EVERON - North
Mehr über Everon
- Genre:
- Progressive Rock/Metal
- Label:
- Mascot Records
- Release:
- 28.04.2008
- Hands
- Brief Encounter
- From Where I Stand
- Test Of Time
- North
- South Of London
- Wasn't It Good
- Woodworks
- Islanders
- Running
Der Name EVERON steht für Insider bereits seit den frühen Neunzigern, spätestens aber seit dem exzellenten Epos "Flood" (1995) für orchestralen, melodramatischen Prog-Rock mit Niveau, der als eine opulente und modernisierte Neuzeit-Version alter Helden wie MARILLION oder ASIA bezeichnet werden könnte. Nachdem die Band und Mastermind Oliver Philipps 2002 mit einem Album-Doppelschlag in Form von "Bridge" und "Flesh" ganz groß aufgetischt hatte, war es verdächtig still geworden im Hause EVERON. Doch inzwischen gibt es mit "North" ein weiteres abendfüllendes Werk zu begutachten, das mit seiner sehr edlen, aber ziemlich depressiven optischen Aufmachung Neugierde auf den Inhalt weckt.
Bereits vor drei Jahren entstanden die wesentlichen Teile der Musik, als sich Oliver Philipps für einige Wochen in ein kleines, einsames, sturmumtostes Häuschen in den Niederlanden zurückzog. Offenbar hat man den Songs eine großzügige Reifezeit gegönnt, was sich aber durchaus bezahlt gemacht hat. Oberflächlich betrachtet handelt es sich bei "North" um ein typisches EVERON-Album, was Anhänger der Band zunächst einmal beruhigen sollte. In Stimmung und Klangfarbe unterscheidet sich das aktuelle Material allerdings signifikant von bisher Produziertem: Die mächtigen orchestralen Eruptionen, die manchmal nur knapp an den Klippen des Kitsches vorbei manövrieren, werden auf "North" dosierter und zielgerichteter verwendet. Dafür wirken die Piano-Parts prominenter, nicht weil sie jetzt alles überdecken, sondern weil sie einfach sehr schön und einprägsam sind. Die Gitarren klingen wärmer, voller und kräftiger, rücken an strategisch wichtigen Stellen der Kompositionen auch mal in den Vordergrund. Schließlich pflegen EVERON die ästhetische Melancholie ihrer Musik mit besonderer Inbrunst und Intensität. Dazu tragen auch die schwermütigen Cello-Einsätze von Gastmusiker Rupert Gillet bei.
Der Opener 'Hands' zeigt diese Entwicklungen gleich besonders deutlich und weckt aufgrund des allgemeinen Aufbaus und der Struktur der Melodien dezente Assoziationen zum letzten THRESHOLD-Album. 'Brief Encounter' lockt dann zum ersten Mal dieses wunderbar unter Haut gehende Piano ans Tageslicht. Darüber breitet sich Olivers einfühlsame, immer etwas traurig, aber nie jammernd klingende Stimme elegant aus. Hier dürfen es dann auch mal wieder symphonische Momente sein, sind ja schließlich EVERON, denen man lauscht. Ein weiteres Highlight ist das rhythmisch sehr interessante, von federleichter, subtiler Komplexität getragene 'Test Of Time'. Ungewöhnlich für diese Band und sehr gelungen ist 'South Of London', eine Nummer mit etwas grazilem Pop-Appeal und supereingängigem Chorus. Prog-Feinschmeckern wird auch das äußerst lebendige Instrumental 'Woodworks' auf der Zunge zergehen.
Wie eigentlich immer bei EVERON, geben mir die balladesken Lieder (auf "North" darf man 'Wasn't It Good' und 'Islanders' dazu zählen) nicht sonderlich viel. Etwas dürftig ist für meinen Geschmack auch das Stück 'North' ausgefallen: Wenn man einen Track schon mit Titelsong-Lorbeeren dekoriert, sollte er eigentlich einen tragfähigeren Spannungsbogen haben. Aber das sind unterm Strich eher Kleinigkeiten, die Gesamtwertung für "North" fällt positiv aus. Zwar kommt EVERON kompositorisch immer noch nicht ganz an die bereits erwähnten THRESHOLD oder an TILES heran, dennoch kann man als Prog-Liebhaber auch mit dem Erwerb dieses Albums nichts falsch machen. Well done!
Anspieltipps: Hands, Brief Encounter, Test Of Time, South Of London
- Redakteur:
- Martin van der Laan