gekrönt von Gesangsmelodien, die nicht von dieser Welt sind. Jeder Song steckt voller Details, enthält mehr Melodien, als andere Bands auf einem Album verbraten und alles das packt ENBOUND in eine Spielzeit von ca. dreieinhalb bis viereinhalb Minuten, ohne dass die Stücke chaotisch klingen. Die Songs sind nachvollziehbar und man fragt sich zu keiner Zeit, was dieser oder jener Part da jetzt zu suchen hat. Das muss man erstmal schaffen, den Song immer im Fokus zu behalten.
Für diese meisterhaften Kompositionen und herrlichen Melodien bleibt nur die Höchstnote.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Maik Englich