FAHNENFLUCHT - Weiter Weiter
Mehr über Fahnenflucht
- Genre:
- Deutsch-Punkrock
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Aggressive Punk Produktionen
- Release:
- 28.05.2021
- Welt
- Bewegung
- Kein Teil
- Vater Unser
- Energie
- Satt
- Misanthrop
- Alte Lieder
- Asche
- Welcome To Hell
- Serotonin
- Träume in Beton
- BRND
- Trümmer
Hosen auf Speed
Anschnallen. Jetzt gibt es auf die Fresse. Das Quintett von FAHNENFLUCHT meldet sich mit seinem sechsten Album "Weiter Weiter" zurück und haut uns mit stabil gestrecktem Mittelfinger wieder unbequeme Themen um die verstopften Ohren – und zwar gewaltig.
Wir haben es hier mit deutschem Politpunk zu tun, der mächtig wütend und mit durchgetretenem Gaspedal präsentiert wird. Dabei überschreitet die Band vom Niederrhein auch gelegentlich die weiche Grenze zum Hardcore, was sehr gut zur Musik passt und dem Vortrag noch mehr Rotz-Attitüde verleiht. Die musikalische Kernkompetenz der Männer liegt in der Hochgeschwindigkeit. Obwohl ich mich zunächst dabei ertappe, mir den einen oder anderen hymnischen und stadionkompatiblen Refrain mehr zu wünschen, fasziniert mich am Ende gerade diese kompromisslose Herangehensweise. Songs wie 'Kein Teil', 'Unter Unser', 'Alte Lieder', 'Asche' oder 'BRND' funktionieren scheinbar vor allem durch diese Nicht-Anbiederung und entwickeln in dieser Form gar ihre eigene Dynamik. Es ist ja auch nicht so, als ob FAHNENFLUCHT musikalisch nicht variieren. Gerade im hinteren Bereich driften sie mit 'Serotonin', 'Träume in Beton' oder auch 'Trümmer' in Pop-Punk-Gefilde ab, was auch in Ordnung ist, sie aber austauschbar werden lässt. Da passt der Ausflug ins Reggae-Lager in 'Misanthrop' schon deutlich besser und ist in erster Linie sehr wichtig für das Hörgefühl des Albums, verschafft es eben einen kurzen Raum zum Verschnaufen.
Textlich legen Sänger Thomas und seine Kollegen immer und uneingeschränkt den Finger in die schmerzende Wunde. Sie möchten bewusst der Stachel im eingeschlafenen Hintern, der Nagel im schlaffen Fleisch sein. Sozialkritisch, anitkapitalistisch und antifaschistisch. Das geschieht auf hohem Niveau, hat Witz und Finesse. Die lyrischen Ergüsse sind auf jeden Fall nicht nullachtfünfzehn und können sich definitiv mit deutschen Szene-Größen messen. Systemkritik par excellence. Muss nicht jedem schmecken. Soll es ja auch nicht, regt aber auf jeden Fall zum Nachdenken an. Ziel erreicht.
Obwohl ich kein ausgewiesener Fachmann der Musikrichtung bin, hat mich "Weiter Weiter" irgendwie gepackt. Meine Bedenken, das textliche Thema könnte allzu schnell in Plattitüden verfallen und auf Dauer monoton werden, wurden schnell und intelligent zerstreut. Klar, FAHNENFLUCHT macht es dem modernen HOSEN-, ÄRZTE- und SALTATIO-MORTIS-Hörer nicht einfach, aber gerade diese Unangepasstheit ist ihre Stärke. Wer es also gerne ein bisschen rauer, wilder, punkiger und old-schooliger mag, ist hier absolut richtig.
Anspieltipps: Alte Lieder, Asche, Kein Teil
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Chris Staubach