ERNSTFALL - Tagträumer
Mehr über ErnstFall
- Genre:
- Pop / Rock / Punk
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Drakkar Entertainment
- Release:
- 07.06.2024
- Tagträumer
- Schall und Rauch
- Glashaus
- Keine Ewigkeit
- Auf mich
- Mexiko
- 1999
- Nur einen Tag
- Gegen jede Regel
- Freund oder Feind
- Der Weg ist das Ziel
- Glashaus (Acoustic Version)
- Auf mich (Acoustic Version)
- Alte Zeiten (Reggae Version)
- Verdammt, ich lieb' dich
- Freund oder Feind
Gute-Laune-Rock mit Licht und Schatten.
Wenn ich das Wort Deutschrock lese, stellen sich mir ja schon immer direkt die Nackenhaare auf, immerhin steht dieser Begriff heuer zumeist für breitbeinige und ziemlich simpel gestrickte Musik mit zumeist dumpfen und teilweise reichlich flachen Texten, die Themen behandeln, die wohl im letzten Jahrtausend besser aufgehoben gewesen wären. Dass ich angesichts dieser Abneigung gegen das Genre bisher noch nichts von ERNSTFALL gehört habe, obwohl das Trio aus Weil am Rhein bereits seit 2008 sein Unwesen treibt und mit "Jungs bleiben Jungs" schon ein Album veröffentlicht hat, sei mir da sicher verziehen. Aber nun heißt es, ins kalte Wasser zu springen und die Scheuklappen erst einmal abzulegen, denn das Zweitwerk "Tagträumer" ist durch den internen Verteiler nun doch auf dem Tisch gelandet und will - so weit das im Falle von Musik möglich ist - objektiv bewertet werden.
Doch schon der Opener und Titeltrack 'Tagträumer' räumt die meisten meiner Bedenken schnell aus, denn vom Proletenrock diverser Kollegen ist das Dreigespann meilenweit entfernt und bietet uns stattdessen radiotaugliche Rockmusik, die gerne auch einmal zu punkig gelagerten Mitstreitern wie MASSENDEFEKT herüberschielt. Insbesondere die Gitarrenarbeit atmet dabei mit abgedämpftem Downpicking immer wieder massive Punk-Luft und ist ein Punkt auf "Tagträumer", der mir besonders gut gefällt. Gesanglich fehlt ERNSTFALL aber des öfteren der Biss und die Dreckigkeit, um es sich gänzlich in der Punk-Schublade gemütlich zu machen. Gerade Fronter Dominic Ernst ist mit seinem Organ doch eher in gemäßigten Sphären unterwegs und ja, wenn es einmal so richtig melancholisch wird, ist man in Weil am Rhein auch nicht weit von deutschen Schlagern entfernt und gerade bei der Gesangsproduktion und beim Timbre lässt - zumindest in meinen Ohren - des öfteren auch einmal PUR-Fronter Hartmut Engler grüßen.
So ist es für mich persönlich dann auch immer eine Entscheidung von Track zu Track, ob mich ERNSTFALL abholt und mit ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, oder ich mich doch leicht mit Fremdscham erfüllt schüttele. Auf der positiven Seite des Spektrums landen dabei definitiv der bereits erwähnte Titeltrack, das munter rockende und durchaus bissig intonierte 'Schall und Rauch' sowie der von Melacholiker '1999', der bei aller Sentimentalität von tollen Gitarren nach vorne gepeitscht wird. Das musikalisch eigentlich ansprechende 'Glashaus' sorgt dann aber mit seinem Refrain, der in der Zeile "Du sitzt im Glaushaus, wirf nicht mit Steinen - Ich scheiß auf dich und deine Art, du bringst mich nicht zum Weinen" gipfelt, für massives Kopfschütteln. Und auch sonst gibt es des öfteren Texte zu hören, die vielleicht nicht zu den größten Höhenflügen deutscher Lyrik gehören. 'Mexiko' etwa ist ein flacher Abgesang auf den letzten Urlaub, in dem sich Dominic in Adiletten an den Strand wünscht, der von oben herum unbekleidet daherlaufenden Frauen bevölkert wird. Fremdschämen wäre hier der Begriff, nach dem ihr angesichts solcher Zeilen sucht, wobei ich zur Verteidigung sagen muss, dass es generell nicht vielen deutschsprachigen Acts gelingt, solche Anspielungen in metaphorisch anspruchsvolle Texte zu packen.
So bin ich am Ende reichlich zwiegespalten, denn für radioaffine Hörer und Hörerinnen, die sich einfach nur gut gelaunte Beschallung für den nächsten Sommerabend wünschen, dürfte ERNSTFALL ein Volltreffer sein. Für mich als Freund der eher kantigen Töne fehlt es aber sowohl an musikalischer Rotzigkeit und auch lyrischer Brisanz und Brillanz, um "Tagträumer" auch langfristig mehr abzugewinnen. Entsprechend komme ich auch nur zu gut gemeinten sechs Zählern für ein Album, bei dem sich Licht und Schatten eben doch beinahe die Waage halten.
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Tobias Dahs