EVERGREY - A Heartless Portrait (The Orphean Testament)
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2022
Mehr über Evergrey
- Genre:
- Power Prog Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Napalm Records
- Release:
- 20.05.2022
- Save Us
- Midwinter Calls
- Ominous
- Call Out The Dark
- The Orphean Testament
- Reawakening
- The Great Unwashed
- Heartless
- Blindfolded
- Wildfires
Emotionale Härte und eine Gefühlswelt zum Verlieben
Musik zum Eintauchen, ein hohes Maß an Emotionalität hier, eine gesunde Portion Härte dort, Melodien zum Träumen, eine progressive, musikalische Abenteuerfahrt, Harmonien, die die Welt bewegen, den Finger in die Wunde legen, den Hörer ergreifen, Ohren und Herz gleichermaßen berühren, mit einem düsteren, wohlig warmen Schleier belegen – das kann man mit Fug und Recht über alle Alben von Tom Englund und EVERGREY sagen, haben die Schweden bislang doch stets in höchsten Tönen abgeliefert und Werke für die Ewigkeit erschaffen. Zuletzt gelang ihnen das vor einem Jahr als der Phoenix floh und EVERGREY zum zwölften Mal mit einer emotionalen Tiefe und diesem elegant-progressiven Spagat aus Melodie und Härte entzückte. Leider konnte mich der Feuervogel erst nach dem fünften, sechsten Durchgang richtig packen, konnte mich danach aber schwer loseisen – die Griffigkeit zog mich also erst verhältnismäßig spät in den Bann.
Könnte da "A Heartless Portrait (The Orphean Testament)" nicht eine Art Schnellschuss sein? Nun, überhaupt nicht, da das neue EVERGREY-Album dort anfängt, wo der Phoenixflug aufhörte, sodass sich beide Alben trotz unterschiedlicher Themen sehr gut ergänzen. Allerdings, und das ist der große Unterschied, wissen Portrait und Testament mich schon wesentlich früher zu greifen.
Zu jeder einzelnen Minute dieser melancholischen Düster-Achterbahnfahrt, angefangen schon beim Opener 'Save Us', das ausgerechnet am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine veröffentlicht wurde und ob seiner Intensität gleich zu Beginn unter die Haut geht und danke hunderten, eigens von Fans eingesungenen Aufnahmen eine absolute Besonderheit darstellt. Von dieser gefühlsmäßigen Schwere profitieren auch das dramatisch-verträumte 'Midwinter Calls' sowie die wunderschöne Gänsehautballade 'Wildfires', bei der einmal mehr Englunds eindringlicher Gesang dem Album einen wunderschönen Abschluss verpasst. Dazwischen haben 'The Great Unwashed' einen tollen Groove, 'Call Out The Dark' und das famose Titelstück eine schier unbändige Kraft und 'Reawakening' sowie 'Heartless' Melancholie und Eindringlichkeit mit den Löffeln gefressen, auch wenn mir an den übrigen Songs 'Ominous' und 'Blindfolded' der letzte Schliff noch fehlt.
So weiß das Album allerdings nicht nur beim jungfräulichen Durchgang, sondern auch wesentlich später noch zu überraschen und zu überzeugen, strömen auch etliche Spielstunden später noch Passagen und Momente ans nachdenkliche Tageslicht, die vorher unentdeckt waren und dank Toms Gesang und diesen instrumentalen Großmomenten in wunderschönstem Klanggewand festgehalten wurde. Lest euch dazu auch gerne mein Interview mit Johan Niemann, dem Bassisten der Band durch. Einmal mehr finde ich es erstaunlich mit wie viel Kreativität und Facettenreichtum EVERGREY an Musik herantritt und habe der letztjährigen Begegnung mit Phoenix ein recht schlechtes Gewissen, das Album nicht gut genug gewürdigt zu haben. Zumindest mache ich diesen Fehler mit "A Heartless Portrait (The Orphean Testament)" nicht noch einmal.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Marcel Rapp