ENCHANT - Tug Of War
Mehr über Enchant
- Genre:
- Prog
- Label:
- InsideOut / SPV
- Release:
- 28.07.2003
- Sinking Sand
- Tug Of War
- Holding The Wind
- Beautiful
- Queen Of The Informed
- Living In A Movie
- Long Way Down
- See No Evil
- Progtology
- Comatose
Dies ist also das neue Album meiner Lieblinge ENCHANT, die mich seit dem Erscheinen ihres wunderschönen Debütalbums "Blueprint Of The World" immer wieder in totale Verzückung versetzen. Und auch wenn sie nach meiner unmaßgeblichen Meinung leider die Intensität des genannten Werkes nicht mehr ganz erreichen konnten, so verstehen sie es auch heute immer noch herausragende Musik zu produzieren. Dies mag natürlich daran liegen, dass die Frisco Boys sich weiterentwickelt haben, ohne mich danach zu fragen und ich ihnen diesen Schritt einfach übel genommen habe. Es mag aber auch daran liegen, dass ich die neueren Songs einfach nicht ganz verstanden habe. Wer weiß...
Ich glaube aber, es liegt eher an der Tatsache, dass man häufig dazu tendiert, eine liebgewonnene Band immer an Frühwerken zu messen. Und ich muss sagen, selbst dann macht "Tug Of War" eine extrem gute Figur. Ooops, jetzt habe ich ja quasi das Fazit schon vorweg genommen, aber ich sabbel ja sonst gern lang um den heißen Brei herum. Darum freut euch lieber, dass ihr, Freunde von ENCHANT, schon jetzt beruhigt aufhören könnt zu lesen und dieses Album unbeschwert erwerben könnt.
Eigentlich könnte mein Review hier enden, aber es mag Leser geben, die mit der Band bislang noch nicht in Berührung gekommen sind. Gut, der Fünfer spielt progressive, heißt technisch anspruchsvolle, Rockmusik an der Schwelle zum Heavy Metal. Man hört an allen Ecken die Vorliebe für große Acts wie RUSH und vor allem KANSAS heraus. Sänger Ted Leonard klingt nicht nur einmal nach Steve Walsh. Ganz große Lunge! Da hätte ich auch schon den ersten wichtigen Stützpfeiler erwähnt. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, wie Ted es schafft, die nicht von ihm geschriebenen, hoch intelligenten und zumeist auch ergreifenden Lyriks so überzeugend emotional zu intonieren. Testet hierzu nur mal das tragische 'Living In A Movie' oder die wundervolle Ballade 'Beautiful'. Mehr Gänsehaut geht nicht in einen Song.
Aber zur Musik zurück. Verweilen wir bei den typischen Merkmalen dieser Band. Es muss auf jeden Fall der Sound genannt werden, der für Hard Rock-Verhältnisse eigentümlich weich zu klingen scheint. Vor allem die Gitarre klingt selten nach Rock`n`Roll und verhält sich selbst in heftigen Momenten eher zurück haltend. Und dabei kracht es auf dem vorliegenden Werk für ENCHANT-Maßstäbe schon ganz gewaltig. Erwartet aber keinen knusprigen Metalsound, denn damit hat – und hatte – der symphatische Fünfer niemals etwas im Sinn. Vielmehr zelebrieren hier alle Instrumente gleichberechtigt miteinander und schießen so ein musikalisches Feuerwerk ab, das sich vor Niemandem verstecken muss. Und genau hier liegt ein riesengroßer Pluspunkt der Band: Sie klingt extrem eigenständig und originell, gleichzeitig auch transparent und farbenfroh. Mir fällt zumindest kaum eine Band ein, deren Basslinien mich so häufig an PRIMUS erinnern (und was ist mit PRIMUS selbst? - Anm. d. Lektors) – mag an der geographischen Nachbarschaft liegen – und die im gleichen Taktzug mit neoproggigen Keyboardsounds daher kommt. Mal ernsthaft: Ed Platt funkt und slappt hier mächtig groovig durch die Songs, so dass Nummern wie der rockige Titelsong oder 'Queen Of The Informed' gerade durch ihn schön nach vorne getrieben werden. Der Neuzugang an den Tasten, der den leider ausgestiegenen Benignus ersetzt, erfreut hingegen mit teils neuartigen Klängen. So überrascht Bill Jenkins in 'Holding The Wind' mit Sounds, die auch einer Panflöte entspringen könnten und im Instrumental 'Progtology' verzaubert er mit herrlich sphärischen Teppichen. Erstaunlicherweise klingt bei dieser Nummer auch die Sechssaitige von Mainman Doug Ott endlich mal fett.
So, jetzt haben auch alle diejenigen, die längst nicht mehr hätten lesen brauchen, noch ein paar Infos zu Neuerungen im ENCHANT-Klangspektrum anno 2003 bekommen. Gern geschehen.
Wie auch seine Vorgänger ist "Tug Of War" ein Album, welches seine gesamte Pracht erst mit ein paar Durchläufen entfaltet, sich dann aber stur im CD-Player behauptet. Ich spreche aus Erfahrung. Ein Rundling, der mit viel Liebe zum Detail komponiert wurde und mit genauso viel Liebe gehört werden sollte.
Anspieltips: Beautiful, Living In A Movie, Progtology, Tug Of War
- Redakteur:
- Holger Andrae